BayHStA Staatsrat 383 11 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 3. Juni 1803.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

Rechtliche Verhältnisse auf dem Land

Der Staatsrat entscheidet in Konflikten wegen der Regelungs- und Entscheidungskompetenz zwischen Justizstellen und Landeskulturbehörden in vier Fällen aus dem Bereich der ländlichen Agrarrechtsverhältnisse.

{1r} 1. Herr Geheimer Justiz Referendaire von Stichaner äüßerte, wie er dem churfürstlichen Staats Rathe mehrere Fälle vorzutragen habe, in welchen die Justiz Stellen und Culturs Behörden wegen dem Forum Jurisdictionis in sehr heftige Collisionen gerathen, ohne daß sie Vorschrift und Mandat mäßig frühzeitig die Entscheidung von der höchsten Stelle nachgesucht haben.

Ehe er aber seinen über diese Collisionen erstatteten Vortrag in dem Staats Rathe ableße, finde er nothwendig, wegen {1v} dem Geiste der in Baiern bestehenden Culturs-Gesezen, die allen Ländern zum Beyspiel dienen könten, und auf die Prüfung der nachfolgenden Fälle einige Beziehung hätten, einige Erinnerungen vorauszuschicken.

a) In der Streitsache des Sebastian Soeldner, Bauer zu Hofstetten, ist nicht die »Culturs Behörde« zuständig. Die Generallandesdirektion soll in dieser Sache Bericht erstatten; bis zu einer Entschließung des Staatsrats ruht das Verfahren.

Nachdeme Herr Geheimer Justiz Referendaire von Stichaner diese Voraussezungen dem Staats Rathe vorgeleget hatte ging er auf die sich ergebene Collisionsfälle zwischen den Justiz- und Cultur Behörden über, und führte zuerst den Falle, der wegen dem Weydenschaffts Recht des Sebastian Soeldner Bauer von Hofstetten auf den zweymädigen Wießen in der Dachenau, auch zur geschloßenen Zeit, dann anderen Rechten wegen an sich Bringung eines Theils des jährlichen Grummet und eines Wiesheugeldes zwischen der General Landes Direction und dem Hofgerichte in Straubingen sich ergeben, mit dem Bemerken an, daß dieser Fall sich offenbahr nicht unter die bestehende Culturs Geseze subsumiren lasse; da die Frage hier nicht von Zweymädigmachung der Wießen, sondern von Ablößung einer Servitut von einem schon cultivirten Grunde seye, um seinen Culturs Zustand zu erhöhen.

Die Culturs Behörde seye noch durch kein Gesez bevollmächtiget, sich die Judicatur darüber zuzueignen, und am allerwenigsten könne der Berechtigte schon vorher aus dem Besize gesezet werden, bevor die Bedingnüße der Ablößung entweder richterlich, oder durch Vergleiche bestimmet {2r} seyen;

Um jedoch die churfürstliche General-Landes Direction in den Stand zu sezen, ihre Gründe, welche sie gleich bey entstehender Collision hätte vorlegen sollen, berichtlich nachzutragen, mache das Geheime Ministerial Justiz-Departement den Antrag: von derselben Bericht zu erforderen, ihr aber auch zugleich bis auf fernere Entschließung alles Verfahren in dieser Sache zu inhibiren.

b) In dem Konflikt zwischen der Generallandesdirektion und dem Revisorium, entstanden aus einem Streit zwischen Joseph Berger, Hofbauer zu Natternberg, und vier umliegenden Gemeinden, ermahnt der Staatsrat die Generallandesdirektion, ihren Kompetenzbereich nicht zu überschreiten und die Landeskulturgesetze zu beachten. Gleichzeitig ergeht eine Weisung an die Generallandesdirektion, ein Gutachten zur Frage der Ablösung der Dienstbarkeiten gegen Entschädigung zu erstellen.

Der zweyte Fall, worüber zwischen dem churfürstlichen Revisorio und der General Landes Direction Collisionen entstanden, komme dem ersten fast ganz gleich, und betreffe das Weidenschaffts Recht des Joseph Berger Hofbauern zu Natternberg für seine Pferde auf dem sogenanten Donaumooß, einem über 400 Tagwerke haltenden Wiesgrunde, welches Recht nach dem Saalbuche von 1582 immer ein zeitlicher Pfleger zu Natternberg oder deßen Hofbauer ausüben durfte. Herr von Stichaner führte die Beschwehrden an, so gegen Ausübung dieses Rechtes von den Gemeinden Vembach, Staufendorf, Rettenbach und Michelsbuch angebracht, und wie sie von dem Landgerichte zu Deggendorf in erster, dann von dem Hofgericht zu Straubingen in 2. Instanz entschieden worden, und wie die Gemeinden nachher von der General Landes Direction, an welche sie sich gewendet, in ihrem Begehren unterstüzet, sohin Berger aus dem Besize seines Weydenschaffts Rechtes {2v} gesezet, und dadurch lezterer sich veranlaßet gefunden habe, die Appellation an das churfürstliche Revisorium zu ergreifen, wodurch die Collision, wovon gegenwärtig die Frage seye, entstanden.

