BayHStA Staatsrat 2, Nr. 4 8 Seiten.

Anwesend: Kfst. Max Joseph, Hzg. Wilhelm; Hompesch, Montgelas, Morawitzky, Hertling.

1. Planungen für den Staatshaushalt des Jahres 1800

[MF] 1. Utzschneider legt seine Etat-Berechnungen für 1800 vor. Angesetzt werden für Bayern und seine Nebenländer Einnahmen von 4.915.381 fl. und Ausgaben von 6.269.106 fl. Daraus und unter Einbeziehung der Außenstände bei Hof- und Kriegszahlamt ergibt sich ein Defizit von 2.235.283 fl., zu dessen Deckung im laufenden Jahr durch verbesserte Erträge aus dem Salzhandel und »durch Saecularisirung einiger Klöster« beigetragen werden könne, mittel- und langfristig aber nur durch eine Neuordnung des Steuerwesens. An die Ständeverordnung232 ergeht eine Zahlungsaufforderung wegen immer noch ausstehender Zahlungen des Malteser-Ordens.

1. Um eine genaue Übersicht der Einnahmen und Ausgaaben für das Jahr 1800 zu {2v} erhalten, wurde durch den Geheimen Referendär Utzschneider, der nebst dem Geheimen Referendaire von Schenck der heutigen Geheimen Staats Conferenz nach erfolgter churfürstlicher höchster Bewilligung hiezu beywohnte, eine umständliche Verzeichnüß aller einfließenden Einnahmen von der Oberen Pfalz, Sulzbach und Leuchtenberg, von dem Herzogthume Neuburg, von der baierischen Landschafft, von den baierischen Cameral-Staats Gefällen und den baierischen Cammerguths Gefällen vorgetragen, welche zußammen 4.915.381 fl. betragen. Dagegen wurden die zu bestreitende verschiedene Ausgaaben für die Hofhaltung der höchsten Herrschafften, sämtliche Stäbe, mehrere Appanagen, für die Civil Staats Ausgaaben, für die ordinäre und extraordinäre Militär Ausgaben und für die Schuldenwercks Beyträge auf 6.269.106 fl. angesezet und gezeiget, daß sich folglich für das laufende Jahr mit Inbegrief der Hofzahlamts Rückstände bis Ende 1799 und der Kriegszahlamts Rückstände ein Deficit von 2.235.283 fl. herauswirft, welches in dem gegenwärtigen Jahre vielleicht noch, wenn nicht unvorhergesehene Zufälle eintretten, durch den verbeßerten Salzhandel und durch Saecularisirung einiger Klöster gedecket werden kann, für deßen künftige Bedeckung aber, außer in der Steuer Rectification, kein Ausweeg übrig bleibe. Benanter Utzschneider legte hierauf eine Übersicht des Militärstandes, wie er Ende December 1799 ware, vor und verlaß einen Rescripts Aufsaz an die Landschafftsverordnung wegen dem von der baierischen Johaniter Ordens Zunge zu den baierischen Staats Bedürfnüßen zu leistenden außerordentlichen Beytrage, wodurch derselben eröffnet wird, daß die Zunge bereits 100.000 fl. in dieser Absicht erleget habe und für das Jahr 1799 zu nichts weiterem anzuhalten seye, daß folglich die Landschafft sorgen müße und ihr überlaßen bleibe, auf welch- andere Art diese 44.716 fl. 38 1/2 kr. beygebracht werden, ohne sie an den Current-Zahlungen an die Staats Casse abzuziehen.

Die vorgelegte Übersicht der Einnahm- und Ausgaaben für das laufende Jahr hat zur Nachricht gedienet, und der Rescripts-Aufsaz an die Landschafft wurde genehmiget.

2. Neuorganisation des Handels mit Halleiner Salz

Utzschneider schlägt die Aufnahme von Unterhandlungen der General-Landesdirektion mit v. Dittmer wegen des Handels mit Halleiner Salz vor sowie über die Modalitäten, zu denen er der neuen bayerischen Salzhandels-Gesellschaft beitreten könne, ohne die ihm zustehenden Darlehens-Sicherheiten zu verlieren.

2. Durch erwehnten Geheimen Referendaire Utzschneider wurde, nachdeme der Geheime Referendaire von Schenck die von den Geheimen Referendärs von Zentner und Fuchsius in Folge des lezten Conferenz Schlußes über den Halleiner Salz Vertrag233 abgegebene rechtliche Meynung vorgetragen hatte, ein Rescripts Aufsaz an die General Landes Direction abgeleßen, wodurch dieser aufgetragen wird, den von Dittmer vorzuladen und ihme folgende Vorschläge zu machen: {3r} 1. Ob er mit seiner ganzen Schuldforderung nicht in die neue Salzhandlungs Gesellschafft eintretten wolle?, 2. ob und unter welchen Bedingnüßen ihme eine gleiche Sicherheit, wie in den Hauptobligationen enthalten, für sein Darlehen gestellet werden möge, z.B. daß die Halleiner Salz-Gefälle durch seine Hände zur Haupt Casse gelangen und allso er vor wie nach für die ihme gebührende Zahlungs Termine durch eigenen Abzug gesicheret bleiben solle, oder 3. ob er vorziehe, daß ihme alles gleich abgeführet werde, was er wegen seines Darlehens je zu fordern berechtiget seyn könnte. Wornach die General Landes Direction unter Vorbehalt der churfürstlichen Ratification über ein- und anderes mit demselben abzuschließen und den Erfolg einzuberichten habe.

