BayHStA Staatsrat 382 21 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 5. Februar 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

1. Montgelas teilt die Entschließungen des Kurfürsten auf die Anträge des Staatsrats vom 26. und 27. Januar 1802 mit.

Die Finanzmänner [Isaac Seeligmann] Strasburger und [Josuel] Westheimer werden von der Entrichtung eines Vorschusses auf die Kriegskosten befreit.

2. Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner äuserte auf einen Bericht, den die gemeinschaftliche Kriegskösten-{1v}Vorschußkommission wegen dem Kriegskösten-Vorschuß der Negozianten Strasburger und Westheimer erstattet, daß diese Negozianten wegen ihrer wehrend der feindlichen Occupation geleisteten Dienste schon von dem bestandenen General Hofkommissariat von Entrichtung dieses Vorschußes befreiet worden, und es auch dermal noch hiebei belassen werden könnte.

Nach Antrag.

Die Regulierung von Kriegsschäden, die zwei Untertanen des Gerichts Tirschenreuth entstanden sind, soll von der Militärkasse geleistet werden, nicht von der irrtümlich für existent gehaltenen Entschädigungskommission.

3. Herr geheimer Rath von Zentner legte einen Bericht der churfürstlichen Kriegsdeputation vom 5. November v. J. vor, worin dieselbe anfraget, wo die nach dem Inhalte einer churfürstlichen Cabinets-Ordre bestehen sollende Entschädigungskommission, worauf die zwei Unterthanen des Waldsassenischen Gerichts Tirschenreith mit ihren Entschädigungen für die im churfürstlichen Artillerietransport verlohrenen Pferde angewiesen worden, existire?

Herr geheimer Rath von Zentner äuserte, daß auch er nicht wisse, wo diese Entschädigungskommission bestehe, und glaube, daß aus diesem Grunde an Seine Churfürstliche Durchlaucht der unterthänigste Antrag zu machen wäre, daß dem Staatsrathe von Bestehung einer solchen Entschädigungskommission nichts bekannt seye, und {2r} die Tilgung dieser Foderung ganz auf die Militärkasse falle, es auch nothwendig seye, den Unterthanen bald zu dem zu verhelfen, was ihnen durch ein öffentliches landesherrliche Mandat zugesichert worden.

Nach gehaltener Umfrage stimmte der Staatsrath diesem Antrage bei.

Die Gräfin von Wahl hat ein Drittel der ihr während der französischen Besetzung Münchens entstandenen Quartierkosten zu tragen, das Hofzahlamt zwei Drittel.

4. Nach eingekommenen Bericht der General Landesdirektion wegen den Quartierskösten des französischen Commissaire Ordonnateur Nourry erstattete Herr geheimer Finanz-Referendär v. Krenner actenmäsigen Vortrag und äuserte: daß hieraus sich ergebe, wie die verwittibte Gräfin von Wahl weder nach ihrem Vermögen noch Raum, mit französischen Quartier überlegen gewesen, und deswegen auch die auf die Verpflegung des Commissaire Nourry bei der Weingastgeberin Stürzer erloffenen Kösten nach derselben Mässigung bezahlen könne, worauf er auch antrage.

In dem Staatsrathe wurde nach gehaltener Umfrage durch die Mehrheit der Ministerialstimmen (indem des Herrn Ministers Frhr. von Montgelas Excellenz wegen Verwandschaft in dieser {2v} Sache nicht stimmten) beschlossen: bei den für die Gräfin von Wahl sprechenden Gründen, derselben nur 1/3tel dieser Kösten, die streng zu revidiren, überbürdet, die übrig bleibenden 2/3tel aber von dem Hofzahlamte als eine Folge des Général Décaenischen Hauptquartiers, bezahlt werden solle.

Der Staatsrat entscheidet über verschiedene Gesuche, die den Ersatz von während der französischen Besetzung entstandenen Kriegskosten zum Gegenstand haben.

