BayHStA Staatsrat 382 19 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 31. Oktober 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, [MF:] Hartmann, Steiner, Schenk, [MGeistl:] Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

{1r} 1. Montgelas teilt mit, daß der Kurfürst die »Anträge und Entschließungen« des Staatsrats vom 20. Oktober 1802 »ohnbedingt genehmiget« hat.

Freier Handel innerhalb Bayerns

Auf Antrag Schenks werden Maßregeln zur Erleichterung des Handelsverkehrs formuliert. Innerhalb Bayerns herrscht Handelsfreiheit, Hausieren bleibt weiterhin verboten. Mit ausländischen Erzeugnissen darf kein Handel getrieben werden. Ausländer dürfen in Bayern fabrizierte Produkte im Ausland verkaufen.

2. In einem ausführlich-schriftlichen Vortrag, den Herr geheimer Finanz-Referendär von Schenk über die Niederlagen inner Landes für die inländischen Fabrikaten erstattete, {1v} zeigte derselbe, daß ohnerachtet des Staatsrathsschlußes vom 13. dieses, der dahin gehet: die Entscheidung des Gesuches des Lederfabrikanten Utzschneider, an verschiedenen Orten in Baiern Niederlagen machen, und seine Fabrikaten theils en gros, theils en detail verkaufen zu dürfen, bis zum Haupt-Vortrag über das Mautwesen ausgesetzt zu lassen362, dieser Gegenstand, der mit dem Mautwesen selbst nicht so genau zusammen hänge, für mehrere sich inzwischen um gleiche Vergünstigung gemeldete Fabrikanten von so bedeutender Wichtigkeit seye, daß das Ministerial Finanzdepartement dadurch sich gerechtfertiget glaube, wenn solches bei dem Aufschube, dem der Haupt-Vortrag über das Mautwesen unter den vorwaltenden Umständen unterliege, diesen Gegenstand schon dermal in seiner ganzen Vollständigkeit zur vorläufigen Prüfung und darnach zu fassenden Entschließung vorbringe.

Herr von Schenk entwickelte den Grundsatz, welchen die General Landesdirektion bei Revision der provisorischen Zoll- und Maut-Ordnung über diesen Gegenstand aufgestellet363, und in wie weit das Ministerial Finanzdepartement hiemit einverstanden, und solchen bei {2r} dem Haupt-Vortrage über das Mautwesen in Anwendung bringen werde.

Ferner welche Einwendungen dem Gesuche der sich um Niederlagen gemeldeten Fabrikanten von Seite der Zünften entgegen gestellet, und durch welche Gründe solche widerlegt werden können, welchen Nutzen das Kommerz in Baiern daraus ziehen, und welche Vortheile dem handlenden Publico damit gewähret werden könnten.

Auf diese Erörterungen, die Herr v. Schenk vollkommen erschöpfend vorlegte, gründete derselbe folgende Anträge, womit das Ministerial Finanzdepartement einverstanden seye, deren Ausführung aber eine grosse Vestigkeit von Seite der Regierung erfodere:

1.) Jeder Fabrikant und Veredler eines Produktes in den churfürstlichen herobern Staaten solle das Recht haben, mit diesem von ihm veredelten Produkt und überall im Lande, wie er kann und mag, zu handeln, für dasselbe überall Niederlagen zu errichten, und es in den Niederlagsorten entweder durch eigene dazu von ihm aufgestellte Kommissionairs, oder durch ihm beliebige, an diesem Ort ansässige Personen, im Kleinen wie im Großen verkaufen zu lassen.

{2v} 2.) Die Erlaubnis zu Hausiren, solle jedoch unter obiger Befugnis nicht begriffen seyn, sondern dieses solle ein- für allemal in Gemäsheit der bestehenden Verordnungen, und unter den darin vestgesetzten Strafen verboten bleiben.

3.) Eben so solle auch den inländischen Fabrikanten und Veredlern der Produkte bei Strafe der Confiscation untersagt werden, mit irgend einem ausländischen Fabrikate Handel zu treiben, dasselbe auf ihre Niederlagen zu senden, und es dort als ihr eignes Fabrikat absetzen zu lassen. Auch darf sonst keiner, wer nicht dazu berechtigt ist, den Absatz und Verkauf irgend eines ausländischen Erzeugnisses oder Fabrikates übernehmen.

