BayHStA Staatsrat 382 11 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 11. Oktober 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

{1r} 1. Genehmigung eines von Krenner entworfenen Reskripts, das er »wegen Verleihung einiger Gratifikationen an die verschiedenen Individuen bei der ehemaligen Kriegskommission in Landshut entworfen« hatte.

Der Witwe Stürzer werden auf wiederholtes Ansuchen 200 fl. aus dem Hofzahlamt als Entschädigung für Quartierkosten bewilligt.

{1v} 2. Über das wiederholte Gesuch der verwittibten Weingastgeberin Stürzer323 um Vergütung der auf die Verpflegung des Chefs de l’Etat Major der französischen Division Decaen, Hamelinay während seiner Anwesenheit hier erlofenen beträchtlichen Kösten, äuserte Herr geheimer Finanz-Referendär v. Krenner, daß dieses Gesuch schon einmal abgewiesen worden, die Wittwe Stürzerin aber diese ihre erneuerte Bitte mit einem Schreiben des erwehnten tit. Hamelinay beleget, und mit Grund angeführet habe, daß dieses Quartier für eine privat Einquartierung zu kostspielig gewesen, weil solches als ein Hofquartier angesehen, und folglich nach Willkür benützet worden; wo im Gegentheile aber ihr entgegen stehe, daß sie zur nämlichen Zeit, wo sie das Quartier des Chefs Hamelinay gehabt, mit keinen andern Quartiere belegt gewesen seye.

Bey diesen Verhältnißen mache er Referent den Antrag: der Wittwe Stürzerin zu diesen Verpflegungskösten, welche sich auf 651 fl. 23 kr. belaufen, aus dem Hofzahlamte einen Beitrag von 300 fl. zu bewilligen.

Nach gehaltener Umfrage wurde von dem Staatsrathe beschlossen, der Wittwe {2r} Stürzerin einen Beitrag aus dem Hofzahlamte von 200 fl. zu bewilligen.

Besetzung der Gerichtsschreiberstelle zu Pfaffenhofen (Oberpfalz) mit Joseph Steiner. Vereinigung des Amtes Rötz mit Waldmünchen und des Amtes Bruck mit Wetterfeld. Ruhestandsversetzung des Landrichters zu Bruck, Franz Dionis Pamler.

3. Herr geheimer Rath von Löwenthal erstattete über die Besetzung der Gerichtschreiberstelle zu Pfaffenhofen in der Obern-Pfalz schriftlichen Vortrag und äuserte darin, daß der Landesdirektion zu Amberg zu eröfnen wäre, wie Seine Churfürstliche Durchlaucht die Gerichtschreiberei zu Pfaffenhofen dem Gerichtschreiber Steiner zu Rötz dergestalten verliehen haben, daß das Amt Rötz mit Waldmünchen, Pruck aber mit Wetterfeld vereiniget, und der Landrichter zu Pruck Pamler mit einer angemessenen Pension, über dessen Quantum sich erwehnte Landesdirektion gutachtlich zu äusern habe, quiescirt, und der Bericht über die Pfaffenhofische Untersuchungs-Acten beschleuniget werden solle, wo sodann nach erfolgter höchster Genehmigung dem Ministerial Finanzdepartement das Conclusum zu communiciren wäre, um wegen der Besoldung für den Gerichtschreiber Steiner zu Pfaffenhofen das weitere zu verfügen.

Dieser Antrag wurde von dem Staatsrathe genehmigt.

Verfügungen zugunsten der Untertanen des Klosters Tegernsee, die über verschiedene Übergriffe durch den Grundherrn Beschwerden vorbringen.

{2v} 4. Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner führte in einem schriftlichen Vortrage die Beschwerden an, welche die Unterthanen des Klosters Tegernsee gegen das Kloster wiederholter übergeben, und äuserte, wie es nöthig seyn dürfte, die Beschwerden zuerst im einzelnen zu betrachten, und dann ein allgemeines Urtheil darüber zu fällen.