5. Herr geheimer Finanz-Referendär von Krenner machte auf die in Kriegssachen eingekommene nachstehende Berichte der General Landesdirektion und verschiedene Vorstellungen folgende Anträge:

a.) die Vorstellung des Johann Nepomuck Niebauer alhier um Vergütung der Verpflegung der Suite des Général Debilly pr. 3.226 fl. 10 kr. zur Verbescheidung oder Berichts-Erstattung an die General Landesdirektion zu senden39,

b.) auf den Bericht der General Landesdirektion vom 28. Jänner in betreff der Foderung des bürgerlichen Weinwirths Aigner an den französischen Chirurgus Friess seye der General Landesdirektion zu rescribiren: {3r} daß da sich von den hierin allegirten vorderen Berichten vom 27. Oktober und 26. December v. J. nur letzterer vorfinde, so seye von ersterem ein Dupplicat nachzusenden,

c.) die Bittschrift des Kanzellisten Spatny um Entschädigung des französischen Quartiers bleibe der Erwägung und Verbescheidung der General Landesdirektion überlassen.

d.) Die Vorstellung des Johann Sebastian Vogelböck zu Alling Landgerichts Starnberg um Entschädigung der durch einen französischen Chasseur verrittenes auf 86 fl. geschätztes Pferd zur geeigneten Verfügung an die General Landesdirektion,

e.) die Bittschrift des Regierungs-Kanzellisten Fraunhuber zu Burghausen um Gratification für die beim Ober-Marschkommissariat geleistete Dienste zum gutächtlichen Bericht an die General Landesdirektion,

f.) die Bitte des churfürstlichen Oberförsters Melchior Auerbach in Moosburg um Genehmigung seiner Diäten, zur geeigneten Verfügung an die General Landesdirektion,

g.) die Bittschrift des Michael Haimhilger {3v} Schmied zu Neuburg an der Donau um Vergütung der Curkösten an französischen Pferden ad 639 fl. 58 kr. wäre an die General Landesdirektion zur ehebäldesten Befolgung der dießfalls bereits erlassenen Resolution zu senden.

Sämtlich diese Anträge wurden von dem Staatsrathe genehmiget.

Die Stadtgemeinde Pfaffenhofen hat die 1796 entstandenen Verpflegungskosten für den französischen General Moreau zu tragen. Das Ärar gewährt eine Unterstützung.

6. Herr geheimer Finanz-Referendär von Krenner legte einen Bericht der General Landesdirektion wegen der Verpflegung des französischen Général en Chef Moreau zu Pfaffenhofen im Jahre 1796 vor und trug an, wegen den daraus sich ergebenden Folgen, die hierauf erloffene Kösten von 806 fl. 14 kr. respee. 570 fl. 54 kr. weder auf das Landgericht Pfaffenhofen umzulegen, noch auf das Aerarium zu übernehmen, sondern solche der Stadtgemeinde Pfaffenhofen als eine local Last zur Tilgung mittels einer allgemeinen gleichheitlichen local Umlage zu überlassen, der Stadt aber in Rücksicht ihrer wehrend dem Kriege erlittenen beträchtlichen Unglücksfällen eine Aerarial Unterstützung von 300 fl. zu gewähren.

Nach Antrag genehmigt.

Einwanderungspolitik

Steiner trägt über die geplante Ansiedlung rheinpfälzischer Familien in den »heroberen« kurfürstlichen Staaten vor, benennt geeignete Orte und schlägt verschiedene Vergünstigungen vor.

{4r} 7. In einem schriftlichen Vortrag über die Ansiedlung einer grossen Zahl rheinpfälzischer Familien in den heroberen churfürstlichen Staaten, führte Herr geheimer Referendär von Steiner an, auf welchen Wegen diese Unterthanen zur Ansiedlung sich gemeldet, und wie vortheilhaft eine solche Acquisition arbeitsamer, in der höheren Landwirthschaft geübter Familien in ieder Rücksicht für das minder bevölkerte Baiern seye.

Derselbe stellte hierauf die zwei Fragen auf:

1.) Ob man öde, oder zu diesem Zweck dienliche Gründe in zureichender Quantität habe, und welche vorzüglich dazu zu verwenden wären, und

2.) unter welchen Bedingnißen solche anzulassen, und welche Unterstützung den neuen Ansiedlern zu geben seyn möchte?