4.) Ausländern, welche im Inlande die darin fabricirten und veredelten Produkte aufkaufen und ins Ausland verführen wollen, solle dieses zwar gestattet werden, jedoch sie gehalten seyn, solche verkaufte inländische Fabrikate, ohne damit einen weitern Zwischenhandel im Inlande zu treiben, geradezu ins Ausland zu verführen, indem dem Ausländer der Verkauf im Inlande durchaus, ausser bei ofnen Märkten, verboten bleibt.

Sämtliche Anträge wurden {3r} in dem Staatsrathe nach gehaltener Umfrage genehmiget364.

Das Waisen- und Findelkindhaus (»Kinderhaus«) und die »Gebährstube« werden organisatorisch und finanziell vom Hl.-Geist-Spital getrennt. Zur Einrichtung und Personalausstattung des provisorisch dem Magistrat der Stadt München übertragenen Hauses werden nähere Bestimmungen getroffen. In ihm sollen die Kinder betreut werden, bis sie in die Pflege von »Landleuten« gegeben werden können. Die »Gebährstube« wird mit dem Kinderhaus vereinigt.

3. Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner legte in einem schriftlichen Vortrage die Entstehung des heil. Geistspitals, der damit verbundenen Gebährstube, und eines Kinderhauses vor, und zeigte welche Resultate aus der neuerdings durch die General Landesdirektion vorgenommenen Untersuchung des Vermögens des Kinderhauses und der Gebährstube, der zu bewirkenden Trennung der beiden Stiftungen, und der besseren Einrichtung des Kinderhauses sich ergeben, dann welche Activa und Passiva diese Stiftungen besitzen, und welchen Anspruch das heil. Geistspital nach seiner ursprünglichen Vereinigung auf das Vermögen des Kinderhauses machen zu können glaube, welche Beschaffenheit es mit diesen Ansprüchen habe, und welche Vorschläge die magistratisch-Abgeordneten zu Abschneidung dieser Differenz gemacht haben.

Herr von Stichaner führte an, welche Meinung der Referent der General Landesdirektion über diesen Gegenstand habe, und wie das Ministerial Justizdepartement glaube:

a.) Daß in Ansehung der auf dem {3v} Geistspital haftenden ursprünglichen Obliegenheit,

b.) in Ansehung, daß in der Stiftung selbst nicht bestimmt ist, wieviel auf eine Branche verwendet werden müßte,

c.) in Ansehung, daß das Findelhaus die Kapitalien, welche wegen seiner aufgenommen worden sind, selbst verzinset und dafür haftet,

d.) in Ansehung, daß dasselbe auch das Kapital von 3.500 fl., und die 2.018 fl., welche auf die Kindsstube verwendet worden sind,

e.) in Ansehung endlich, daß das Findelhaus für die Zukunft sich mit dem offerirten geringen Beitrag begnügt, die ganze immaginäre Foderung des Geistspitals cessiren, dasselbe aber noch das Unertlische Kapital und das Breitenbachische Kapital abtretten, und übrigens die Kapitalien, welche auf dem Geistspital haften, eben so, wie das Findelhaus die Seinigen verzinset, selbst verzinsen solle, sohin der in der Rechnung von 1801 enthaltene Ausdruck, daß wegen eines sich noch bezeugenden Restes von 19.973 fl. bereits die Übereinkunft getrofen worden sey, gänzlich zu kassiren.

In Beziehung auf die gänzliche Trennung {4r} der beiden Stiftungen, welche in Rücksicht ihrer Einnahmen und Ausgaben wesentlich nothwendig seye, um alle Foderungen und Gegenfoderungen zu entfernen, äuserte Herr geheimer Referendär v. Stichaner die Gründe, welche der Magistrat, der hiegegen sehr nachdrücklich remonstrire, angebracht, welchen Vorschlag die General Landesdirektion dießfalls vorgeleget, und wie das Ministerial Justizdepartement der Meinung seye:

Daß die Verwaltung und Aufsicht auf das Kinderhaus provisorisch dem Magistrat delegirt, und sich vorbehalten werden solle, den Subdelegirten des Magistrats zu bestättigen, so wie auch die Rechnung jährlich bei churfürstlicher General Landesdirektion abzulegen, und dieser zur Pflicht zu machen sey, von Zeit zu Zeit genaue Nachsicht pflegen zu lassen.

