BayHStA Staatsrat 382 23 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 29. Januar 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

1. Montgelas teilt die Entschließungen des Kurfürsten auf die Anträge des Staatsrats vom 20. Januar 1802 mit.

Rechtsstreit um das Zubehör des Erbschenkenamts

Fortsetzung des Vortrags über den zwischen dem Freiherrn v. Murach und dem Hofrat laufenden Prozeß um die »Pertinentien« des kurbayerischen Erbschenkenamtes. Der Staatsrat beschließt, von einem Vergleich abzusehen und den Prozeß fortzusetzen21.

2. Als Fortsetzung22 des in dem letzten Staatsrathe wegen Reclamirung der baierischen Land-Erbschenkenamts-Pertinentien oder des Baron v. Murachischen {2v} Lehenhofs abgelesenen Vortrags, worin die Geschichte dieses Erbschenkamts und des wegen dessen Pertinentien bei den Gerichtsstellen geführten Rechtsstreites umständlich auseinander gesetzet worden, fuhr Herr geheimer Rath von Krenner fort, nach diesem vorausgesetztem Facto und Historia Processus sich mit der Frage zu beschäftigen: ob nicht dieser merkwürdige Prozeß allbereits für praescribirt erkennt werden dürfte? – und trug zu derselben Erläuterung seine Meinung mit auszugsweiser Anführung aller vorgefundenen Urkunden ausführlich vor, wovon die Resultate folgende sind:

a.) daß aus den vorgelegten Gründen, welche gegen die Praescription dieses Prozeßes sprechen, der churfürstliche Hofrath keinen Anstand nehmen sollte, diesem eigentlich bei ihm hangenden v. Murachischen Lehen-Prozeß seinen ferneren Lauf zu gestatten, die etwa dagegen einkommende Exzeptionem litis praescripta aber als unanwendbar zu verwerfen, und dahero den Prozeß wieder in den rechtlichen Gang zu bringen;

b.) die ruckständige Cameral Erinnerung durch die General Landesdirektion abgeben, hiebei aber auf den von dem Herrn Referenten angeführten Umstand, daß Frhr. v. Murach den im Frage stehenden Lehenhof in decursum processus {3r} als sein Eigenthum betrachtet habe, sein Augenmerk richten zu lassen. Referent erinnerte noch, daß er auf Ansprechung der auch Kloster Reichenbachischen oder Flegnitzer als Schenkenamts-Pertinenzien zu bestehen, nicht einrathen könnte, denn sie seyen aktenmäsig schon am Ende des 14. Jahrhunderts von dem dortigen Prälaten Engelhard gebornen von Murach seiner Familie zu Lehen gegeben worden. Nur durch bloße Wortspiele und Drohungen habe solche der Amberger Fiskal ebenfalls in den gegenwärtigen Prozeß herein gezogen. Auf sie lauteten die ersten 9 Articuli probatoriales, über deren Relevanz nur in Appellatorio, nachdem sie bereits in prima mit gutem Grunde verworfen worden, gesprochen werden solle, und wobei der churfürstliche Hofrath um so wahrscheinlicher das Gleiche zu Recht erkennen werde, als man aus der Hofraths-Relation von 1679 allschon ersehe, daß der churfürstliche Hofrath in specie diese und andere Lehen intuitu quorum Domini de Murach alium dominum directum recognoscunt, für keine Amtspertinenzien gehalten habe.

c.) Wenn man der Erneuerung des Prozeßes einen Vergleich vorziehe, folgenden Vergleichs-Entwurf dem Ministerial Finanzdepartement zur Prüfung und allenfallsigen Verhandlung mit dem Baron v. Murach, der {3v} seine Lehen nur allodialisiren zu wollen scheine, um solche veräußern zu können, und mit welchem man auch wegen seinen leuchtenbergischen Beutel-Lehen tractiren kann, vorzulegen:

