BayHStA Staatsrat 4 8 Seiten.

Anwesend: Kf. Max Joseph, Herzog Wilhelm281; Montgelas, Morawitzky, Hertling.

[MA] 1. Der Kurfürst genehmigt die Anträge und Entschließungen der Staatsratssitzungen vom 4. und 11. August 1802 »nach den […] auf den verschiedenen Protocollen gemachten Bemerkungen« nach Vorlage durch Montgelas.

Der Wunsch der Kurfürstin-Witwe Maria Leopoldine, Schloß Berg jederzeit bewohnen zu dürfen, wird abgelehnt, da er von einer früheren Übereinkunft abweicht.

2. Wurde die, von dem Obersthofmeister Frhr. von Gumppenberg eingesendete Erklärung der verwittibten Frauen Churfürstin Gnaden über den Verzicht auf die Herstel- und Meublirung des am Stahrenberger See gelegenen Schloßes Berg gegen eigenthümliche Überlaßung der in dero Wohnung im Palais Max sich befindenden Ameublements, vorgeleget und der höchsten Entscheidung untergeben, ob diese Erklärung mit dem darin enthaltenen Vorbehalte: das Schloß Berg zu bewohnen und zu benüzen, so oft es höchstdenenselben gefällig seye, angenohmen werden wolle.

Seine Churfürstliche Durchleucht haben gnädigst beschloßen, daß diese Erklärung, so wie sie gegeben worden, nicht angenohmen, sondern dem Frhr. von Gumppenberg mit dem Bedeuten ruckgefertiget werden solle, daß der darin sich befindende Vorbehalt wegen dem Schloße Berg höchstdenenselben um so auffallender seye, als der gänzliche Verzicht hierauf eine Bedingung bey der eigenthümlichen Überlaßung des Ameublements in dem Palais Max geweßen, und letztere nur durch ersteres begründet worden; Seine Churfürstliche Durchleucht erwarteten deswegen eine ohnbedingte Erklärung.

Vor der Zustimmung des Kurfürsten zur Veräußerung des Lehens Röhrda und »Mantra« (Hessen-Kassel) soll der Lehensnehmer, der Hofkastner Freiherr v. Castel, Angaben zum Ertrag der Lehen machen, da das rheinpfälzische Landkommissariat diese Angaben nicht geliefert hat282.

3. Nach vorgelegtem Berichte des rheinpfälzischen General-Landes Kommissariats über die Beschaffenheit und den Ertrag des Lehens Röhrda und Mantra im Heßen Caßelischen Territorio, welches der churfürstliche Hofkastner Frhr. von Castel gegenwärtig besizet, und um deßen {3r} Überlaßung als eigen, gegen Erlegung eines baaren Aversi, oder um den Consens zu deßen Alienirung er gebetten, wurde angetragen, vor Faßung einer höchsten Entschließung noch den Vasall von höchster Lehensherrschaft selbst zur bestimten und glaubhaften Angaabe der Lehens Erträgnüß aufzufordern, da das rheinpfälzische Land Commissariat dieses nicht habe herstellen können.

Nach Antrag genehmiget.

[MJ] 4. Der Hofrat [Clemens] Freiherr von Leyden erhält die Erlaubnis, sich einen weiteren Monat in Paris aufhalten zu dürfen.

5. Der Regierungsrat in Straubing, [Johann Nepomuck] Freiherr v. Pelckhofen, wird auf eigenen Wunsch wegen »seinen häüßlichen Verhältnüßen« aus dem Dienst entlassen283.

6. Dem Hofrat [Johann Nepomuck] Freiherr v. Pechmann wird die Heiratserlaubnis erst erteilt, wenn er die bisher verweigerte Einwilligung seines Vaters beigebracht hat284.