Herr von Stichaner laß die verschiedene von dem Revisorio und der General-Landes Direction in dieser Sache erlaßene wiedersprechende Entschließungen an den Beamten zu Deggendorf und das Hofgericht Straubingen, so wie den Bericht der obersten Justiz-Stelle vom 12. d. M. ab, worin diese, ohne jedoch das Factum auseinander zu sezen, blos über die Herabwürdigung der Justiz durch die General Landes Direction und ihre unbefugte Einmischung in eine Justiz Sache sich beschwehre.

Herr von Stichaner erinnerte, wie auch bey diesem zweiten Falle dasjenige eintrette, was von dem ersten Falle schon bemerket worden, und nach Meynung des Ministerial Justiz-Départements wäre auch hierüber von der General-Landes Direction Bericht und Acten abzuforderen, ihr alle Einschreitungen zu inhibiren, mehrere Bescheidenheit gegen die Justiz Stellen einzuprägen, und zugleich die Weißung zu geben wäre, daß sie sich genau nach den bestehenden Landes-Cultur Gesezen achten, diese nicht überschreiten, und besonders in allen Fällen, wo über den Gerichtsstand Zweifel entstünden, nach den bestehenden Culturs Mandaten jederzeit Bericht erstatten solle.

{3r} Der zweyte Theil des abgeleßenen Berichts der Obersten Justiz Stelle betreffe einen Gegenstand, welcher mit Abänderung der General Landes Directions Instruction zußammenhänge, und daher dem auswärtigen Ministerial Département mitzutheilen seyn werde.

So unrecht aber auch die churfürstliche General Landes Direction in diesen vorgetragenen Fällen zu haben scheine, so sehr seye zu wünschen, daß über die Auflößung solcher, der Erzeugung der Naturproduckte hinderlichen Servituten auf schon cultivirten Gründen eine gesezliche Bestimmung gegen Entschädigung eintretten möchte.

Über die Art, wie die Ablößung der Holzrechte und Weydenschafften in den Wälder gesezlich verordnet werden könne, seye das Gutachten der General-Landesdirection zwar schon erforderet, aber nicht erstattet worden, man könne dahero die Frage, worüber das Gutachten zu erstatten wäre, generalisiren, und der Landes Direction auftragen, ihren gutachtlichen Bericht auf die Frage im allgemeinen auszudehnen, und solchen ohne längere Verzögerung einzusenden.

Herr von Stichaner laß die Rescripts Aufsäze ab, welche er nach dem Antrage des Ministerial Justiz-Départements wegen den vorgelegten beyden Collisions Fällen an die geeignete Stellen entworffen.

Nach gehaltener Umfrage genehmigte der Staats Rath die Anträge des Ministerial Justiz Départements, so wie den darnach gefer{3r}tigten Rescripts Aufsaz, und die Erforderung eines Gutachtens der General Landes Direction wegen der Frage: welche gesezliche Bestimmung über die Ablößung solcher, der Erzeugung der Naturproduckte hinderlichen Servituten auf schon cultivirten Gründen gegen Entschädigung eintretten könne?

c) Im Gegensatz zu einer früheren Entschließung des Staatsrats wird in der Streitsache zwischen Graf Preysing und den Gemeinden Buchhofen und Isarhofen nunmehr der Generallandesdirektion und nicht dem Hofrat die Entscheidungskompetenz zugesprochen, da es sich aufgrund veränderter Umstände jetzt um einen Fall aus dem »Gebiet der Culturs Behörden« handelt.

Der dritte Fall, den Herr geheimer Justiz Referendaire von Stichaner dem Staats Rathe vorzulegen habe, betreffe die dem Staats Rathe schon einmahl vorgetragene und demselben schon bekante Streitsache der Gemeinden Buchhofen, Ißarhofen etc. gegen den Graffen Preysing im Mooß wegen der Zweymädigmachung ihrer im oberen Mooße und in der Trif gelegenen Wießen.

