BayHStA Staatsrat 382 10 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 16. November 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, [MF:] Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

{1r} 1. Montgelas teilt mit, daß der Kurfürst die Anträge und Entschließungen des Staatsrats vom 3. November 1802 »ohnbedingt« genehmigt hat.

Gewerbeprivilegien im Herzogtum Berg

Schenk legt dar, daß die von der Landesdirektion des Herzogtums Berg verfügte Einziehung einiger spezieller Gewerbeprivilegien nicht ratsam ist. Vielmehr soll abgewartet werden, bis die Landesdirektion den geforderten Bericht über Privilegien, Monopole und Zünfte vorlegt. Ziel ist, das bergische Gewerbe »von allen Hindernissen und Beschränkungen« zu befreien.

2. Nach Ablesung des Vortrages, welcher bei der bergischen Landesdirektion zu Einziehung der dem Commerzianten Christoph {1v} Andreae zu Mühlheim am Rhein, sodann den Kaufleuten Preyers und Petersen zu Kaiserswerth ertheilten Bestättigung ihrer ausschließlichen Seiden- und Sammet-Fabrik Privilegien abgegeben, und worauf von der bergischen Landesdirektion diese Privilegien-Aufhebung auch begutachtet worden, äuserte Herr geheimer Finanz-Referendär von Schenk seine Meinung über diesen Gegenstand dahin: daß, ob schon die wesentliche Veränderungen, so die Verhältnisse der bergischen Fabriken durch die Abtrettung des linken Rheinufers an die französische Republik, erlitten haben, zur Nothwendigkeit mache, die Befreiung des bergischen Kunstfleißes von allen Hindernissen und Beschränkungen zu bewerkstelligen, um die freie Ausübung desselben im Innern des Landes nicht zu hemmen, es doch nicht räthlich scheine, mit Aufhebung dieser Privilegien im einzelnen und vorzüglich jenes des erwehnten Andreae, wobei nach einer von diesem übergebenen besonderen Vorstellung besondere Rücksichten eintretten, vorzufahren, und er glaube vielmehr, {2r} daß bis der von der bergischen Landesdirektion schon im vorigen Jahre erfoderte Bericht376, über sämtliche gemeinschädliche Privilegien, Monopolien und Zünfte des Herzogthums Berg, worüber der Haupt-Vortrag schon verfasset seyn solle, eingekommen seyn wird, der Gegenstand des Andreaeischen Privilegii beruhen könne.

Herr von Schenk legte dem Staatsrathe einen nach dieser Ansicht verfaßten Reskripts-Entwurf zur Genehmigung vor, und bemerkte, daß die von dem Fabrikanten Christoph Andreae übergebene weitere Vorstellung mit diesem Reskript nach Düßeldorf gesendet werden könnte.

Der Staatsrath genehmigte diesen Reskripts-Entwurf, der abgelesen wurde.

Dem Referendär im Ruhestand Utzschneider wird für seine Ledermanufaktur ein Waldanteil in Grünwald zur Anpflanzung einer Schälwaldung überlassen. Ein entsprechender Waldanteil soll auf Antrag auch anderen Manufakturunternehmern überlassen werden.

Das Reskript wird vom Kurfürsten nicht bestätigt (s. unten).

3. Herr geheimer Referendär Frhr. v. Hartmann las einen Reskripts-Entwurf ab, den er auf das Gesuch des quiescirenden geheimen Referendärs Utzschneider um Überlassung eines Waldantheiles in Grünwald zu Anpflanzung einer Schälwaldung für seine Ledermanufactur verfaßet, und worin alle Bestimmungen und Bedingnisse punktenweise {2v} bemerket sind, unter welchen dieses Gesuch, welches auch die General Landesdirektion in ihrem erstatteten Bericht einstimmig begutachtet, willfahret, hiemit auch die Versicherung verbunden werden dürfte, daß diese aus speciellen Anlaße hervorgehende Bewilligung auch anderen, diesem Zweige sich widmenden Manufaktur-Unternehmungen als eine ihren Fundirungs- und Sicherheits-Mitteln angemessene Unterstützung dieser Art, auf vorgängige Vernehmung der einschlagenden Behörden, verliehen werden sollte.