1.) Frhr. v. Murach stellt seine sämtlichen Schenkenamts-Pertinenzien dem Oberst-Lehenhof zurück, und tritt seinen ganzen Lehenhof ab, was davon abgetretten werden kann; 2.) Die fructus interea percepti et percipiendi (die er bei dem Verlust des Prozeßes bereits entschiedener Massen alle ersetzen muß) werden ihm nachgelassen, welches so leichter geschehen kann, als der churfürstliche Fiskus diese ohnehin nicht, sondern die tit. Grafen v. Preysing solche bezöge, letztere sich aber gleichwol selbst zuschreiben müssen, daß sie seit 1696 keine Sylbe mehr von ihren Reclamationen um die Schenkenamts-Pertinenzien von sich haben hören lassen. 3.) Man accordirt dem Frhrn v. Murach die Allodifikation seiner leuchtenbergischen Beutellehen, und 4.) per modum transactionis auch des Ritter-Lehens Nieder-Murach sensu stricto um ganz geringen Preis, und ex hoc argumento aequitatis, weil dieses ursprüngliche Allodial Familiengut die von Murach selbst freiwillig erst {4r} anno 1487 der Obern- oder Churpfalz zu Lehen aufgetragen haben, welches, wenn es erwiesen werden kann, allerdings seine Consideration verdient. 5.) Dagegen bleibt das auch ritterlehenbare Dorf Allfalter, welches, wie zu vermuthen, ohnehin nicht in den Lehensauftrag mitbegriffen war, ein churfürstliches Lehen, und wird die auch hierauf erbetene Allodifikation abgeschlagen. 6.) Trägt man aber allenfalls an der Allodifikation Bedenken, so könnte man dem Gfn. v. Murach dagegen consensum ad alienandum für seine beiden Lehengüter Nieder-Murach und Allfalter per modum transactionis zu seinem Beßten zugehen lassen.

Durch die Mehrheit der Ministerial Stimmen wurde beschlossen: mit Umgehung des vorgetragenen Vergleichs-Entwurfes, den Prozeß gegen den Baron von Murach fortführen zu lassen, und der General Landesdirektion sämtliche Akten und die Referaten des Herrn geheimen Rath von Krenner in Abschriften loco instructionis mittels Reskripts zu zuschließen und ihr aufzutragen, nach den hierin enthaltenen Grund{4v}sätzen, und mit Berufung auf die in der Wollnzachischen Sache von der Allodial Hofkommission abgegebene Erklärung die ruckständige cameral Erinnerung an den churfürstlichen Hofrath abzugeben. Zugleich sollen die judicial Acten von den übrigen abgesöndert, und mit dem Befehl an churfürstlichen Hofrath gesendet werden: derselbe habe in dieser schon so lange andauernden Sache auf Ansinnen der General Landesdirektion zu erkennen, was Rechtens ist.

Kontrolle von Steuereinnahmen der Stadt Heidelberg

Der Staatsrat beschließt, der Stadt Heidelberg den Anteil an den Verbrauchssteuern, den sie durch spezielle landesfürstliche Verfügungen erhält, nicht zu belassen. Die vermutlich rechtmäßig bezogenen Verbrauchssteuern sollen der Stadt vorerst belassen, jedoch einer genauen Prüfung durch das Generallandeskommissariat unterzogen werden.

3. Über die Ansprüche der Stadt Heidelberg auf den bisher bezogenen Theil der dortigen Consumtions-Auflagen, welche nach ihrer Behauptung in dem Antheil der ihr durch landesherrliche Concessionen aus Gnade bewilliget worden, und der ihr jure separato von undenklichen Jahren her zukomme bestehen, und aus dem Wein- Bier- und Brandewein-Umgeld, der Fleisch-, Frucht-, Salz- und Malz-Accise, Mehl- und Butterwag, auch Frohngelder, Pforten- oder Wein-Einfuhr-Zoll, dann den Zöllen aus den Unterkäufen, Büchsen oder was Fremde verkaufen, wie auch von eingeführten Bauma{5r}terialien jährlich einfließen, erstattete Herr geheimer Justiz-Referendär von Stengel schriftlichen Vortrag, worin er die Natur dieser zwei verschiedenen Zweige der zur Heidelberger Stadt-Cammer eingefloßenen Auflagen schilderte und das von dem rheinpfälzischen Landeskommissariat deswegen abgegebene berichtliche Gutachten anführte, dann nach Auseinandersetzung aller hiebei eintrettenden Verhältnissen folgende Anträge machte:

1.) Rücksichtlich des Antheils, welchen die Stadt Heidelberg seit 1748 durch landesherrliche Conzessions-Erneuerungen überlassen waren, es bei der von dem Ministerial Finanzdepartement schon ausgeschriebenen abschlägigen Verbescheidung dieses Gesuches um so mehr zu belassen, als alle Gründe dagegen sprechen.