7. Die Gesuche des Fabrikanten Brügelmann285, ihm »zu Emporbringung des ihme in dem ehemahligen […] militärischen Arbeitshauße anvertrauten Etablißements« die »Polizey dabey« sowie den Charakter eines Hofrats zu verleihen, werden abgelehnt286.

8. Robert, französischer Priester in Deggendorf, erhält die Erlaubnis zu weiterem Aufenthalt287.

Besetzung der im Hofrat freigewordenen Akzessistenstellen.

9. Zu Besezung der, bey churfürstlichem Hofrathe durch die Beförderung des von Godin, von Kern und Doblinger erledigten Accessisten Stellen machet das churfürstliche Geheime Ministerial Justiz Département, nachdeme es das Gutachten des Hofraths-Directorii, welches auch die Anstellung eines 4. Accessisten in Vorschlag bringet, anführte, in seinem schriftlichen Gutachten, den Antrag, den Joseph von Schab, und Lic. Ellerstorffer zur Besezung der dritten Accessisten Stelle Seiner Churfürstlichen Durchleucht {4r} mit dem Bemerken vorzuschlagen, daß ersterer eine längere Praxis und das Gutachten des Hofraths-Directorii für sich habe, dem lezteren aber eine 6 monathliche Praxis zu Mitterfels, eine 9 monathliche bey dem Hofraths Canzler Amte und ein Cabinets Signatum zur Seite stehe, und folglich die Auswahl der höchsten Bestimmung überlaßen werden müße; wo aber die erste und zweyte Accessisten Stelle denen beyden vorzüglichen Subjecten, dem Regierungs Accessisten Zehetmajer und dem Lic. Xaver Klem zu übertragen, von Besezung der vierten Accessisten Stelle Umgang zu nehmen, und die übrige Gesuche wegen den Accessisten Stellen bey den auswärtigen Regierungen den dortigen Directorien um Bericht zuzuschließen wäre.

Der Regierungs Accessist Zehetmajer, der Lic. Xaver Klem und der Joseph von Schab288, der vor dem von Ellerstorffer eine längere Praxis voraus hat, wurden zu Hofraths Acceßisten ernennet, der von Ellerstorffer aber solle bey der nächsten Erledigung einer Acceßisten Stelle einruken, und die übrige Anträge werden genehmiget.

10. Die durch »Entweichung des Sebastian Reisperger« erledigte Stelle des Hofratswächters wird nach Prüfung der Bewerber dem Oberknecht im Zuchthaus Joseph Eisenhofer, »der den vorzüglichsten Anspruch hierauf habe«, übertragen.

Die gegen Joseph und Mathias Neumaier verhängten Todesstrafen sollen nach dem Urteil des Hofrates vollzogen werden.

11. Das von churfürstlichem Hofrath über den Joseph Neumajer, der wegen {4v} Straßenraub und Mordthat allhier processiret worden, und nach überstandenem ersten Grade der Tortur seine Verbrechen gestanden hat per majora gefällte Urtheil, das Leben durch das Rad von oben herab zu verliehren, wurde mit dem Bemerken der höchsten Bestättigung untergeben, daß der Hauptthäter Mathias Neumaier die dreyfache Tortur überstanden habe und noch auf unbestimte Zeit in das Zuchthauß übersezet worden seye; wobey der höchsten Entscheidung überlaßen wird, ob nicht die Art der Todes Straffe eine Abänderung erleiden dörffe, theils weil die Straffe des Rades in der künftig peinlichen Gesezgebung nicht wohl mehr Plaz finden werde, und das Haupt Verbrechen, die Mordthat zu Schwaben, nach den Gesezen gegen den fürsezlichen Todesschlag mit dem Schwerde bestraffet werde.

Seine Churfürstliche Durchleucht wollen dem Erkantnüß dero Hofraths keinen Einhalt thun, noch solches abändern.

Begnadigung der zum Tod verurteilten Joseph Hilgenrainer und Ignaz Landlsberger. Zuerkennung einer außerordentlichen Strafe.