Genehmiget.

3. Diskussion von Finanzoperationen zur kurzfristigen Deckung der an das Reich abzuführenden Militär-Beiträge.

4. Unterbringung der im zum Abbruch bestimmten Fabriken-Haus auf dem Rindermarkt befindlichen Niederlage für Porzellan- und Eisenwaren im Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegs in München.

5. Neuordnungsmaßnahmen im Jagdwesen des Kurfürsten im Umland von München, die der Kurfürst dem Oberstjägermeister Theodor Graf v. Waldkirch bekanntgegeben hatte und die nun an die General-Landesdirektion weiterzuleiten sind.

[MA] 6. Vormerkung der Allodial-Kommission über Abgang eines in Böhmen angelegten, zum Familien-Fideikommiß gehörenden Kapitals von 75.000 fl.

7. Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Verwendung der Staatsgelder in der Pfalz in der Regierungszeit Kurfürst Karl Theodors

Bevollmächtigung des pfälzischen Regierungspräsidenten Ignaz Freiherr v. Reibeld und des Regierungsvizekanzlers Ferdinand Freiherrn v. Lamezan, die Verwendung der Staatsgelder in der Pfalz unter der Regierung des Kurfürsten Karl Theodor zu untersuchen und die Forderungen des Staats an die Allodial-Erbmasse des Kurfürsten zusammenzustellen.

7. Dieselbe Commission machet in weiterem Bericht den unterthänigsten Antrag, wegen Untersuchung der Verwendung der Staats-Gelder in der Rheinpfalz unter der vorigen Regierung eine eigene Commission in Personen des churpfälzischen Regierungs Praesidenten Freiherr von Reibeld und Regierungs Vice Canzler Freiherr von Lamezan aufzustellen, welche die diesfalls sich vorfindende Papiere sich vorlegen zu laßen, die davon Wißenschafft habende Personnen zu vernehmen, die ganze Forderung des Staates an die Allodial Masse des verlebten Churfürsten Carl Theodor aufzustellen und nebst den sich ergebenden Beylaagen anhero einzuschicken hätte.

Dieser Antrag wurde genehmiget, und ist in Vollzug zu sezen.

8. Erzherzog Karl moniert, das von Bayern gestellte Kontingent zu den von ihm befehligten Reichstruppen sei nicht vollständig. Nach Dafürhalten des Münchener Hofs resultiert diese Ansicht aus den Unklarheiten über die Einbeziehung des Korps Wrede; auf das Monitum Karls solle vorerst nicht reagiert werden.

9. Überwachung ständefreundlicher Tendenzen

Aus Anlaß einer unter dem Titel »Neuester landständischer Bundbrief« erschienenen Broschüre empfiehlt Montgelas eine geeignete geheime Überwachung aller pro-ständischen Bestrebungen.

9. Legte der Geheime Staats und Conferenz Minister Freiherr von Montgellas eine unter dem Titel Neuester landständischer Bundbrief mit Erläuterungen 1800. 38 Seiten St. erschienenen [sic] Brochure234 vor, und, nachdeme er einige Stellen daraus abgeleßen hatte, zeigte er durch mündlichen Vortrag, wie nothwendig es seye, in dem dermahligen Zeitpunckte mit aller Aufmercksamkeit {4v} zu wachen, daß nicht, wie in dieser Brochure enthalten, sich ein solcher der Ruhe des Staates gefährlich werden könnender Bund im Lande bilde, ohne daß die Regierung hievon in Zeiten unterrichtet werde, um ihre Maaßreglen dagegen schnel und mit Festigkeit ergreifen zu können. Er glaube deswegen, es seye am zweckmäsigsten, wenn man die Chefs der verschiedenen Provinzen hievon unterrichte, sie unter der Hand darauf aufmercksam mache und ihnen aufgebe, auf alle dahin abzielende Vereinigungen scharf zu wachen und bey machender einiger Entdeckung ihre Anzeige ohnmittelbahr zur höchsten Stelle zu erstatten, einen ähnlichen Auftrag auch dem pfalz-zweybrückischen Comitial-Gesandten Herrn von Rechberg235 wegen Regensburg zu ertheilen.

Dieser Vorschlag wurde genehmiget.

10. Genehmigung protestantischer Gottesdienste am kurfürstlichen Hof

[MGeistl] Vorschriften für den protestantischen Kabinettsprediger der Kurfürstin Karoline, Friedrich Schmidt, wegen der Kontakte zu den in München sich aufhaltenden Protestanten236.