Und beantwortete die erstere dadurch, daß er nebst Vorlegung der Hinderniße, die einer solchen Ansiedlung auf dem hiezu am meisten geeigneten Donaumooß bei dem mit dem tit. Breslauer noch anhängigen Prozeß entgegen stehen, die Moosgründe in der Gegend von Rosenheim und Aibling, die neuburgischen Cameral Colonien, und das Schleißheimer Moos nebst dem öden Wald {4v} und Hartgründen zur Überlassung an erwehnte Ansiedler in Vorschlag brachte, dabei aber bemerkte, daß da Seine Churfürstliche Durchlaucht die Schleißheimer Gründe Höchstselbst übernommen haben, diesfalls alles dem höchsten Ermessen überlassen werden müsse, die Schleißheimer Gründe aber in mehreren Rücksichten den anderen vorzuziehen wären.

Bei der zweiten Frage machte Referent den Antrag, indem er sich einsweil auf das Rosenheimer Moos und die neuburgischen Cameral Gründe beschränken müße, die Gründe den neuen Ansiedlern in der Quantität nach Verhältnis des Vermögens ohnentgeldlich als Eigenthum und walzende Stücke, mit Versicherung der gänzlichen Zehendfreiheit, in so weit es ohne Verkürzung eines Dritten geschehen kann, dann in iedem Falle aber wenigstens die gesetzliche 25jährige Zehendfreiheit40 gegen einen, aber erst nach 10 Jahren anfangenden jährlichen Bodenzins zu überlassen und ihnen die bei den neuburgischen Cameral Colonien schon stehende Gebäude gegen einen billigen Preis zu übergeben.

Als ausserordentliche Unterstützung dieser Ansiedler brachte Herr v. Steiner folgende Mittel in Vorschlag:

Jenen Ansiedlern, wenn sie die {5r} Gebäude von Stein aufführen, das zum Dachstuhl nöthige Bauholz aus den churfürstlichen Waldungen ganz frey und ohne alle Bezahlung abgegeben, diejenigen, welche selbst ein Vermögen von Belang mitbringen, im Verhältnis desselben nebenher mit Kirchen-Anlehen zu 2% unterstützt, denselben nach Manns- oder Familien-Zahl 8 bis 12 Stück Pferde angeschaft, und zu den gemeinschaftlichen Baufuhren geschenkt, und den zur Ansiedlung geeigneten Familien nach Anzahl der Köpfe, und nach der Größe des mitgebrachten Viehestandes ein vorläufig zu bestimmender vierteljähriger Unterhalt in Geld ex Aerario zugesichert werden dürfte.

Diejenigen aber, welche wenig, oder gar kein Vermögen haben, könnten bei ihren Landsleuten einsweil in Dienste gehen, oder im Taglohn arbeiten, in der Folge aber werde auch diesen die Ansäßigmachung dadurch erleichtert, wenn der Hoffus, wie das Finanzdepartement demnächst den Antrag machen werde, schon itzt ohne Abwartung einer Abgaben Peräquation aufgehoben wird, und sie folglich mit wenig Geld schon cultivirte Grundstücke erlangen können.

Zur Correspondenz mit diesen Ansiedlern und Leitung des ganzen {5v} Geschäftes, welches einem Collegio nicht wohl übertragen werden könnte, brachte Herr geheimer Referendär von Steiner den Direktor Kling41 um so mehr in Vorschlag, als einerseits dieser Gegenstand ohnehin zur fünften Deputation geeignet seye, und andererseits derselbe mit dem Locale der befragten Gründen und mit den Verhältnißen der Personen bekannt wäre, und auch für sich in Geschäften der Cultur allzeit ausgezeichneten Eifer und Thätigkeit bezeiget habe.

Diese Anträge wurden von dem Staatsrathe einstimmig genehmiget und beschloßen: solche Seiner Churfürstlichen Durchleucht zur Genehmigung gehorsamst vorzulegen42.