Referent bemerkte ferner, daß die vorzüglichste Absicht Seiner Churfürstlichen Durchlaucht dem Kinderhause eine bessere Einrichtung zu geben, und die Kinder sobald sie der ersten zärtlichen Pflege nicht mehr bedürfen, den Landleuten zur weitern Erziehung anzuvertrauen, durch das thätigste Benehmen der General Landesdirektion und des städtischen Kommissärs Sutner vollkommen erreichet. Schon wirklich seyen 60 Kinder bei den Professionisten in der {4v} Stadt, und bei Bauern auf dem Lande, besonders in den Gerichtern Erding, Schwaben, und Dachau, eines gegen 45 fl. jährlichen Kostgeldes untergebracht, wovon sonst eines auf 101 fl. gekommen, und wodurch folglich erzwecket werde, daß noch einmal so viele Kinder, und besser als zuvor, versorget werden könnten; Die Regierung könne daher beruhigt seyn, daß dieser Zweig der Administration in die möglichst beßte Ordnung gebracht seye, und es bleibe nur allein für jene Kinder, welche der ersten zärtlichen Pflege noch nicht entwachsen sind, noch eine Anstalt nöthig, daß sie so lange gepfleget und unterhalten werden, bis sie an Leute auf dem Lande, deren sich immer mehrere melden, abgegeben werden können. In Rücksicht dieser kleinen übrig bleibenden Anstalt, hätten die Kommissarien und die churfürstliche General Landesdirektion folgende Vorschläge entworfen, womit auch das Ministerial Justizdepartement sich vereiniget habe:

1.) Die Kinder, welche noch nicht das zweite oder dritte Jahr erricht haben, sollen zum Theil in dem Kinderhause verpflegt, zum Theil in die Kost gegeben werden, bis die Erfah{5r}rung zeige, bei welcher Methode für die Erhaltung der Kinder besser gesorgt werde.

2.) Allen Kindern sollen gleich nach der Aufnahme die Kuhpocken eingeimpft werden.

3.) In dem Kinderhause solle die Regie vermindert und eingeschränkt, sofort nur soviel Personal belassen werden, als zur Verpflegung und Warte der wenigen Kinder in den ersten Lebensjahren nöthig seye.

4.) Es können daher Instruktor, Näherin, Köchin und Gärtner entbehret werden.

5.) Man müsse aber beibehalten: den Medikus mit einer Bestallung von 100 fl.

6.) Den Chirurgus mit einer jährlichen Gratifikation von 50 fl. für Nachsicht und Sektionen, übrigens habe selber die Deserviten zu berechnen.

7.) Den Hausmeister oder Pfleger, welcher für alle bisher genossene Emolumenten, eine Besoldung von 700 fl. erhalten solle.

8.) Jeder Kindsmagd, deren für dermal 8 bis 10 erfoderlich seyn dürften, weil einer über drei Kinder nicht anzuvertrauen wären, seyen 120 fl. für Kost und Lohn zu bezahlen.

{5v}9.) Für iedes Kind, welches auf das Land gegeben werden könne, solle die Kindsmagd 1 Max d’or Douceur, für 10 bis 12 Kinder eine Aussteuer von 50 fl., oder wenn sie nicht heirathet, die Verpflegung im Spital erhalten.

10.) Der Viehmagd sollen 110 fl. passiern.

11.) Der Hausmagd, welche in der Folge entbehrt werden kann, 110 fl.

12.) Dem Hausknecht 120 fl.

13.) Dem Ausgeher 120 fl. Dieser sey künftig abgehen zu lassen. Was die Kost, Verpflegung, und Wart der Kinder selbst betreffe, so hätten die Kommissarien auch ein Reglement darüber entworfen; weil aber dieses ganz von dem Urtheil der Medizinalräthe abhänge, so werde auch solches den Anordnungen derselben ganz zu überlassen seyn.