2.) Der Stadt Heidelberg den Bezug des Antheils jener Auflagen, worauf sie ein jus quaesitum zu haben glaube, und welches auch allerdings gegründet zu seyn scheinet, nicht unbedingt zu entziehen, sondern

3.) dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat aufzutragen, die nähere Untersuchung durch kommissarische Verhandlungen mit dem Heidelberger Stadtrath bewirken zu lassen an welchen Objecten der angezeigten Consumtionsgefällen, {5v} und in welcher Eigenschaft sie diesen Besitz behaupten könne, sohin hieraus die Resultate zu ziehen: wie hoch der jährliche Betrag davon zu berechnen, und in welchem Maase den von Seiten der Stadt noch zur Zeit auf den Besitzstand fundirten Ansprüchen, sowohl seit der im Jahre 1799 erloschenen Concession bis itzt, als auch für die Folge zu genügen seye; bis dahin, daß das Recht solcher Ansprüche selbst durch Erforschung des ursprünglichen Titels, oder dessen Mangel näher beurtheilt werden könne.

4.) Zu letzer Absicht wäre zugleich durch das General Landeskommissariat in den älteren Rechnungen und Archival-Nachrichten auf den Ursprung dieses Besitzes tiefer zu forschen, und über dessen Erfolg näher gutachtlicher Bericht zu erstatten.

Nach hierüber gehaltener Umfrage wurde in dem Staatsrathe beschlossen: die Stadt Heidelberg mit ihrem Gesuche um Belassung des Antheils, den sie aus Gnade durch iedesmalige landesfürstliche Bewilligung genossen, wiederholt abzuweisen; wegen dem weiteren Antheile der Consumtions-Auf{6r}lagen, worauf sie ein Recht zu haben vorgiebt, sie iedoch in Processorio zu belassen bis durch eine von dem General Landeskommissariat sogleich vorzunehmende Untersuchung hergestellt seyn wird, worauf die Stadt ihre Ansprüche begründe, wieviel diese Consumtions-Auflagen jährlich ertragen, wie hoch das städtische Vermögen, dann die von der Stadt jährlich zu bestreitende Ausgaben sich belaufen, und ob die ordentlichen Einkünfte, wenn das Vermögen gehörig und ordentlich verwaltet werde, nicht ohne diese Local Consumtions-Auflagen hiezu hinreichen. Auf welch letzteren Falle diese ganz aufhören, die allgemeine Consumtions Auflagen aber ad Aerarium verrechnet werden sollen.

Verkauf der Herrschaft Fischbach durch den Grafen v. Thürheim und Prüfung ihrer Lehensqualität

Vortrag Krenners über den Verkauf der Herrschaft Fischbach durch Friedrich Graf v. Thürheim an Wilhelm Karl Freiherr v. Eckart. Gegen den Antrag Thürheims, der nicht im staatlichen Interesse liegt, behält die Herrschaft unter besonderen Bedingungen ihre rechtliche Einstufung als Mannritterlehen.

4. In einem schriftlichen Vortrage über die Veräuserung und Abänderung der Manns-Ritterlehen-Qualitaet bei der oberpfälzischen Herrschaft Fischbach, zeigte Herr geheimer Rath von Krenner, welche beträchtliche Lehen und Allodialgüter die Famille der Grafen v. Thürheim {6v} in der obern Pfalz beseßen, und aus welchen Grunde dieselbe bei Nachsuchung des Verkauf-Consenses der Lehen und Fideicommiss Corpora, Fischbach, Stockenfels, und den Jugendberg an den General des fränkischen Kreises Frhr. v. Eckart, auch um die Veränderung der Lehens-Qualitaet gebetten, und wie sie hingegen sich erbotten haben die Allodial Hofmarkt Hof dem Churhause in feudum zu offeriren.

Referent führte hierauf an, welchen Gang dieses Gesuch bei der höchsten Stelle genommen, und welche Bedenken gegen die erfolgte Bewilligung des gestellten Gesuches der Grafen v. Thürheim eintretten, da allen Ansichten nach die vorliegende Lehenqualitaets-Veränderung bei Fischbach und Stockenfels dem höchsten Interesse nicht zuträglich seye, im Gegentheile die Lehens-Curie in Zukunft compromittiren könne.