Der Staatsrat wendet sich gegen eine kurfürstliche Kabinettsorder, derzufolge den Untermarschkommissariaten Neumarkt und Abensberg ihre Marschdiätenrechnungen nicht erstattet werden sollen.

8. Auf die von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht erlassene beide Cabinets-Ordres vom 22. und 25. Jänner, worin erkläret wird: daß den Unter-Marsch-Kommissariaten Neumarkt und Abensberg ihre, erst nach dem Verfluß des gesetzten Termins eingesendete Marsch-Diäten-Rechnungen mit dem Bedeuten zurück gesendet werden sollen, daß selbe die Theilhaber nunmehr aus eignen Mitteln {6r} befriedigen sollen, äuserte sich Herr geheimer Finanz-Referendär v. Krenner, daß das Ministerial Finanzdepartement sich verpflichtet sehe, gegen diese Cabinets-Ordre eine zwar unterthänigste aber unentbehrliche Gegenvorstellung zu machen. Derselbe las hierauf einen Antrag ad Serenissimum ab, worin alle hiegegen streitende Gründe entwickelt sind, und foderte den hohen Staatsrath auf, solchen bei Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu unterstützen.

Der Staatsrath beschloß: diesen Antrag Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst vorzulegen und solchen mit allen dafür sprechenden Gründen zu unterstützen.

Lehensrechtliche Fragen

Vortrag Zentners über die Herrschaft Hohenfels, die dem Fürsten von Bretzenheim von Kurfürst Karl Theodor verliehen worden war. Bezugnehmend auf einen Beschluß vom 14. Juni 1799 bleibt es bei der Einziehung der Herrschaft. Die zugehörigen Beutellehen sollen ebenfalls eingezogen werden. Eine grundsätzliche Erörterung der damit zusammenhängenden Fragen soll bis zur Regelung der Fideikommißverhältnisse unterbleiben.

9. Über die Verhältnisse der Herrschaft Hohenfels43 und die neuern Ansprüche des Herrn Fürsten von Brezenheim44 hierauf, erstattete Herr geheimer Rath von Zentner schriftlichen Vortrag, worin er zeigte wie diese Herrschaft an das pfälzische Haus, und dann nachher in privat Hände, anfänglich als After-Mannsritterlehen, nachher als nutzliches Geschenk, und endlich die dabei befindliche 94 Stücke Beutellehen, als durchgehendes Ritterlehen gekommen. Derselbe {6v} las die hierauf Bezug habende Actenstücke, Donations- und Lehenbriefe ab, und erwehnte jener Verfügungen, die von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht nach Ihrem Regierungs-Antritt wegen Wieder-Einziehung dieser Herrschaft zur oberpfälzischen Cammer getrofen, und wie solche vollzogen worden, auch welche Folgen sich hieraus ergeben haben, und welche Widersprüche von dem bei Ableben des Herrn Churfürsten Carl Theodor Durchlaucht in Besitz dieser Herrschaft und der dazu gehörigen Beutellehen gewesenen Herrn Fürsten von Brezenheim gegen diese Einziehung gemacht, und worauf solche begründet worden.

Herr geheimer Rath von Zentner äuserte, daß es hauptsächlich hiebei auf Beantwortung der Fragen ankomme:

Sind die Herrschaft Hohenfels, und die an den Fürsten von Brezenheim ebenfalls übergebene oberpfälzische Lehenstücke bona infeudari solita?

Waren sie zu Lebzeiten des höchstseeligen Churfürsten Carl Theodor so heimfällig, daß sie von demselben hätten wieder begeben werden können?

und wie er in einem im vorigen Jahre bei der Allodial Hofkommission {7r} erstatteten Vortrag mehrere Gesichtspunkte aufgestellet habe (die hierauf Bezug habende Stellen dieses Vortrages wurden abgelesen) nach welchen ihme damals diese Sache sehr zweifelhaft geschienen.