Durch den schon vorhandenen Staats Raths Schluß, der auch in der Staats Conferenz genehmiget worden660, seye beschloßen worden, den Gegenstand, so lange die Eigenthümer der Wießen die Zweymädigmachung der Wießen nicht würklich unternehmen, als Justiz Sache ansehen zu laßen, und daß daher derselbe von der Culturs Behörde gar nicht beurtheilet werden könnte. Nun aber, wo die Eigenthümer der Wießen großentheils sich erkläret, sie würklich zweymädig machen zu wollen, auch nach einem erhaltenen Befehle der General Landes Direction, die cultivirende Unterthanen gegen die Weydenschaft kräftigst zu schüzen, und solche auch dem Graffen von Preysing inhibiret worden, ändere sich die Lage der Sache, und der Gegenstand seye nur, ohnerachtet des Wiederspruchs des {4r} erwehnten Graffen von Preysing und des von dem Hofgerichte Straubingen auf den Recurs des lezteren erlaßenen Bescheids, in das Gebiet der Culturs Behörden unbestritten übergetretten.

Nur allein darüber könte noch einiger Zweifel entstehen, ob Graff von Preysing nicht für diejenige Weydenschafft entschädiget werden müße, welche ausschlüßlich bis zur Heuzeit er auszuüben berechtiget geweßen.

Referent, Herr von Stichaner, glaube zwar, daß zur Begünstigung der Zweymädigmachung nach dem Sinne und Geiste der Cultur Mandaten, alle Weidenschafft zur geschloßenen Zeit ohne allen Unterschied aufhören müße, und dieses um so mehr, weil die Zweymädigmachung, ohne dieses gar nicht möglich, und der Eigenthümer sich nie dazu entschließen würde, wenn er neben den Culturs Kösten noch Entschädigung leisten sollte; zu Unterstüzung dieser seiner Meynung laß derselbe das für diese Fälle in der Mayerischen Generalien Samlung enthaltene Generale ab661.

Das Geheime Ministerial Justiz Departement, welches zwar auch darauf antrage, diesen Gegenstand der Entscheidung der Cultur-Behörden zu überlaßen, halte aber die Entschädigung des Graffen von Preysing in Hinsicht seiner ausschlüßig genoßenen Weidenschafft bis zur Heuzeit für billig, glaube jedoch, daß diese Entschädigungs Frage die Zweymädigmachung nicht aufhalte, sondern die Inhibition der Weydenschafft nicht aufgehoben werden dürfe, und daß {4v} diese Entschädigung als ein Theil der Hauptsache nicht von den Justiz Stellen, sondern den Culturs-Behörden zu entscheiden seye.

Da die Gemeinden sich nun würklich erkläret, die einmädige Wießen cultiviren und 2mädig machen zu wollen, hiemit auch bereits angefangen, so wurde nach dem bereits vorhandenen Staats Raths Schluße, der in der Geheimen Staats Conferenz genehmiget worden662, nach gehaltener Umfrage beschloßen, diesen vorgetragenen Gegenstand und deßen Verhandlung, so wie auch die Entscheidung der Frage: ob dem Graffen von Preysing im Mooß nach den bestehenden Culturs Mandaten für die bis izt ausgeübte Weidenschafft bis zur Heuzeit, eine Entschädigung gebühre oder nicht? der General Landes Direction als oberste Culturs Instanz zu überlaßen, und die Justiz Stellen hievon zu benachrichtigen; jedoch solle diese Entschließung nur in der sicheren Voraussezung Krafft haben, daß mit Zweymädigmachung der Wießen fortgefahren werde, und hiebey nicht eine Schein Cultur unterlaufe.

Kurfürstliche Entschließung dazu (3. Juni 1803): Der Kurfürst bestätigt die Zuständigkeit der Generallandesdirektion. Ein Beamter soll den Fall näher untersuchen und der Generallandesdirektion die entsprechenden Dokumente zusenden, damit eine Entscheidung getroffen werden kann.

{5v} Bey dem in gegenwärtigem Protocoll enthaltenen dritten Falle, finde ich zwar mit dem Staats Rathe, daß die Streitsache der Gemeinden Buchhofen, Ißarhofen etc. gegen den Graffen von Preysing im Mooß bey der nun geänderten Laage zur General Landes Direction als höchste Culturs Instanz übergehen müße, verordne aber dabey, daß derselben zugleich aufgetragen werde, den Gegenstand durch einen benachbarten Beamten vorerst instruiren zu laßen, welcher die klagende Gemeinde vorzurufen und ad protocollum zu vernehmen hat, ob und wie viel sie von dem befragten Grunde ordentlich cultiviren {6r} wollen; durch den nemlichen Beamten solle auch die Entschädigungs Sache des Graffen Preysing im Mooß für die Weydenschafft, welche er ausschlüßlich bis zur Heuzeit auszuüben berechtiget geweßen, instruiret, und die abgehaltene Protocollen nebst den übrigen Verhandlungen dann zur General Landes Direction eingesendet werden, damit da als Oberste Cultur Instanz über den ganzen Gegenstand nach den bestehenden Gesezen gesprochen werde, inzwischen aber und bis dahin solle Graff von Preysing in dem hergebrachten Besize belaßen und die Inhibition wieder aufgehoben werden.

d) In dem Konflikt zwischen Plattlinger Bürgern und Graf Preysing im Moos wegen der Verteilung der Gemeindegründe wird die Generallandesdirektion angewiesen, Bericht an die höchste Stelle zu erstatten, um »allen der Cultur nachtheiligen Folgen zuvorzukommen«.