Wollten iedoch Seine Churfürstliche Durchlaucht dem neuburgischen vice Präsidenten Grafen von Thürheim eine Gnade erweisen, so könne er Referent nur auf folgende Bestimmungen anrathen:

1.) Der Alienations Consens wegen dem ohnehin schon bestehenden feudo promiscuo des Jugendbergs wäre unbedenklich, doch mit der Expression: salvis cuiuscunque juribus zu ertheilen,

2.) auch für die Herrschaft Fischbach könnte der Alienations-Consens, in {7r} quantum valere potest, doch nur dermassen ertheilt werden, daß das Lehen noch ferners Mannsritterlehen bleibe; doch wäre die Tochter des von Eckart, oder wenn diese stürbe, und von ihm noch eine zweite, oder andere männliche Erben erzeugt würde, auch diese per dispensationem ad successionem zu zulassen, sobald aber ein- oder andere Tochter eheliche männliche Succession erlangen würde, solle das weibliche Geschlecht für allzeit wieder ausgeloschen [!] werden.

3.) Der vorhabende Lehens-Auftrag der Hofmarkt Hof, wäre allzeit zu decliniren, weil er keinen wahren Werth habe. Ja, wäre Hof kein Fideicommis, sondern eine solide Acquisition, und die Beibehaltung von Fischbach wegen der vielen gräflich Thürheimischen Interessenten minder bedenklich, so hätte eher das Petitum des von Eckart, wegen ihm zu gönnenden Dispositionsrechte für einen jungen von Thürheim, daß solcher denn wieder beide Güter als Mannslehen besitzen sollte, begünstigt werden können.

4.) Selbst die Belehnung mit Fischbach in der Qualität eines Mannslehens an den Frhr. v. Eckart dürfte nicht anders geschehen, als daß man denselben von der Unzulänglichkeit der gräflich Thürheimischen agnatischen Renunciationen unterrichte, und ihm voraus zu erkennen gäbe, daß er bemelten Umständen nach auf deren Anmelden diese Lehen wieder abtretten müsse, und man {7v} allen denjenigen, welche dermal nicht consentirt haben, wegen dem doppelten Verbande des Lehens und Fideicommisses, auf Anmelden die Belehnung nicht versagen könne.

5.) Eine bisher ungewöhnliche neue Lehensbeschwerde, puncto relevii seye unbillig unter den vorausgesetzten Umständen blos dem Baron v. Eckart aufzuladen: denn wenn heut die Grafen v. Thürheim wieder in das Lehen stehen, müßte es bei diesen bei dem alten Fuße belassen werden; wohl aber kann man ihm bei der Investitur auftragen und ihn specialiter verbindlich machen, sich allem dem zu untergeben, was wegen der Ritterlehen-Pferde von Landes- und Lehensherrschafts wegen überhaupt annoch bestimmt werden würde.

6.) Da nach dem gestellten Antrage keine mutatio qualitatis feudi vorgehen soll, könne der Baron v. Eckart nur zu Erlegung der einfachen Taxe pro consensu alienationis per 1.639 fl. angehalten werden.

Was per dispensatione seiner respee: beiden Töchter üblich seye, würde die Lehens-Curie wissen.

7.) Dem Grafen und der Frau Gräfin von Thürheim liegen ob, ihre erhaltene lehenherrliche Consensbriefe, um theils die Illaten auf Fischbach versichern, theils 15.000 fl. hierauf aufnehmen zu dürfen, zur Lehens-Curie zurück zustellen {8r} und wie überhaupt das Lehen mittels des neuen Kaufschillings schuldenfrei gemacht worden sey, auszuweisen.

8.) Die Lehensbeschreibung der Herrschaft Fischbach könne allerdings bis zur Immission des neuen Vasallen verschoben werden.

9.) Sollten aber Seine Churfürstliche Durchlaucht bei der höchsten Entschließung vom 14. Octobr. 1799, somit auf der Lehens-Qualitäts-Veränderung bei Fischbach zu beharren anneigen, so dürfte bei diesem sonderbaren Casu – wo es mehr noch ein Vortheil für die Curie wäre, wenn die gräflich Thürheimische Agnaten oder Descendenten das Lehen wieder vindiciren, somit in seine alte Lehensqualität zurück führen würden – wenigstens dem Baron von Eckart aufzugeben seyn: ein anders mehr standhaftes Surrogat, als die beabsichtete Einwerfung der Hofmarkt Hof in das Lehen ist, zur Compensirung des nachgesuchten Mutations-Consenses auszumitteln.

Diesen Anträgen des Referenten stimmte der Staatsrath vollkommen bei, und beschloß, solche Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur höchsten Entscheidung vorzulegen23.

Kurfürstliche Entschließung dazu (29. Januar 1802):

Der Kurfürst genehmigt {13r} »die Anträge von 1 bis 8 inclusive, von dem 9. solle Umgange genohmen werden«.