Unter den abgelesenen Bedingungen und Verbindlichkeiten wurde dieser Reskripts-Entwurf genehmigt.

Kurfürstliche Entschließung dazu (16. November 1802):

Betreffend {5v} »die Überlaßung des Waldantheils in Grünwald [… soll] in der nächsten Staats Conferenz näherer Vortrag erstattet werden«377.

Vortrag Stengels über die Verbindlichkeit von Verträgen, die Kurfürst Karl Theodor abgeschlossen hat. Anlaß ist ein Vergleich über die Wasserleitung nach Mannheim, den Stengel als rechtlich bindend ansieht. Der Staatsrat schließt sich dieser Ansicht nicht an, sondern verweist den Fall in die Verfügungskompetenz der rheinpfälzischen Landesstellen.

4. Über die Frage: ob Seine Churfürstliche Durchlaucht zu dem Vergleiche rechtlich verbunden seyen, welcher unter dem höchstseeligen Churvorfahrer mit dem rheinpfälzischen geistlichen Administrationsrath und k. k. Obersten v. Traiteur wegen der Wasserleitung nach Mannheim am 22. März 1798 abgeschlossen, und den 7. Jänner 1799 genehmigt {3r} worden? – erstattete Herr geheimer Justiz-Referendär Frhr. von Stengel schriftlichen Vortrag. Er legte darin den geschichtlichen Hergang dieser Wasserleitung vor, las den deswegen geschloßenen Contract und die nachher eingegangene Vergleiche ganz ab, und zeigte durch welche Hinderniße die Ausführung dieses Werkes gehemmet worden, und welche Foderungen der tit. von Traiteur daraus hergeleitet.

Frhr. von Stengel führte an, daß das rheinpfälzische General Landeskommissariat nach reiflicher Untersuchung der actenmäsig vorliegenden Umstände per unanimia die Frage bejahend entschieden, daß Seine itzt regierende Churfürstliche Durchlaucht an den letzten mit tit. von Traiteur am 22. März 1798 abgeschlossenen Vergleich rechtlich gebunden, und äuserte, wie er auch dieser Meinung beitrette, weil die von dem höchstseel. Churfürsten erfolgte Bestättigung des befraglichen Vergleiches eine wahre vollkommene Regentenhandlung gewesen seye.

Von dieser Ansicht geleitet, stelle er seinen Antrag dahin: Seine Churfürstliche Durchlaucht mögten in einem Reskripte an das rheinpfälzische General Landeskommissariat die {3v} Verbindlichkeit des rheinpfälzischen Staates zu Erfüllung des mit dem v. Traiteur am 22. März 1798 abgeschlossenen, und vom höchstseeligen Chur-Regenten am 7. Januar 1799 bestättigten Vergleichs anerkennen, und zu dessen Erfüllung die geeignete Weisung ertheilen.

Wegen den, in den gegenwärtigen Verhältnissen daraus gezogen werden könnenden Folgen stimmte der Staatsrath diesem Antrag nicht bei, sondern faßte den Beschluß: dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat in einem Reskripte erklären zu lassen, Seine Churfürstliche Durchlaucht hätten Sich über den Vergleich mit dem v. Traiteur und das ganze Wasserleitungs-Geschäft in Dero Staatsrath Vortrag erstatten lassen und sich dadurch überzeugt, daß dieser unter der vorigen Regierung schon ganz vollendete Gegenstand lediglich den rheinpfälzischen Landesstellen zur geeigneten Verfüg- und {4r} Beendigung zu zuweisen seye, indem dessen frühere Berichtigung in den vordern Jahren nur durch die damaligen Kriegs-Verhältnisse und Lage der pfälzischen Kassen aufgehalten und verschoben worden.