12. Die Verbrechen, weswegen Joseph Hilgenrainer und Ignaz Landlsberger bey churfürstlichem Hofrathe proceßiret und beyde zum Tode verurtheilet worden, wurden von dem Geheimen Ministerial Justiz-Département in zwey schriftlichen Vorträgen auseinander gesezet, und dabei geäüßeret, wie der churfürstliche Hofrath aus mehreren vorliegenden Milderungs Gründen auf Begnadigung dieser beyden Delinquenten und Belegung mit einer außerordentlichen Straffe antrage, womit auch das Ministerial Justiz-Département einverstanden seye.

Seine Churfürstliche Durchleucht wollen diese beyde Delinquenten begnadigen, und überlaßen dero Hofrath die Erkennung einer außerordentlichen Straffe.

Vorzeitige Haftentlassung für Joseph Klinger ohne »Carbatsch Streiche«. Anweisung an die Justizstellen, diese Strafe künftig nur bei schweren Verbrechen zu verhängen.

{5r} 13. In einem schriftlichen Gutachten wurden die Gründe vorgetragen, welche dem Joseph Klinger, der wegen einem Diebstahle an Schweinen durch die churfürstliche Regierung in Neuburg auf 3 Jahre mit Carbatsch Streichen beym Ein- und Austritte in das Zuchthauß verurtheilet worden, zur Seite stehen, um die noch übrige Straffzeit nachgelaßen zu erhalten, und von dem Ministerial Justiz-Département mit dem Zusaze hierauf der Antrag gestellet, daß von der Meynung des Referenten, alle Carbatsch Streiche bey dem Ein- und Austritt der Züchtlinge in das Zuchthauß abzustellen, Umgang zu nehmen und den Justiz-Stellen nur aufzugeben wäre, solche nicht so leicht und nur bey schwehren Verbrechen zu dictiren.

Nach Antrag des Ministerial Justiz Départements genehmiget, und sollen dem Joseph Klinger auch die Carbatsch Streiche bey dem Austritte nachgesehen werden.

Der Antrag auf Begnadigung des kranken, wegen Mordes verurteilten Häftlings Michael Gaigl wird abgelehnt.

14. Wegen Kranckheit des für einen an seinem Haußknecht verübten Mordes zur dreyjährigen Zuchthaußstraffe durch die Regierung Landshut verurtheilten Michael Gaigl Bierbräu zu Dorfen, der an Podagra und Chiragra leidet wurde nach Vernehmung der einschlagenden Stellen angetragen, demselben seine noch übrige Straffzeit nachzusehen.

Die Begnadigung solle noch zur Zeit nicht eintretten.

Begnadigung für den zur Todesstrafe verurteilten Johann Hochgärtner. Zuerkennung einer außerordentlichen Strafe.

15. Das, von dem churfürstlichen Hofrathe gegen den Joh. Hochgärtner, der seine Stieftochter M. A. Kaltnerin geschwängeret und deswegen proceßiret worden, gefällte Urtheil auf die gesezliche Straffe des Schwerdes, wurde mit dem Bemerken vor{5v}geleget, daß der churfürstliche Hofrath selbst auf Begnadigung und Belegung mit einer außerordentlichen Straffe antrage, womit auch das Ministerial Justiz-Département nur um so mehr verstanden seye, als demselben der Fall, wo die gesezliche Todesstraffe eintretten könne, gar nicht vorhanden zu seyn scheine.

Seine Churfürstliche Durchleucht wollen die Begnadigung des Inquisiten eintretten laßen, doch solle der churfürstliche Hofrath eine dem Verbrechen angemeßene außerordentliche Straffe erkennen.

[MGeistl] 16. Gegen das Gutachten des Geistlichen Rates werden die durch Tod vakanten Stellen des Abtes von Neustift und der Priorin von Niederviehbach nicht durch die »Wahl anderer Oberen« neu besetzt. »[D]ie neue Wahlen […] sollen noch ausgesezet bleiben«289.