Aus Anlaß des Vergleichs mit Joseph Lebersorg, einem aus dem Dienst entlassenen Kameralbeamten im Oberamt Heidelberg, wird festgelegt, daß die diesbezüglichen Bestimmungen zur Grundlage einer allgemeinen Norm genommmen werden.

5. Zu Beantwortung der von dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat {8v} bei Gelegenheit des Lebersorgischen Recesses zur Entscheidung vorgelegten Anfrags-Punkte, machte Herr geheimer Justiz-Referendär von Stengel in einem schriftlichen Gutachten folgende Anträge:

1.) Demselben zu erwiedern, daß solches sich die Anfrage: ob die Weisung des höchsten Reskriptes vom 21. October vorigen Jahres24 nur für den speciellen Fall des Lebersorgs oder eine allgemeine gesetzliche Vorschrift seye? schon aus der Instruction der hiesigen General Landesdirektion, worauf es provisorisch angewiesen, noch bestimmter aber durch das Normal Rescript vom 8. Februar vorigen Jahres dahin hätte beantworten können, daß diese Appellation an die oberste Justizstelle in iedem dem Lebersorgischen ähnlichen Falle eintrette,

2.) dem rheinpfälzischen Landeskommissariat zu eröfnen, daß

a.) da von einem concursu creditorum gegen den Lebersorg bisher nichts bekannt gewesen, über die durch eine competente Richterstelle erkannte Liquiditaet bei dem Concurs Forum des Oberamts Heidelberg nicht neuerdings zu rechten seye;

b.) dieser Punkt des Erkenntnißes super liquiditate, des Concurses ungehindert, in appellatorio bei dem Appellationsgericht fort behandelt werden könne,

{9r} c.) hiebei jedoch die Vorsicht des preusischen Gesetzbuches anzuwenden, und die Verhandlungen in appellatorio nicht dem Lebersorg allein überlassen werden, sondern mit Zuziehung des Contradictors Massae namens aller Gläubiger geschehen solle.

d.) Dahin gehörten auch die Reconventions Posten, in so weit solche schon unter den Erkenntnißen erster Instanz begrifen, und ein Gegenstand der Appellation seyen.

e.) Neue Reconventions Posten gehörten nach gewießen Distinctionen ad Separatum.

f.) Das bei dem General Landeskommissariat oder bei der Appellation noch erfolgende Erkenntnis über die Liquiditaet des Recessors, seye als res judicata den Richter des fori concursus vorzulegen um super praeferentia zu erkennen.

g.) Seye das was der Namens des Fisci angewiesene Sachwalter auch über die Richtigkeit des Receßes gehandelt habe, als nichtig zu erklären und könne nicht praejudiciren, vielmehr solle hiebei ausdrücklich auf die Bestimmung des Rescripts vom 8. Februar vorigen Jahres und der in Subsidium angewiesenen Instruction der General Landesdirektion alhier gehalten werden.

h.) Solle alles was hiemit für die {9v} Rechtssache des Lebersorgs erkläret wird, für alle ähnliche Fälle als Norm bleiben, und deswegen

i.) dem General Landeskommissariat die Absicht einer solchen allgemeinen Norme eröfnet, und ihr aufgegeben werden, nach einem geeigneten Benehmen mit dem Oberappellations- und Hofgerichte berichtlich sich zu äusern, was sie hiebei etwa Erhebliches noch zu erinnern habe.

Sämtliche diese Anträge wurden genehmiget.

Vortrag Stengels über die sogenannten Beschüdrechte25 im Herzogtum Berg, die wegen ihrer schädlichen Wirkungen aufgehoben werden sollen. Die Aufhebung kann allerdings nur unter Zuziehung der bergischen Landstände erfolgen. Bis dahin bleibt es bei gewissen Modifikationen der Rechtsübung.

6. Nach Aufführung der in dem Herzogthume Berg bestehenden Verordnung und Observanz wegen dem Retract bei dem Verkaufe der Familien Stammgüter, oder des sogenannten Beschüdrechtes, erstattete der geheime Justiz-Referendär Frhr. von Stengel aus Veranlaß der von dem bergischen geheimen Rath wegen den Kirchenrüfen in Retractssachen, über die hiebei eintrettende Verhältniße ausführlich-schriftlichen Vortrag, worin er zu richtiger Leitung dieses durch uraltes Herkommen eingewurzelten allgemeinen Landesprivileges, welches ohne Beistimmung der bergischen Landstände nicht aufgehoben werden könne, so sehr auch die Grundsätze der reinen Staatspolizei hierfür sprechen, folgende Anträge zur Prüfung und Genehmigung {10r} des Staatsrathes vorlegte:

1.) Ohngeachtet das Interesse, welches die Landstände bei diesem Retractrechte für ihre Familienbesitzungen sicher trügen, könnte der Versuch gemacht werden und den Ständen bei dem nächsten Landtage zu erkennen gegeben werden, wie Seine Churfürstliche Durchlaucht wünschten, dem schädlichen Einfluß dieser Beschüdrechte auf die Freiheit der Eigenthumsrechte, auf Industrie, und auf die Sicherheit der Güterbesitzer, wie auch der Beschwerlichkeit der deßfalls zu beobachtenden gesetzlichen Vorschriften, und den vielfältigen Anlässen zu verderblichen Rechtsstreiten mit einem Male durch gänzliche Aufhebung dieser Beschüdrechte abzuhelfen; Höchstdieselben erwärtigten jedoch in Hinsicht auf das alte Herkommen dieses Rechtes, und auf das allgemeine dabei befangene Interesse vordersamst den Beirath der bergischen Stände, inzwischen aber

2.) bis zu dem Zeitpunkte, wo die Landesstände in ihrem Gutachten vernommen werden können, sich blos auf Erläuterung der bestehenden Gesetze nach gewißen zu bestimmenden Grundsätzen zu beschränken, und

3.) zu bestimmen, daß wenn bei den ersten Verkäufen eines Familienguts die in der Rechts-Ordnung {10v} Cap. 98 vorgeschriebenen Kirchenrüfe unterlassen worden, so bleibe dem Gutsbesitzer unbenommen in der Folge durch Besorgung der gesetzlichen Kirchenrüfe mit Benennung des ersten Verkäufers und genauen Bezeichnung des Guts, die Retracts Berechtigten zur Erklärung aufzufodern.

4.) Wenn also bei den auf jenen ersten Verkauf folgenden weiteren Verkäufen die Kirchenrüfe geschehen sind, so können solche allerdings auch gegen die Retracts-Berechtigten Anverwandten des ersten Verkäufers mit den gesetzlichen Wirkungen geltend gemacht werden.

5.) Jedoch solle nunmehr, wo die öfentlichen Blätter ein so leichtes Mittel zu einer mehr verbreiteten Verkündung liefern, die Kirchenrüfe, nach obigen Maasregeln in denselben bekannt gemacht werden.

Diese Anträge wurden genehmiget26.

Die Brandgeschädigten in Aindling (Landgericht Aichach) dürfen keine Kollekte in der Rheinpfalz abhalten; vielmehr müssen sie sich an die entsprechenden Verordnungen halten. In der Rheinpfalz soll eine Brandversicherungs-Anstalt eingerichtet werden.

7. Herr geheimer Justiz-Referendär von Stengel äuserte auf einen Bericht des rheinpfälzischen General Landeskommissariats wegen der Collecte für die Brandbeschädigten des Markts Aindling Landgerichts Aichach, daß dieser Gegenstand aus einem zweifachen Gesichtspunkte beurtheilet werden müßte:

{11r} 1.) Ob den Brandbeschädigten des Markts Aindling erlaubt werden könne, eine Collecte anzustellen,

2.) wenn diese im Lande Baiern nicht statt finde, ob dennoch solche Collecte für die Rheinpfalz eintrette?

Rücksichtlich der ersten Frage wäre nach eingegangener Erkundigung diese Collecte noch vor Errichtung der Feuer-Assecuranz27 ertheilet worden und seye dermal bereits erloschen; Ihme Referent bleibe daher nur die Beantwortung der zweiten Frage übrig, weswegen er aus mehreren Gründen, die er anführte, antrage:

1.) Daß den collectiren der Aindlinger in der Rheinpfalz nicht statt zu geben, vielmehr

2.) denselben zu verweisen seyn würde, daß sie das nur in Hinsicht auf die Ortschaften der heroberen Lande, und nach deßfallsiger specieller Vorschrift abgefaßte Decret der General Landesdirektion in solcher Art auf eine Sammlung in den Churlanden überhaupt auszudehnen gewagt haben.

3.) Wäre dem General Landeskommissariat aufzugeben, nach Zeit und Umständen zu berichten, wie eine gleiche Brandversicherungs-Anstalt in der Rheinpfalz in der Folge einzuführen sein werde.

Nach Antrag.