Nach dieser Einrichtung zeige sich also nicht nur kein ferneres Deficit, sondern vielmehr ein Überschuß von mehr als 2.000 fl., welcher nach Abzug der Baureparationen und zufälligen Ausgaben hinreiche um 40 Kinder mehr unterbringen zu können; und es bleibe nur noch übrig, der General Landesdirektion einzuprägen, daß sie der Verwaltung zur Pflicht machen solle, die Schulden, welche noch auf der Stiftung haften und über 30000 fl. betragen, nach und nach abzuführen, und das Institut von diesem Onero zu befreien, die Rechnung aber von dem gegenwärtigen Jahre anfangen, alljährlich mittels eines zweckmäsigen Extracts, so wie es mit {6r} der Armen-Instituts-Rechnung geschieht, drucken zu lassen. Zum Schluße dieses Gegenstandes habe er Referent nur noch zwei Punkte in Anregung zu bringen und dem Staatsrathe zur Erwäg- und Entscheidung vorzutragen, nämlich:

1.) die Einrichtung zu trefen, daß die Gebährstube auch von dem h. Geistspital getrennet, und mit dem Kinderhause vereiniget werde, indem dieses Haus nach der Versetzung der Kinder auf das Land mehr als überflüßigen Raum dafür biete, und einiger Beschwerlichkeiten ohngeachtet dem Publico und dem Institute diese Veränderung grossen Vortheil gewähren wird.

2.) Wegen der Buchdruckerei, die dem Kinderhause verliehen, und an die Buchdrucker um 40 fl. verpachtet worden, der General Landesdirektion aufgetragen werden möchte, daß sie den Pacht gänzlich aufheben, und ihre fernere Vorschläge einsenden solle, welche Disposition wegen der Buchdruckerei zu trefen seye.

Referent erinnerte noch, daß er auch den Wunsch nicht unterdrücken könne, daß mit sämtlichen Waisenhäusern nach vorgängiger Untersuchung eine ähnliche Einrichtung wie mit dem Kinderhause {6v} getrofen werden möchte.

Nach gehaltener Umfrage in dem Staatsrathe wurden sämtliche, auf das hiesige Kinderhaus Bezug habende Anträge des Ministerial Justizdepartements mit folgenden Zusätzen und Aenderungen genehmiget:

Bei dem 3. § wegen der bessern Einrichtung des Kinderhauses, solle ad 4. die Näherin beibehalten, ihr aber auch aufgetragen werden, die Wasche mit zu besorgen.

Ad 7.) bei dem Hausmeister oder Pfleger solle beigesetzt werden: für dermal.

Ad 8.) solle verordnet werden, daß eine Kindsmagd mehr nicht als zwei Kinder zur Besorgung anvertraut werden.

Die Trennung der Gebährstube von dem h. Geistspital, und deren Vereinigung mit dem Kinderhause wurden von dem Staatsrathe vorläufig genehmiget, und {7r} sollen über dessen Bewerkstelligung von der General Landesdirektion die nähern Vorschläge erfodert, und dieselbe aufmerksam gemacht werden, daß ein geschickter Chirurg, der auch zugleich ein geprüfter Accoucher ist, in das Kinderhaus einquartirt, und demselben seiner Zeit, statt des Hausmeisters, die ganze Aufsicht über das Haus anvertraut werden kann.

Der Antrag des Referenten wegen der Buchdruckerei des Findelhauses wurde genehmigt, und wegen sämtlichen Waisenhäusern solle der General Landesdirektion aufgetragen werden, solche zu untersuchen und ihre nähere Vorschläge abzugeben, wie diese auf die nämliche Art wie das hiesige Kinderhaus eingerichtet werden können365.

Wiederbesetzung der Substitutenstelle bei dem Hofoberrichteramt mit dem Akzessisten Zehetmayer.

4. Wegen Wiederbesetzung der erledigten Hofoberrichteramts Substitutenstelle führte Herr geheimer Justiz-Referendär {7v} von Stichaner alle Supplicanten, die um diese Bedienstung aufgetretten, und die für sie sprechende Gründe an, und äuserte, wie der Hofoberrichter von Hofstätten sein Gutachten und der Hofrathskanzler366 seine Stimme dem Franz Xav. Klem, einem ausgezeichnet geschickten Subjecte, gegeben, das Hofraths-Direktorium, welches ausser den beiden Competenten Zehetmayer und Klem keine näher kenne, beide für fähig halte, und glaube, daß einer derselben zu Wiederbesetzung der erledigten Substitutenstelle vorzüglich gewürdiget werden solle.

Das Ministerial Justizdepartement habe sich vorzüglich für die Auswahl des Accessisten Zehetmayer entschieden, weil derselbe länger practicirt und zu solcher Stelle, wozu viele Ausübungen erfodert werden, mehr geeignet zu seyn scheine.