In dieser Rücksicht legte Herr v. Stichaner die von den Tegernseer Unterthanen angebrachte 5 Haupt-Beschwerden selbst vor, und äuserte, daß wenn man diese vorgetragene Beschwerden im Ganzen übersehe, man nicht verkennen werde, daß die Unterthanen des Herrschafts Gerichts Tegernsee sehr bedrücket sind, und sie ohne eine ernstliche landesherrliche Verfügung von diesen mancherlei Bedrückungen nicht befreiet werden können; er schlage daher vor, folgende Bestimmungen zu trefen:

1.) Daß das Kloster Tegernsee sich nicht unterfangen solle, von jenen Unterthanen einen Kälber-Dienst zu erpressen, in deren Leibrechtsbriefen derselbe nicht ausdrücklich bedungen seye,

2.) Wäre der Preis, um welche diese bedungene Kälber geliefert werden sollen zu bestimmen, und {3r} wenn das Kloster und die Unterthanen darüber nicht einig werden könnten, derselbe richterlich determinirt werden sollte.

3.) Daß die Verbindlichkeit der Unterthanen, ihr Vieh dem Kloster anzufeilen, aus dem Grunde, aus welchem in der Polizei-Ordnung das Anfeilen des Getraides verbotten sey324, in der Herrschaft Tegernsee, wo die Viehzucht die Haupt-Nahrung der Unterthanen ausmache, aufhören solle.

4.) Daß das Kloster angehalten werden solle, die contra legem amortizationis325 an sich gebrachte Höfe, insonderheit den Kaltenbaunnerhof, Meßerhof, und Merolderhof, wenn sich dasselbe über deren rechtmäsige Aquisition nicht in instanti legitimiren könne, in Zeit von 6 Wochen auf die nämliche, oder eine andere Gerechtigkeit wiederum zu verleihen.

5.) Daß dasselbe angehalten werden solle, alle Gemeinds Onera zu vergüten, welche wehrend des klösterlichen Besitzstandes von diesen Höfen nicht geleistet worden.

6.) Daß endlich dasselbe bei Strafe gänzlicher Einziehung der Scharwerk, die Unterthanen mit ungemessener Scharwerk nicht wider Recht bedrücken und ihnen keine weitere Scharwerk {3v} zumuthen solle, als soviel zum Bedürfniß, und nicht zum Gewinn des Klosters erfoderlich sey, und soviel die Unterthanen ohne von ihrer eignen Ökonomie abgehalten zu werden leisten können.

7.) Übrigens habe es dabei sein Verbleiben, daß die Gemeinde-Rechnungen allezeit den Führern vorgelegt, und ihnen die Einsicht so lange sie solche bedürfen, gestattet werden solle.

Diese Anträge wurden von dem Staatsrathe genehmiget.

Die in der Staatskonferenz vom 31. Juli 1802 (Nr. 55) genehmigten Beschlüsse »wegen der Stelle eines Doctors und Pflegers in dem neuen Narrenhause zu Giesing« sollen vollzogen werden. Die später von dem Geheimen Rat Franz Joseph Besnard vorgelegten, mit »einem Cabinets-Signato« versehenen Vorschläge, »welche mit dem bestehenden Konferenzschluße im Widerspruch sind«, sollen übergangen werden.

5. Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner zeigte dem Staatsrathe an, daß der in der geheimen Staats-Conferenz vom 31. July genehmigte Staatsrathsschluß326 wegen der Stelle eines Doctors und Pflegers in dem neuen Narrenhause zu Giesing, von der General Landesdirektion zum Theile schon befolget, wegen der Pflegersstelle aber die Erinnerung gemacht worden, daß solche ganz überflüssig werden würde, wenn man dem Arzte nebst der Wohnung im Hause, die Aufsicht über das Ganze anvertrauen wolle.

Das geheime Ministerial Justizdepartement habe über diesen Vorschlag sein {4r} Gutachten erstatten wollen, allein eine demselben in der Zwischenzeit zugekommene Vorstellung des geheimen Rath Besnard, die mit einem Cabinets-Signato versehen gewesen, habe diesen Gegenstand ganz verändert, indem der Inhalt dieser Vorstellung (welche Herr von Stichaner mit dem Cabinets-Signato ablas) der nach dem Cabinets Signat befolgt werden solle, mit dem erwehnten Konferenzschluße ganz im Widerspruch stehe. Das Ministerial Justizdepartement müsse dem Ermessen des Staatsrathes überlassen, welche Entschliessung derselbe unter diesen Umständen fassen wolle, und müsse nur erinnern, daß der Concurs infolge der vordern höchsten Konferenz-Entschließung schon durch öffentliche Zeitungen ausgeschrieben worden und mehrere Competenten hiezu sich eingefunden haben.