Kurfürstliche Entschließung dazu (29. Januar 1802):

Der Kurfürst verordnet, {13r} »daß dem rheinpfälzischen Landes Commissariat die Feuer Assecuranz-Ordnungen für die hiesige Lande und das Herzogthum Berg28 mitgetheilet und ihm aufgetragen werde, sein Gutachten wegen Einführung einer ähnlichen Anstalt in der Rheinpfalz sub termino 4 Wochen [zu] erstatten«.

Das Gesuch des österreichischen Reichstagsgesandten Egid Josef Karl Freiherr von Fahnenberg, ihm weitere Besitzrechte einzuräumen, um die Erträge seiner Hofmark Steinsberg zu vermehren, wird abgewiesen.

{11v} 8. Auf das von dem Herzoglich österreichischen Comitialgesandten Frhrn. von Fahnenberg unter Bezug auf ein bei der Durchreise Seiner Churfürstlichen Durchlaucht durch Regensburg erhaltene höchste Zusage gestellte dreifache Gesuch, durch folgende churfürstliche Concessionen die Erträgnis der im Herzogthum Neuburg entlegenen neu erkauften Hofmarkt Steinsberg zu vermehren, nämlich

a.) ihm den churfürstlichen Urbarshof Sitzhof oder Seehof genannt gegen von ihm beschehende Ablösung der Gülten zu allodificiren,

b.) ihm in der churfürstlichen Schwaighäuser Waldung eine Forstgerechtigkeit von jährlichen 100 Klaftern weichen Holzes, dann des ihm allenfalls nöthigen Bauholzes einzuräumen,

c.) ihm einen gewießen, bisher mit der neuburgischen Kammer streitigen Walddistrict am Geiersberg und Frauenwieshölzl ebenfalls zu überlassen,

führte Herr geheimer Rath v. Krenner die Anstände an, welche sowol von der neuburgischen Landesdirektion als dem Ministerial Finanzdepartement gegen die Genehmigung dieser 3 Gesuche aufgestellet worden, und äuserte, daß er rücksichtlich der beiden ersteren um so mehr sich mit diesen dagegen geführten Meinungen vereinigen müsse, als {12r} der churfürstliche Urbarshof, Sitzhof oder Seehof genannt mit dem Fideikommiß-Verbande beleget, folglich unveräuserlich seye, und die Schwaighäuser Waldung nach ihrer forstmäsigen Beschaffenheit eine solche neue Holzabgabe bei den schon tragenden Bürden nicht leisten könne.

In Bezug des dritten Gesuches glaube er Referent, daß eine oder der andere dieser beiden Plätze per modum transactionis an den Frhrn. v. Fahnenberg zu überlassen nicht vielem Anstande unterworfen seye, da solche streitig seyen und ohne richterliches Urtheil nach Lage der Acten nicht ausgehen werde, worauf er auch antrage.

Der Staatsrath genehmigte den Antrag des Herrn geheimen Rath von Krenner und beschloß: solchen Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst vorzulegen.

Das Gesuch des in den Ruhestand versetzten Sekretärs Brucher, bei der neuburgischen Landesdirektion mit einer Zulage als zusätzlicher Sekretär angestellt zu werden, wird abgelehnt. Jedoch soll Brucher bei der Organisation der neuburgischen Ämter berücksichtigt werden.

9. Herr geheimer Rath von Zentner legte die mit einem Cabinets Signato an das auswärtige Ministerial Departement zugekommene Bittschrift des in die Quiescenz versetzten neuburgischen Sekretär Brucher vor, worin er das Ansuchen stellet, als Supernumerair Secretaire bei der neuburgischen Landesdirektion mit einer Zulage angestellt zu werden, und {12v} äuserte: daß sowol die Anstellung der Supernumerär Sekretärs bei den Collegien, als die Verleihung von Besoldungszulagen an Quiescenten, dem bestehenden Regierungs-Systeme zuwider laufe, er folglich auf Abweisung des Supplicantens antrage; zugleich aber dem Ministerial Finanzdepartement überlassen müsse, ob sie denselben auf eine andere Art unterstützen könnte.

Der Staatsrath beschloß hierauf diese Umstände Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst vorzulegen und anzutragen, auf Anstellung des supplicirenden Brucher bei Organisation der neuburgischen Ämter die geeignete Rücksicht nehmen zu lassen.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Änderungen bzw. Zusätzen zu TOP 4 und TOP 7.