Einige nähere Aufschlüße aus den inzwischen eingekommenen Acten hätten ihn indessen bestimmt, auf die Bestättigung des ersten Beschlusses des Staatsraths vom 14. Juny 179945 und auf eine gleichmäsige Einziehung der oberpfälzischen Lehenstücke anzutragen, ungeachtet er freimüthig bekennen müsse, daß er sich bei einem allenfallsigen zukünftigen Richter keinen ganz sicheren Sieg verspreche, indem über die hier einschlagenden Rechtsfragen noch keine veste Grundsätze bestehen.

Aus diesen neueren Gründen und nach vollständiger Beantwortung der aufgestellten Fragen, machte derselbe den Antrag: es bei der schon bereits beschlossenen Einziehung der Herrschaft Hohenfels zum oberpfälzischen Cammergute bewenden zu lassen, und dem oberpfälzischen Lehenprobstamt aufzutragen, die 94 Stück Beutellehen gleichfalls einzuziehen, und in Zukunft für das höchste Aerarium verwalten zu lassen.

Zu diesem über die Vindication der {7v} Herrschaft Hohenfels abgegebenen Gutachten, las Herr geheimer Rath von Zentner einen Nachtrag vorzüglich zur näheren Beleuchtung des Art. 14 des Familien-Vertrages von 177146, und der darin ausgenommenen gemeinen Handlungen ab, und stellte dann die Grundsätze auf, wornach die Besitzungen unsrer deutschen Landesfürsten beurtheilet werden könnten.

Nach hierüber in dem Staatsrathe gehaltener Umfrage wurde der Antrag wegen Vindication der Herrschaft Hohenfels und der damit verbundenen Beutellehen genehmiget, wegen dem abgelesenen Nachtrag aber beschlossen, solchen beruhen zu lassen bis über die Fideicommis-Pragmatik Vortrag erstattet werden wird.

Kurfürstliche Entschließung dazu (5. Februar 1802). Der Kurfürst genehmigt den Antrag und untermauert ihn mit Verweis auf die im Westfälischen Frieden normierte Rechtslage.

{10v} Da die Herrschafft Hohenfels mit Pertinentien vom Churfürsten Friederich dem 4.47 im Jahre 1595 mittels Kauf neu acquiriret, auch sowohl unter seiner als seines Sohnes Regierung immer als Cameral-Guth behandlet und in dieser Eigenschafft bey Anfange der böhmischen Unruhen beseßen und verwaltet worden; So genehmige ich den Schluß des Staats Rathes No 9 um so mehr, als nicht nur die pfalz-birkenfeldische, sondern die ganze rudolphinische Linie überhaupt immer den Grundsatz behauptet, daß die Obere Pfalz nach dem Art. 4 § 648 des Osnabrückischen Friedens nach Erlöschung der baierisch wilhelminischen Linie an die pfälzisch rudolphinische Linie in eben der Laage wieder zurückfallen müße, wie solche vor den böhmischen Unruhen ware; welcher Grundsaz auch von des verlebten Herrn Churfürsten Carl Theodor Durchlaucht, als Verleiher der Herrschaft Hohenfels an den Fürsten von Brezenheim, in der im Drucke erlaßenen Instruction für die ehemahliche Hof Cammer unterm 16. August 1779 öffentlich aufge{11r}stellet und derselben zur Norme vorgeschrieben worden49.

Der Staatsrat folgt Stichaners Antrag, das Ehepaar Worndl wegen Beihilfe zum Diebstahl zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe nebst körperlicher Züchtigung zu verurteilen. Er folgt weder dem Antrag des Ministerialjustizdepartements noch dem Vorschlag des Hofrats, in einem simulierten Prozeß die Todesstrafe zu verhängen und nachfolgend die Begnadigung auszusprechen.