Der vierte Fall, der dem Staats Rath zur Entscheidung vorgetragen werde, betreffe die Abtheilung der Plattlinger Gemeind Gründe.

Herr von Stichaner führte die durch das churfürstliche Hofgericht in Straubingen angezeigte Beschwehrden des Graffen von Preysing im Mooß, wegen deßen Ausschließung bey dieser Gemeind-Gründe Vertheilung mit dem Bemerken an, daß hierüber bereits unterm 27. December v. J. von der General Landes Direction, welche sich die Competenz der Judicatur über dieses Weidrecht angemaßet, Bericht erforderet, {5r} und ihr aufgetragen worden, die Gründe ihres Verfahrens anzuzeigen.

Dieser Antrag seye bis izt unbefolgt geblieben, und da der Graff von Preysing sich inzwischen nicht habe abhalten laßen, mit eingetrettenem Frühjahr sein Vieh auf diesem strittigen Grund treiben zu laßen, so seye von seiten der Plattlinger Bürger es zu Thätlichkeiten gekommen, welche von dem Hofgerichte in Straubingen mit Bemerkung der hiegegen ergrieffenen Maaßreglen und der Bitte angezeigt worden, die Entscheidung deswegen zu beförderen, als nicht ohne Grund zu befürchten, daß im äußersten Falle Execution gegen Execution stehen werde, wodurch das Ansehen der Collegien herabgewürdiget würde und gefährliche Folgen veranlaßet werden könten.

Nach Meynung des Ministerial Justiz-Départements werde auch in dieser Sache gegenwärtig nichts zu verfügen übrig bleiben, als der General Landes Direction zu befehlen, daß sie den verlangten Bericht mit Anlegung der Acten in Zeit von 14 Tagen erstatte, und dadurch selbst allen der Cultur nachtheiligen Folgen zuvorzukommen trachten werde; zugleich wäre das Praesidium der General Landes Direction anzuweißen, über den Vollzug dieses Auftrages zu wachen.

Der Staats Rath genehmigte diesen Antrag des Ministerial Justiz-Départements.

2. Stichaner schlägt im Namen des Ministerialjustizdepartements und aufgrund eines Gutachtens des Hofgerichtsdirektoriums vor, die durch den Tod des fünften Registrators [Joseph] Diezenberger bei dem Hofgericht vakante, mit 600 fl. dotierte Stelle dem Hofgerichtskanzlisten Sebastian Braun zu verleihen. An seine Stelle soll – »wegen seiner schönen Handschrift« – der Diurnist Zehl treten. Dem Ministerialfinanzdepartement obliegt es, Pensionszahlungen an die Witwe Diezenbergers festzusetzen. Der Staatsrat folgt Stichaners Antrag663.

Vorlage der »Entschließungen und Anträge« beim Kurfürsten und Genehmigung mit Ergänzung zu TOP 1 [c].

Anmerkungen

660
Vgl. Nr. 54 (Staatsrat vom 28. Juli 1802), TOP 9. Genehmigung: Nr. 55 (Staatskonferenz vom 31. Juli 1802), TOP 1.
661
Stichaner bezieht sich hier wahrscheinlich auf die VO betr. die »Kultivir- u. Vertheilung der öden Gründe dann Nacht-Viehweyden« vom 10. November 1790. Darin wird u.a. bestimmt: »Wir haben auch Unserer Obern-Landes-Regierung den Auftrag gemacht, alle diejenige, welche ihre Wiesen zwey- oder dreymädig machen wollen, gegen alle von den Weydnützern dagegen gemacht werdende Einstreuungen und Widersetzlichkeiten zu schützen, und zu handhaben, auch darauf zu halten, daß von den untergeordneten Gerichtern und Obrigkeiten dawider nicht gehandelt werde. – Wir wollen ferner über die Zwey- oder Dreymädigmachung der Wiesen als über eine wahre Kulturssache keine Prozesse gestatten, sondern daß es damit wie in andern Kulturs-Streitigkeiten gehalten werde« (MGS Bd. 6, Nr. VIII.2, S. 204 – 210, hier S. 206).
662
Siehe Anm. 660.
663
Vgl. die entsprechende Bekanntmachung: RegBl. 1803, Sp. 448 (27. Juni 1803).