Genehmigung der »Entschließungen« durch den Kurfürsten.

Anmerkungen

281
Dies war die letzte Sitzung der Geheimen Staatskonferenz, an der Herzog Wilhelm teilnahm. Er selbst begründete in seinen unveröffentlichten Memoiren sein Ausscheiden damit, daß er seit einer Meinungsverschiedenheit mit dem Kurfürsten und Montgelas in der Sitzung der Staatskonferenz vom 13. November 1801, als er gegen die Abtretung altbayerischer Gebiete eintrat, »der herrschenden Parthei, die mich mit dem Obscuranten Chef Titel beehrte«, verhaßt gewesen sei. Und er fährt fort: »Daß meine Gegenwart bey solcher Stimmung in den Staats Conferenzen lästig war, ist begreiflich. Als ich aber sah, daß man sich mit geheimen ausserordentlichen Zusammentritten half, wollte ich nicht weiter mit mir spielen lassen, und ersuchte den Churfürsten, die Conferenzen ferner nicht mehr bey mir ansagen zu lassen« (BayHStA Fürstensachen 1314½, »Beyträge zur Biographie von Herzog Wilhelm in Bayern. 1835« [Abschrift; Bleistiftnotiz am Rand von fol. 1r: »Original 1829«], fol. 28r). Andere Quellenzeugnisse legen nahe, den Ausschluß Wilhelms von der Staatskonferenz auf eine Initiative Montgelas’ zurückzuführen, der damit einen Gegner der Klostersäkularisation ausschalten wollte. Montgelas wiederum führte rückblickend die Entfernung Wilhelms auf den Unmut des Kurfürsten zurück, der nach einer erregten Diskussion über die von Wilhelm beanspruchten böhmischen Güter des Hauses Wittelsbach seinen Schwager durch ein Privatschreiben fernerer Dienstleistung bei den Beratungen enthoben habe (Montgelas, Denkwürdigkeiten, S. 68 f.). Er verweist damit auf das auch anderweitig belegte zerrüttete Verhältnis beider Männer. Vgl. die abwägenden Urteile bei Weis, Gutachten, S. 179 – 182; ders., Montgelas Bd. 2, S. 126.
282
Vgl. Nr. 65 (Staatsrat vom 22. September 1802), TOP 3.
283
Vgl. die Bekanntmachung: RegBl. 1802, Sp. 670.
284
Zum Fortgang: Nr. 95 (Staatskonferenz vom 18. März 1803), TOP 8.
285
Zur Biographie des vornehmlich im Rheinland (Textilfabrik Cromford bei Ratingen) tätigen Fabrikanten und Kaufmanns Johann Gottfried Brügelmann (1750 – 1802) vgl. Baum, Brügelmann; Bolenz, Brügelmann.
286
Das Militär-Arbeitshaus in der Münchner Au war mit VO vom 24. September 1799 aufgelöst worden; MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. VII.30, S. 324 f.; vgl. Slawinger, Manufaktur, S. 118 f.; Baumann, Armuth, S. 236 – 241.
287
Vielleicht identisch mit dem gleichnamigen Priester, dem in der Staatskonferenz vom 5. Juni 1800 der weitere Aufenthalt in München bewilligt wurde (Protokolle Bd. 1 Nr. 74, S. 286, TOP 9).
288
Joseph von Schab wurde mit kfstl. Entschließung vom 18. März 1803 vom Akzessisten zum Hofgerichtsrat »mit dem statusmäßigen Gehalte und der Getreidzulage« befördert (RegBl. 1803, Sp. 216).
289
Letzter Abt des Prämonstratenser-Stifts Neustift vor der Säkularisation war Castulus Wohlmuth, letzte Priorin des Augustinerinnen-Klosters Niederviehbach war Josepha Duschl.