10. Nach Darlegung der actenmäsigen Geschichte, wie der von dem sogenannten grossen Hiesel vollzogene gewaltsame Diebstahl bei einem Bauern zu Windhack Landgericht Auerburg begangen worden, und wobei die gegenwärtig eingezogene und abgeurtheilte Glasers Eheleute in Elnbach Landgerichts Aibling Wache oder {8r} Spähe gestanden, und die gestohlene Sachen weggetragen, auch einen Teil hievon empfangen haben, führte Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner an, wie der churfürstliche Hofrat gegen die Meinung des Referenten (der auf eine 10jährige Zuchthausstraffe mit iährlich eintrettenden 25 Karbatschstreichen angetragen) nach geschlossenen Acten auf die Todesstraffe gestimmt50, dabei aber in seinem Berichte erwehnet habe, daß hier aus mehreren Gründen wirklich der Fall eintrette, wo die churfürstliche höchste Gnade die Strenge der Gesetze mildern könne, doch könne der churfürstliche Hofrat nicht den Vorschlag einer zehnjährigen Zuchthausstrafe beitretten, weil in solchem Falle Kinder, Anwesen und Gewerb fremden Händen anvertraut werden müßten.

Die Eltern würden am Ende in einem hohen Alter kraftlos zurücke kommen, und nicht im Stande seyn, ferner für sich und ihre Kinder zu sorgen.

Der churfürstliche Hofrath seye daher der Meinung, daß an statt der Todesstrafe mit den Verhafteten ein verstellter Prozeß vorgenommen, sofort denselben das Todesurtheil eröfnet, die Gnade aber erst nach 24 Stunden angekündigt werden solle.

Herr von Stichaner äuserte, wie er zwar aus den von dem Hofraths-{8v}Referenten vorgelegten Gründen mit dem Hofrathe glaube, daß die Todesstrafe hier nicht Platz haben könne; allein mit dem vorgetragenen Surrogate derselben, könne er nicht einverstanden seyn, indem ein solcher simulirter Prozeß das Gesetz, welches zu scharf seye, und die Regierung beleidige, welche sich nicht getraue solches zu vollziehen.

Nach seiner Meinung wären die beiden Verhafteten, bei den für sie sprechenden Milderungsgründen, nur auf 1 oder 2 Jahre in das Zuchthaus, doch ohne Carbatschstreiche, zu verurtheilen. Diese Strafzeit würde sie nicht alt und kraftlos machen, ihr Anwesen bestehe aus einen leeren Hause, die Kinder könnten inzwischen bei ihren Verwandten, vielleicht besser als bei ihren Eltern, besorget, und wegen der Glasersgerechtigkeit von der Obrigkeit die geeignete Verfügung getrofen werden. Allein diese seine Meinung seye von dem Ministerial Justizdepartement nicht angenommen worden, sondern dieses habe auf eine 5jährige Zuchthausstrafe mit dem Beisatze gestimmt, daß die Kinder den Verwanden übergeben und die Obrigkeit angewiesen werde, wegen des Hauswesens und der Gerechtigkeit, die der Familie möglichst vortheilhafte {9r} Fürsorge zu trefen, zugleich auch von churfürstlichem Hofrath die Nachforschungen auf den grossen Hiesel, als den Hauptthäter fortzusetzen wären.

Der Staatsrath genehmigte nach gehaltener Umfrage, daß nach dem Antrage des Herrn geheimen Justiz-Referendär von Stichaner die Worndlische Eheleute zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe verurtheilet, diese Strafe jedoch mit einer körperlichen leibsconstitutionsmäsigen Züchtigung geschärfet werden solle; wo zugleich auch churfürstlichem Hofrath als Grundsatz zu eröfnen wäre, nie wieder auf einen simulirten Prozeß, oder die Todesangst, anzutragen noch hierauf zu erkennen.

Die Assessorenstelle bei dem Armeninstitut wird mit dem Hofgerichtsadvokaten Joseph Müller besetzt. Der Antrag auf Erteilung einer Entscheidungsstimme für den Sekretär Anders wird abgelehnt. Die kurfürstliche Entschließung ergeht an die Generallandesdirektion als künftige Aufsichtsbehörde.