Der durch einen Brand schwer geschädigte Pfarrer Eibel (Zorneding) darf – diskret und ohne öffentlichen Aufruf – eine Kollekte unter seinen Amtskollegen veranstalten. Die Erlaubnis gilt nur ausnahmsweise, weil sie dem Grundsatz widerspricht, welcher der Gründung der Brandversicherungsgesellschaft zugrundelag.

5. Herr geheimer Referendär von Branca schilderte in einem schriftlichen Vortrage die unglückliche Lage, worin der Pfarrer Eibel zu Zorneding, der durch eine Feuersbrunst sein Pfarrhaus, die dazu gehörigen Ökonomie-Gebäude, seinen Getraid- und Heu-Vorrath, dann alle seine Haus- und Baumanns-Fahrnisse verlohren, sich befinde, und zeigte daß dessen Gesuch, ihme eine Sammlung bei der präbendirten Geistlichkeit der Hochstifter Freising und Regensburg zu Steuerung seiner dringenden Bedürfnisse zu bewilligen von seiten des Subjekts nichts entgegen stehe, da auch keine andere Hilfsquellen für den Pfarrer angegeben werden können.

Eine andere Frage seye aber, ob von seiten der bestehenden Polizeigesetzen, der vorliegenden Bitte keine Hindernisse sich entgegen stellen, und ob nach errichteter {4v} Feuer-Assecuranzgesellschaft, Brandsammlungen überhaupt noch bewilliget werden können378?

Bei Beantwortung dieser Frage führte Herr geheimer Referendär von Branca alle Gründe an, die dafür und dagegen sprechen, und äuserte, wie die letztere ihm in dem vorliegenden Falle so überwiegend scheinen, daß er folgenden Antrag hierauf gründe, womit auch das geistliche Ministerial Departement einverstanden seye: Es dürfte dem Pfarrer Eibel zu Zorneding die Bewilligung zu ertheilen seyn, durch Umlaufschreiben bei der befragten Geistlichkeit einen Beitrag zum Ersatz seiner durch Brand verlohrnen Mobiliarschaft zu sammeln, und zugleich dürfte zu gestatten seyn, daß diese Bewilligung dem Regierungsblatt eingerücket werde.

Der Staatsrath stimmte diesem Antrage des geistlichen Ministerial Departements nicht bei, weil dieser den bei Einrichtung der Brand-Assecuranz-Anstalt angenommenen {5r} Grundsätzen zuwider laufe und zu mehreren ähnlichen Gesuchen Anlaß geben würde. Um jedoch dem Pfarrer Eibel, der so beträchtlich gelitten, eine weitere Unterstützung als ihm die Brand-Assecuranz-Anstalt leiste, zufließen zulassen, wolle ihm der Staatsrath überlassen, mit einem gerichtlichen Attestat über seinen Schaden zu versuchen, was er unter der Hand ohne öfentlichen Aufruf von seinen geistlichen Collegen als Beitrag erhalten könne.

Vorlage der Entschließungen beim Kurfürsten und Genehmigung mit Ausnahme von TOP 3.

Anmerkungen

376
Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 128, S. 457 f. (Staatsrat vom 4. November 1801), TOP 9.
377
In der Staatskonferenz vom 27. November 1802 (Nr. 75) wurde dieser Punkt ausweislich des Protokolls nicht erwähnt. – Vgl. Nr. 99 (Staatsrat vom 6. April 1803), TOP 6.
378
Ein Grund zur Errichtung der »Brandversicherungsgesellschaft« zum 1. Januar 1800 war, »künftig das Publikum vor allen alsdann überhaupt verbothenen Brandkollekten zu verwahren«. Der Beitritt zur Gesellschaft war zwar freiwillig, doch hatten Nichtmitglieder fortan kein Recht mehr, bei erlittenem Brandschaden ein »Sammlungspatent« zu erhalten, um eine Kollekte zu veranstalten (VO betr. die »Errichtung der Brandversicherungsgesellschaft« vom 17. September 1799, MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. V.22, S. 228 – 235, Zitate S. 228 [Präambel], S. 229, § 1; VO im Auszug gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 134, S. 671 – 680).