Nach gehaltener Umfrage in dem Staatsrathe wurde beschloßen: Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gegen die durch das Cabinets-Signat genehmigten Vorschläge des geheimen Raths Besnard, welche mit dem bestehenden Konferenzschluße im Widerspruch sind, die dringenste Gegenvorstellungen zu machen, und Höchstdenenselben vorzulegen, welch üblen Eindruck es in dem {4v} Auslande und bei dem inländischen Publico hervor bringen müsse, wenn eine mit aller Sachkenntniß gefaßte und öfentlich bekannt gemachte churfürstliche höchste Entschließung vor ihrer vollkommenen Ausführung zurück genommen, und die im Vertrauen auf den churfürstlichen Aufruf gekommene Mediciner in ihrer gerechten Erwartung getäuschet würden.

Bei diesen Verhältnißen sehe sich der Staatsrath durch seine Pflichten aufgerufen, Seine Churfürstliche Durchlaucht gehorsamst zu bitten, es bei dem ausgeschriebenen Concurs um die Stelle eines Arztes in dem Irrenhause nach dem Konferenzschluße zu belassen, und den Dr. Sax anzuweisen, sich demselben gleich anderen zu unterwerfen, wo aber nach dem Vorschlage des geheimen Rath Besnard die Regie für die Verpflegung der Wahnsinnigen, der Frau des Pflegers Auer doch nicht anders, als unter der Aufsicht und Controlle des Arztes übertragen werden könnte.

Ausgelöst durch eine Eingabe des Magistrats der Stadt München wird das Verbot des Hausierhandels erneuert.

{5r} 6. Auf einen Bericht des hiesigen Magistrats, der abgelesen wurde, und worin er sich gegen das Hausiren und die Ablieferung bestellter Waaren, welch letztere durch Polizei-Erlaubniße begünstiget wurde, beschweret und vorschlaget, den Polizeidienern für die Entdeckung derlei Hausirer und Zuträgern einen Lohn zu zusichern, las Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner einen Reskripts-Entwurf an die General Landesdirektion ab, wodurch derselben aufgetragen wird, das Verbot gegen das Hausiren zu erneuern327, wo aber übrigens das Zutragen der Bestellungen, welche gehörig ausgewiesen werden können, nicht unter das Verbot des Hausirens fallen sollen, und Seine Churfürstliche Durchlaucht nie zugeben würden, daß den Polizeidienern über ihre bestimmte Löhnung noch ein Verdienst an ihren besondern Polizeiverrichtungen zugeeignet werde.

Dieser Reskripts-Entwurf wurde genehmiget.

Dem Buchbindergesellen Lorenz Wolf wird eine Konzession als »Galanterie-Buchbinder« erteilt. Die Genehmigung gilt nicht für sonstige Buchbinderarbeiten.

7. Über das Gesuch des Buchbinders-Gesellen Lorenz Wolf um eine Concession als Galanterie-Buchbinder, erstattete Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner Vortrag, und zeigte durch welch ungegründete Beschwerde der hiesige Magistrat gegen die Verleihung dieser Concesion, die niemanden {5v} beeinträchtige, weil hier niemand diese Arbeit mache noch machen könne, angebracht, und welche Gründe die General Landesdirektion angeführet, die Ertheilung dieser Concession, welche sie bereits verfüget, zu rechtfertigen. Herr von Stichaner äuserte, wie er bei den vorliegend-überwiegenden Gründen, für Ertheilung der Concessionen auf deren Bestättigung antragen müsse.

Der Staatsrath beschloß nach gehaltener Umfrage, die vorliegende Umstände Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst vorzutragen; und weil durch die Ertheilung dieser Galanterie-Buchbinder Concession, welche hier nicht exercirt wird, niemand beeinträchtiget werden kann, seinen Antrag auf Bestättigung dieser von der General Landesdirektion schon ertheilten Concession unter der Bedingung zu stellen, daß der Lorenz Wolf die Gränzen dieser Galanterie-Buchbinderey nicht überschreiten, und sich in Ausübung der gewöhnlichen Buchbinder-Arbeiten bei Verlust seiner {6r} Concession nicht betretten lassen solle.