11. Wegen Besetzung der Armen Instituts-Assessorstelle, die durch den freiwilligen Austritt des Franz Hofer, der um seine Entlassung gebetten, erlediget wird, führte Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner in einem erstatteten schriftlichen Vortrage die nach dem Reskript vom 24. September 1799 der Verwaltung des Armen-Instituts gegebene Einrichtung an, und {9v} legte den Antrag des Vorstands der Armen-Institutskommission Herrn von Eyb, so wie auch der ganzen Kommission vor, diese Stelle den Hofgerichts-Advokaten Müller, der sich zu derselben Annahm bereitwillig erkläret, zu übertragen, und dadurch nicht nur einen den häufig vorkommenden juristischen Gegenständen gewachsenen Mann für das Institut zu erhalten, sondern auch die Gleichheit der Kommissionsglieder für den gefreiten und ungefreiten Stand herzustellen.

Herr von Stichaner äuserte, wie das Ministerial Justizdepartement diesem Vorschlage vollkommen beigetreten, rücksichtlich der weitern Bitte des Kommissions-Vorstands von Eyb wegen dem Sekretär Anders, demselben nebst dem Secretariat eine Entscheidungsstimme gleich anderen Assessoren zu ertheilen, und ihn zu Übernahm und Ausführung der von dem Vorstande angetragen werdenden Commission gnädigst zu berechtigen, aber der Meinung seye, daß dieses nicht Platz haben könne, wo jedoch dem Vorstande unbenommen bleibe, den Sekretär Anders zu Verschickungen und sonstigen Kommissionen zu gebrauchen.

Beide Anträge des Ministerial Justizdepartements {10r} wurden von dem Staatsrathe genehmiget, dabei aber beschloßen: die deswegen zu erlassende churfürstliche Fertigung an die General Landesdirektion zu richten, unter welcher in Zukunft das ganze Armenwesen zu stehen habe.

Die Schuldforderung des Freiherrn von Hasberg an das rheinpfälzische Ärar (die sogenannte »Kommissariats Schuldfoderung«) wird zurückgewiesen.

12. Über die freiherrlich v. Hasbergische alte Schuldfoderung an das rheinpfälzische Aerarium, erstattete Herr geheimer Rath von Zentner schriftlichen Vortrag, worin er die Entstehung und Natur dieser unter der Benennung Kommissariatsschulden bekannten alten Foderungen, so wie die Verhältniße, die bei dieser Frhr. von Hasbergischen besonderen Schuld eintretten, anführte, und den Antrag machte:

Das rheinpfälzische General Landeskommissariat anzuweisen, dem Frhn. v. Hasberg zu eröfnen, daß man sich auf die von ihm vorgebrachte alte, sogenannte Kommissariats Schuldfoderung, derer verbindliche Kraft schon längst als erloschen erklärt worden sey, und die gegen Seiner itzt regierenden Churfürstlichen Durchlaucht unter keinem Betracht eine rechtliche Wirkung mehr habe, nicht {10v} mehr einlassen könne.

Dieser Antrag wurde in dem Staatsrathe genehmiget.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung.