Nach Antrag des Ministerial Justizdepartements genehmiget.

Der Verkauf der Schwaige Lustenau durch das Konvikt des Hl. Hieronymus (Dillingen) an Graf von Thurn und Taxis wird genehmigt. Genauer zu prüfen ist die Vereinbarkeit mit den gegen die Veräußerung staatlicher Hoheitsrechte gerichteten Bestimmungen des Ansbacher (Rohrbacher) Hausvertrages. Insofern behält sich der Staatsrat einen Antrag hinsichtlich der mit dem Gut verbundenen Landstandschaft und der Jurisdiktionsgewalt vor.

5. Nach Auseinandersetzung der Verhältnisse, welche bei der in dem Jahre 1728 {8r} mit der Landsäßerei begabten, vorhin gemeinen Schwaig Lustenau367 im Landgerichte Höchstädt, obwalten, und dermal wo solche von dem Seminarium ad S. Hieronimum zu Dillingen an den Landesdirektions-Präsidenten in Neuburg Grafen von Thurn und Taxis unter Vorbehalt churfürstlicher Genehmigung verkaufet worden, rücksichtlich der Kaufs-Ratifikation, Rücknehmung der Landsäßerei-Concession und Jurisdiktion nach dem neuesten Hausvertrag368, wieder eintretten, äuserte Herr geheimer Rath von Krenner in einem schriftlichen Vortrage, daß ohngeachtet die Frage wegen Einziehung der Landstandschaft sehr problemisch seye, er sich dennoch aus mehreren Gründen, die er anführte, bestimme müsse, in affirmativa zu gehen und anzutragen, unter Rücksendung sämtlicher Acten die neuburgische Landesdirektion in principio ratione juris Landsassiatus darnach zu verbescheiden; wegen Einziehung der Jurisdiktion aber die Sache mittels Abfoderung eines standhaften neuburgischen Regierungsberichts die Sache noch vorerst besser instruiren zu lassen, inzwischen dem Grafen von Tassis, wie es bei dem v. Sutor {8v} geschehen, ebenfalls Salvo jure Vindicandorum zu Prästirung der Landsassen-Pflicht wegen Lichtenau zu admittiren, und in Betreff des arrestirten Kaufschillings auf das Anschreiben der Regierung Dillingen durch die neuburgische Landesdirektion die Verfügung treffen zu lassen, daß der Verkäufer dermal dem dillingischen Seminario an den noch restirenden Kaufschillingsgeldern einsweil weitere 4.500 fl. ausfolge damit das Convict das zum Theil als Surrogat für Lustenau schon beigekaufte Gut gänzlich bezahlen könne, wohingegen der übrige Theil des Kaufschillings, den Graf von Tassis mit reichsüblichen Interessen selbst verzinset, bis auf weitere churfürstliche Verordnung annoch zuruck behalten werden solle.

Auf diesen Antrag des Referenten wurde von dem Staatsrathe nach gehaltener Umfrage beschloßen, den Verkauf der Schwaig Lustenau an den Grafen von Tassis salvo jure Vindicandorum zwar zu ratificiren und demselben zu erlauben, die weitere 4.500 fl. an das {9r} Seminarium zu Dillingen zu bezahlen, den Gegenstand der Landsassenschaft aber noch auf nähere Instruction ausgesetzt zu belassen, und wegen Einziehung der Jurisdiction den Bericht der Regierung Neuburg noch zu erholen, auch wegen dem weiteren Kaufschilling auf die angetragene Art verfahren zu lassen.

Gegen den Antrag Zentners, der darin dem Vorschlag des Vizepräsidenten der neuburgischen Landesdirektion Friedrich Graf von Thürheim folgt, beschließt der Staatsrat, den gegen Landesdirektionsrat Franz Sales Schilcher vorgebrachten Vorwurf der Bestechlichkeit von der zuständigen Justizstelle weiter untersuchen zu lassen. Der Beschluß wird vom Kurfürsten nicht bestätigt.

6. Über die Untersuchung der dem Landesdirektionsrath Schilcher angeschuldeten Bestechlichkeit, erstattete Herr geheimer Rath von Zentner schriftlichen Vortrag, und legte darin dem Staatsrathe vor, wie diese Untersuchung auf Anzeige des Forstmeisters Grafen von Frohberg veranlaßet, und auf welche Art solche nach einem höchsten Auftrage, von dem Vice Präsidenten der neuburgischen Landesdirektion Grafen von Thürheim eingeleitet und beendiget worden.