10. Auf die von dem Hofprediger der regierenden Frauen Churfürstin Durchleucht, Schmid, wegen seinen Verhältnüßen zu den in der allhiesigen Residenzstadt sich aufhaltenden Protestanten wurde ein ausführlicher Vortrag abgeleßen und ein darnach entworfener Rescripts Aufsaz zur gnädigsten Genehmigung vorgeleget, wodurch diese Anfragen beanthworthet und dem Hofprediger die Vorschrifften ertheilet werden, wie er sich in den angezeigten Fällen zu verhalten habe.

Dieser Rescripts Entwurf wurde mit einigen wegen den Personnen und Kinder, die das Abendmahl und Confirmation in der Hof Capelle empfangen sollen, zu treffenden Abänderungen genehmiget.

11. Übertragung des Benefiziums bei der Inneren Burgkapelle zu Burghausen auf den Priester Sauer.

12. Besetzung der erledigten Pfarrei Illertissen mit dem Priester Joseph Hausmann.

13. Besetzung der Pfarrei Straußdorf mit dem Kooperator Pleyer.

14. Resignation der Pfarrei Holzen an den dortigen Kooperator Hinterholzer.

15. Ernennung des Geistlichen Rats Franz Xaver Prentner zum Mitglied der Zensur-Kommission anstelle von Matthias v. Flurl237.

16. Grundsatzbeschluß zur Verbesserung der geltenden Gesetze und der Justizverfassung

[MJ] Vorbereitungsarbeiten für die Durchführung des Beschlusses, »die Justiz und Geseze in den heroberen Landen verbeßeren zu laßen«238.

16. Zu Ausführung des von Seiner Churfürstlichen Durchleucht vorlängst gefasten Entschlußes, die Justiz und Geseze in den heroberen Landen verbeßeren zu laßen, wurden die zu vorläufiger Einleitung dieses Geschäffts gefaste und in einer Ministerial Session geprüfte und gutgeheißene Rescripts Entwürfe an das Geheime Ministerial Justiz-Departement und sämtliche Landesstellen, dann einige Schreiben an den Professor Kleinschrod in Würzburg239 und Landschaffts Consulenten {5v} Seyfried240 allhier so wie auch die Rescripts Aufsäze an das Geistliche Ministerial Departement wegen Anschafung der benöthigten Bücher in die Hof Bibliotheck und die General-Landes Direction wegen Errichtung öffentlicher Arbeits Anstallten zur gnädigsten Genehmigung vorgeleget,

die auch hierauf erfolgte.

17. Das Gesuch des Franz Freiherrn v. Seraing um die Verleihung einer Ratsstelle bei einer Regierung wird zurückgestellt; zunächst solle er sich Praxis bei einem Landgericht erarbeiten und sich einer Überprüfung seiner Fähigkeiten unterziehen, dann sei gegebenenfalls die Erteilung des Zutritts zu einem Regierungskollegium möglich.

18. Wiederholte Abweisung des Gnadengesuchs des flüchtigen Simon Mayer, der des Totschlags an seiner Ehefrau beschuldigt wird.

Anmerkungen

232
Aktenmaterial zu diesen Verhandlungen mit der Ständevertretung in BayHStA Altbayerische Landschaft Lit. 797.
233
Vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 17. Januar 1800, TOP 1).
234
Neuester landständischer Bundbrief. Mit Erläuterungen, o.O. 1800. Diese Ausarbeitung wird in der Darstellung der kontroversen Flugschriften der Jahre 1799/1800 über die Frage der Einberufung eines Landtages bei Seitz, Verordnung, S. 219-250, nicht berücksichtigt.
235
Alois Freiherr v. Rechberg, Geheimer Rat, bevollmächtigter Gesandter des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken am Regensburger Reichstag (HStK 1800, S. 70, 13).
236
Vgl. Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 251: »Um den lutherischen Kabinettsprediger [der Kurfürstin Karoline] F.W. Schmidt entwickelte sich seit 1799 in Nymphenburg die erste neue evangelische Gemeinde Altbayerns. Am 24.1. 1800 wurde den Protestanten in München die Feier von (zunächst privaten) Gottesdiensten gestattet«. Vgl. auch Müller, Zwischen Säkularisation und Konkordat, S. 101.
237
Der Geologe Flurl, seit 1799 Direktor der 4. Deputation der General-Landesdirektion, war 1792 zum Mitglied des Zensur-Kollegiums bestellt worden; vgl. Schaich, Staat, S. 428.
238
Bezug genommen wird wohl auf den in der Staatskonferenz vom 10. September 1799, TOP 14) von Montgelas übernommenen Auftrag zur Ausarbeitung eines neuen Staatsrechts für Kurbayern; vgl. Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 96. Die entsprechende Verordnung »Die Justiz und Gesetzverbesserung betreffend« erging ebenfalls unter dem Datum des 24. Januar 1800; siehe Schimke, Regierungsakten, Nr. 58, S. 297-300.
239
Gallus Kleinschrod (1762-1824), seit 1785 Ordinarius der Institutionen an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg, arbeitete bis 1801 einen Entwurf für die Reform des bayerischen Strafrechts von 1751 aus ( NDB 12, S. 8f.).
240
Joseph Elias v. Seyfried fungierte 1791-1802 als Konsulent, also oberster Rechtsberater der kurbayerischen Landschaftsverordnung; vgl. Seitz, Verordnung, S. 46, 51.