Anmerkungen

21
Eine kurze Zusammenfassung der Vorgeschichte dieses Rechtsstreits gibt Kreittmayr 1769: Die von Murach, die das Erbschenkenamt zu Lehen trugen, verwirkten es 1662 »ob neglectam investituram«, worauf das Amt 1663 »dem Graf Maximilian von Preysing und seiner männlichen descendenz sammt den Zugehörungen verliehen [wurde]. Worinn aber diese Zugehörungen bestehen, ist noch in lite, der fiscus und Lehenhof siehet all jene Güter, welche von der Murachischen Familie sowohl in Bayern, als der obern Pfalz an andere zu Lehen verliehen sind, für lauter Erbschenkenamtspertinentien, mithin für churfürstliche Afterlehen an, die von Murach hingegen wollen behaupten, daß diese Lehengüter mit dem Erbschenkamt keine Connexion hätten, folglich für keine churfürstliche After- sondern nur als murachische Stammlehen anzusehen wären. Gleichwie sich nun die Grafen von Preysing in possessione des Erbschenkenamts befinden, also hingegen manuteniren sich die von Murach durante lite noch immer in dem Besitz obig-strittiger Lehengüter«. Kreittmayr, Grundriß, § 115, S. 210 f. – Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 120, S. 436 (Staatsrat vom 30. September 1801), TOP 4 (Regest) in Verbindung mit dem Protokolltext, BayHStA Staatsrat 381, Nr. 26, fol. 5v-6v: Karl Frhr. v. Murach wird untersagt, die zum Landerbschenkenamt in Bayern gehörigen Afterlehen zu verkaufen, »bis richterlich entschieden sein wird, daß diese Lehen keine Pertinenzien zu obigem Amte seyen« (Zitat fol. 6r). Eine entsprechende Warnung des obersten Lehenhofs vom 12. Oktober 1801 wurde veröffentlicht in: RegIntBl. 1801, Sp. 678 f.
22
Fortsetzung aus: Nr. 6 (Staatsrat vom 20. Januar 1802), TOP 7.
23
Zu vorliegendem Rechtsgeschäft vgl. Schmitz-Pesch, Roding, S. 292 f.
24
Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 124, S. 448 (Staatsrat vom 21. Oktober 1801), TOP 5.
25
Beim Beschüdrecht, auch als Näherrecht bezeichnet, handelt es sich um »das Recht eines besser Berechtigten, eine veräußerte Sache binnen einer bestimmten Frist gegen Erstattung des Kaufpreises und der aufgelaufenen Kosten an den Minderberechtigten an sich zu ziehen«; vgl. HRG Bd. 3, Sp. 827 – 831 s. v. ›Näherrecht‹ (L. Carlen), zit. Sp. 827; Deutsches Rechtswörterbuch, Online-Wörterbuch (URL: http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/, Aufrufdatum: 24.7.2007) s. v. ›Beschüttrecht‹, s. v. ›Näherrecht‹.
26
Dazu BayHStA MA 8342: Reskript auf der Grundlage vorliegenden Beschlusses an die kfstl. Landtagskommission zu Düsseldorf vom 29. Januar 1802. Einem Vermerk von Montgelas vom 2. Februar zufolge sollte die Expedition des Schreibens zunächst unterbleiben. Späteres Regest der auf den 26. Februar 1802 datierten VO bei Scotti, Sammlung Tl. 2, Nr. 2626, S. 845.
27
Die Brandversicherungsgesellschaft wurde mit Mandat vom 17. September 1799 eingerichtet, um »bey entstehender Feuersbrunst denjenigen aus der Gesellschaft, welcher durch den Brand ein- oder anderes von den Gebäuden ganz oder zum Theil verlieret, solchen Verlustes halber in so weit schadlos zu halten, als das abgebrannte Gebäude dem Werthe nach angegeben, und eingeschrieben worden« (Drucke: MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. V.22, S. 228 – 235, Zitat S. 228; MIntBl. 1799, Sp. 773 – 783, Sp. 787 – 790; Auszug bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 134, S. 671 – 680). »Brandkollekten« waren fortan untersagt. Die unbedingte Beachtung des Verbots wurde den Obrigkeiten mit Verordnung vom 13. Mai 1801 erneut vorgeschrieben (RegIntBl. 1801, Sp. 321/322).
28
VO betr. die Errichtung einer »Brandversicherungs-Gesellschaft« für das Herzogtum Berg vom 26. September 1801 (publiziert Düsseldorf, 27. Oktober 1801), in: Scotti, Sammlung Tl. 2, Nr. 2599, S. 810 – 821. Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 117, S. 431 (Staatsrat vom 22. September 1801), TOP 14.