Vorlage der Anträge und Entschließungen beim Kurfürsten und Genehmigung (Schreiberhand: Montgelas).

Anmerkungen

323
Entschädigungsforderungen der Weinwirtin waren bereits im Staatsrat vom 9. September (Protokolle Bd. 1 Nr. 113, S. 417, TOP 9), 16. September (ebd. Nr. 115, S. 422, TOP 2) und 30. Dezember 1801 (ebd. Nr. 145, S. 504, TOP 3) behandelt worden. - Die Witwe Marianne Stürzer ist im Häuserbuch der Stadt München um 1800 als Käuferin des Hauses Theatinerstraße Nr. 18 nachgewiesen (Häuserbuch Bd. 2, S. 337).
324
In der Landes- und Polizeiordnung von 1616 wurde u.a. den Prälaten im Kontext von Bestimmungen über den verbotenen »fürkauff« untersagt, »ihre Hindersässen [zu] benötigen/ ihren Traidt ihnen vor andern zuuerkauffen« (Landts- und Policey Ordnung, Buch II, Tit. II, Art. 4, S. 501).
325
Unter dem Amortisationsrecht verstand man - in Kreittmayrs Formulierung (1761) - »ein solches Lands-Gebott, oder Herkommen, Kraft dessen kein Immobile ohne Landsherrlichen Consens ad manum mortuam gebracht werden kann (Kreittmayr, Anmerckungen CMBC Tl. 2, S. 813 [Tl. 2, Kap. 2, § 4 Nr. 2]). Damit war vornehmlich der Vermögenserwerb durch geistliche Institutionen gemeint. Folglich richtete sich das auf älteren Vorschriften von 1672 aufbauende Mandat vom 1. August 1701 (MGS Bd. 4, Nr. VI.57, S. 756 – 758), das die Grundlage der entsprechenden späteren Bestimmungen des 18. Jahrhunderts darstellte, gegen »ecclesiasticas mortuas manus«, also gegen den Verkauf von Immobilien an »Manns- oder Weibsklöster, Gotteshäuser, Spitäler, Armen- und Waisenhüuser [!]« ohne kurfürstlichen »Special-Consens, Vorwissen, und Bewilligung« (S. 757). Um »dem allzugroßen Wachsthum des in die Klöster und geistliche Stiftungen gehenden weltlichen Vermögens« vorzubeugen, wurde 1764 darüber hinaus u.a. verboten, daß »die Klöster, und all andere Corpora Ecclesiastica […] von innländisch-weltlichen Vermögen an Geld, oder Geldswerth mehr als zwey tausend Gulden […] titulo lucrativo auf einmal akquiriren können« (Mandat zur »Erweiterung des Amortisationsgesätz[es]« vom 13. Oktober 1764, MGS Bd. 2, Nr. VI.46, S. 1078 – 1081, Zitate S. 1078 [Präambel], S. 1079 § 1). Zum Ganzen vgl. Döberl, Ursprung; Ksoll, Die wirtschaftlichen Verhältnisse, S. 86 – 89; Rankl, Landvolk, Tl. 2 S. 803, S. 805; Schmid, Vom Westfälischen Frieden, S. 331 f.; Nachweise weiterer einschlägiger Mandate bei Döllinger, Repertorium, S. 12 – 14 s. v. ›Amortisationsgesetz‹.
326
Der Beschluß des Staatsrats zu TOP 5 der Sitzung vom 28. Juli 1802 (Nr. 54) wurde in der Staatskonferenz vom 31. Juli 1802, TOP 1 (Nr. 55) genehmigt.
327
Das Mandat vom 10. Januar 1800 (MGS [N. F.] Bd. 2, Nr. IV. 3, S. 129 f.) untersagte auf Antrag des »Handelsstand[es]« den Hausierhandel, »d. i. Kaufmannswaaren zum Verkaufe in die Häuser tragen«. Statt dessen sollte der »freye und ungehinderte Verkauf derselben […] nur auf öffentlichen Märkten, Dulten oder Messen, welche dazu geeignet sind, Platz finden«. Vgl. die Ergänzung und Präzisierung im Mandat vom 6. Juni 1800 (ebd., Nr. IV.50, S. 145). Hinweise auf ältere Bestimmungen bei Döllinger, Repertorium, S. 250 s. v. ›Hausiren‹.