Herr von Zentner las den Bericht mit den nöthigen Beilagen ab, welchen Graf von {9v} Thürheim in dieser Sache erstattet, und worin die ganze Verhältnis so wie das Resultat auseinander gesetzet ist, und äuserte nach Zergliederung der Frage: was nach Lage dieser Sache zu erkennen seyen mögte? aus mehreren umständlich entwickelten Gründen, wie es räthlich seyn möchte, diese Untersuchung nicht weiter zu verfolgen, sondern nach dem Antrage des Grafen von Thürheim durch das Präsidium allen Theilnehmern nach dem Grade ihrer Schuld eine nachdrückliche Warnung und scharfe Ahndung ertheilen zu lassen, mit welcher Meinung auch das Ministerial Departement der auswärtigen Geschäften verstanden seye.

Der Staatsrath stimmte diesem Antrage des Referenten nicht bei, sondern glaubte, daß nach den erhobenen Thatsachen und abgelesenen Produkten, die weitere Untersuchung dieser Bestechlichkeits-Anzeige, der geeigneten Justizstelle zu übertragen, und derselben die Erkenntnis zu überlassen seye; doch wurde von demselben beschloßen, {10r} von der höchsten Entscheidung Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu erwarten, was Höchstdieselbe in dieser Sache verfüget wissen wollten.

Kurfürstliche Entschließung dazu (31. Oktober 1802):

{10r} […] *in Rucksicht auf die Untersuchung des Landes Directions Raths Schilcher [hat es] bei dem Gutachten des Vice Präsidentens Grafen von Thürheim sein Verbleiben.* [Schreiberhand: Montgelas]

Vorlage der Anträge und Entschließungen beim Kurfürsten und Genehmigung mit Änderung zu TOP 6.

Anmerkungen

362
Vgl. Nr. 68 (Staatsrat vom 13. Oktober 1802), TOP 4.
363
»Provisorische Zoll- und Mautordnung« für die altbayerischen Länder vom 7. Dezember 1799. Drucke: MIntBl. 1799, Sp. 819 – 846; MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. IV.15, S. 201 – 212; Auszug bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 126, S. 626 – 632.
364
Die Anträge wurden nahezu wortgleich, ergänzt um eine Präambel und weitere Ausführungen in Pkt. 2, am 15. November 1802 als Verordnung veröffentlicht: VO betr. die »Freyheit des Handels mit im Innlande veredelt werdenden Gegenständen« (RegBl. 1802, Sp. 809 – 811).
365
Zu diesem Tagesordnungspunkt vgl. die Regesten bei Stahleder, Chronik Bd. 3, S. 507 (31. Oktober 1802), S. 514 (6. April 1803), S. 525 (31. Oktober 1803).
366
Hofratskanzler war 1802 Carl Albrecht Edler von Vacchiery (1746 – 1807). HStK 1802, S. 82.
367
Das Schwaiggut Lustenau wurde 1737 von den Dillinger Jesuiten für das Konvikt des Hl. Hieronymus erworben. Nach dem Kauf durch Maximilian Reichsgraf von Thurn und Taxis 1802 kam es noch im selben Jahr an 72 Gemeindemitglieder der Gemeinde Gremheim, die das Gut zertrümmerten. Vgl. Seitz, Land- und Stadtkreis Dillingen, Nr. 242, S. 125 – 127.
368
Der Ansbacher (Rohrbacher) Hausvertrag vom 12. Oktober 1796 (MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. II.85, S. 141 – 150) zielte u.a. darauf, »die Verschleuderung von Staatsgut und staatlichen Hoheitsrechten […] rückgängig zu machen« (Weis, Montgelas Bd. 1, S. 290 f.). Zu diesem Zweck verpflichteten sich die vertragschließenden Herzöge Max von Zweibrücken und Wilhelm von Birkenfeld, von der Errichtung neuer »Frey- und Edelsitze« sowie der Erhebung von Besitzungen zu einer Hofmark abzusehen »und also die Zahl der besondern Jurisdiktions-Ausübungen gänzlich zu schliessen« (Art. 30 c, S. 148).