Anmerkungen

39
Zum Fortgang: Nr. 28 (Staatsrat vom 31. März 1802), TOP 13.
40
Zuletzt hatte die VO vom 5. Juni 1801 (RegIntBl. 1801, Sp. 401/402; MGS [N. F.] Bd. 2, Nr. V.82, S. 209 [Zitat]) vorgeschrieben, »daß alle künftig kultivirt werdende öde Gründe« für 25 Jahre von der Zehntabgabe befreit sein sollten. Eine genaue Definition, was unter »öden Gründen« zu verstehen war, bot ergänzend die VO vom 8. Februar 1802: Darunter waren »nicht nur Haiden, Filze, Möser und Weidenschaften […], sondern ebenfalls Inseln, Auen, Anschütten, und einmädige Wiesen, sohin alle Gründe […], die bisher in keinem Ackerzustande, und Zehendbesitze waren«, zu zählen (RegBl. 1802, Sp. 105f., Zitat Sp. 105).
41
Johann Peter Kling war als Direktor der 5. Deputation der Generallandesdirektion zuständig für »Kulturs- Forst- Bau- und Jagd-Gegenstände« (HStK 1802, S. 77).
42
Vgl. die Bekanntmachung betr. die »Ansiedlung von Kolonisten in Baiern und dem Herzogthume Neuburg« vom 6. März 1802, RegBl. 1802, Sp. 166 – 169.
43
Vgl. Jehle, Parsberg, S. 307.
44
Karl August Fürst von Bretzenheim (1769 – 1823) war eines der Kinder aus der Verbindung des Kurfürsten Karl Theodor mit der jung verstorbenen Tänzerin des Mannheimer Balletts Josepha Seyffert (1748 – 1771). 1769 als Graf von Heydeck legitimiert, wurde er zusammen mit seinen Schwestern 1774 von Kaiser Joseph II. in den Reichsgrafenstand erhoben und erhielt zugleich die Bewilligung, den Namen nach der Herrschaft Bretzenheim zu führen. 1789 wurde Karl August in den Fürstenstand erhoben. Für seine an Frankreich gefallenen Besitzungen wurde er durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 (§ 22) mit der Stadt und dem gefürsteten Damenstift Lindau entschädigt, die er jedoch schon 1803 gegen die ungarischen Herrschaften Regecz und Sárospatak tauschte. Vgl. Nebinger, Nachkommen, S. 355 f.; Ebersold, Karl August; zu Josepha Seyffert: AK Carl Theodor Bd. 2, S. 43 – 47.
45
Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 16, S. 104 (Staatsrat vom 14. Juni 1799), TOP 3: Vortrag Franz v. Krenners über die nach dem Tod Karl Theodors erloschenen Nutzungsrechte des Fürsten v. Bretzenheim auf die Herrschaft Hohenfels und den Einzug der entsprechenden Gefälle zur oberpfälzischen Kammer.
46
Der wittelsbachische Hausvertrag vom 26. Februar 1771 (Martens, Recueil Bd. 1 Nr. 63, S. 667 – 681, hier S. 679) legte in § 14 fest, »daß ausser den Nothfällen oder Verschaffung besseren Nutzens, weder Veräusserungen noch Verpfändungen [der wittelsbachischen Lande] Platz haben« sollten, damit »die unter die Erbeinung begriffene Lande und Leute unveräußerlich in jedem Haus beysammen verbleiben und erhalten werden«. Jedoch, so wurde ergänzend formuliert, »erstreckt sich die Meynung dieses Articuls auf die Landesfürstliche gemeine Handlungen mit ihren Land, Leuten und Unterthan keineswegs, noch auf die Verträge und Rezess, welche mit Nachbarn wegen strittigen Gränzen und Regalien oder dergleichen Gerechtsamen abgeschlossen worden und zum öftern vorfallen«.
47
Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz (1574 – 1610, Regent seit 1583).
48
Die Angabe ist unzutreffend; einschlägig ist vielmehr Art. IV § 9; vgl. Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO) vom 24. Oktober 1648, Art. IV § 9, Oschmann (Bearb.), Friedensverträge, Nr. 18, S. 95 – 170, hier S. 101 (entspricht Instrumentum Pacis Monasteriensis [IPM] § 17, ebd. Nr. 1, S. 1 – 49, hier S. 8 f.).
49
Neue Hofkammerordnung vom 16. August 1779, MGS Bd. 1, Nr. II.83, S. 406 – 423, hier § 14, S. 414: »Und da das Herzogthum der obern Pfalz in Kraft des westphälischen Friedens nach dem Abgange der Wilhelminischen Linie wiederum in dem Stande, wie es ante motus bohemicos gewesen, an Unser Churhaus zurückgekommen ist, so behalten wir Uns alle Gerechtsame bevor, welche Unserm Churhause vor den Böhmischen Unruhen in der obern Pfalz zugestanden sind, und wollen, daß alle und jede diesem Herzogthume anklebende alte Jura, soviel möglich, behauptet, und wiederum in Ausübung gebracht […]« werden.
50
CJBC I 2 § 14, S. 15: »Wer von dem Diebstahl nicht nur directè vel indirectè wissentlich participiret, sondern auch aus gewinnbegierigen Gemüth, denen Diebs-Leuthen vor- in- oder nach der That Hülf leistet, wird wie der Principal-Thäter selbst mit der ordentlichen Straff des Diebstahls angesehen.«