BayHStA Staatsrat 382 10 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 18. Dezember 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, [MF:] Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

Die Entschließung bezüglich der Sequestration der Pfarrverwaltung zu Nabburg bleibt gültig. Das Ministerialdepartement der auswärtigen Angelegenheiten erhält einen den kurbayerischen Standpunkt erläuternden Text, der dem Reichstagsgesandten Aloys Franz Xaver von Rechberg übergeben werden soll.

{2r} 1. Herr geheimer Rath Frhr. v. Löwenthal erstattete wegen den älteren Verhältnißen der unter der Administration des Domkapitels zu Regensburg bisher gestandenen Nabburgischen Pfarrei Verwaltung, welche nach dem von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht genehmigten vorderen Staatsrathsschlusse402 sequestrirt worden, und den, von dem Domkapitel in Regensburg gegen dieses Verfahren wiederholt angebrachten von dem Frhr. von Albini in einer eignen Schrift unterstützten Beschwerden, schriftlichen Vortrag, wohin derselbe alle in diesen Gegenvorstellungen des Domkapitels enthaltene Hauptpunkten aushob, die hiegegen streitende {2v} Gründe anführte, darlegte, was der churbaierische Gesandte Frhr. v. Rechberg, der die Vorstellung des Frhrn. von Albini einbegleitet, über diesen Gegenstand geäusert, und nach Auseinandersetzung der bei dieser Sequestration eintrettenden Verhältnisse der Reichs-Deputation die Meinung ablegte, ohne Rücksicht auf die Beschwerde des Domkapitels und des Frhrn. von Albini, in dem angetretenen vest gegründeten Wege fortzugehen, und auf diesen Falle letzterem durch den Frhrn. von Rechberg die wahren Verhältnisse der Nabburgischen Pfarrei-Verwaltung gegen Baiern in ihrem wahren Lichte darstellen zu lassen, wodurch derselbe wahrscheinlich auf eine andere Meinung geführt werden wird.

Sollten aber Seine Churfürstliche Durchlaucht dem Postulat des Domkapitels, und dem Ansinnen des Frhrn. v. Albini nachgeben und die Nabburgische Verwaltung zurück stellen wollen, dann seye die Registratur dem weitern Plagium des Domkapitels ausgesetzt, die Competenz der Pfarreien der Willkühr ihrer geistlichen Oberhirten preiß gegeben, nicht einmal der Beschwerde des Nabburgischen Pfarr-Vikars, der über Mangel eines weiter erfoderlichen Priesters und Lehrers klagt, abgeholfen; das Bedürfniß der Pfarrgemeinden würde unbefriediget bleiben, und die landesfürstlichen Vorrechte auf die eigne Pfarrer würden erstummen müssen. Doch müsse er Referent der höhern Politik überlassen, über {3r} die aufgestellte Frage nach den vorgelegten Verhältnissen zu entscheiden.

Nach gehaltener Umfrage wurde von dem Staatsrathe aus den vorgetragenen überwiegenden Gründen beschlossen, es bei der von dem Staatsrathe rücksichtlich dieses Gegenstandes schon genommenen und von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht bestättigten vordern Entschließung zu belassen, und auf dem angetretenen Wege fortzufahren, zugleich aber dem Ministerial Departement der auswärtigen Angelegenheiten eine gedrängte Darlegung der, das diesseitige Verfahren unterstützenden Gründe zustellen zu lassen, damit dasselbe solche dem churfürstlichen Minister am Reichstage Frhrn. von Rechberg mittheilen könne, um dem Frhrn. v. Albini die vorliegenden Verhältnisse nach dem wahren Gesichtspunkte vorlegen und dessen Beschwerde hiernach beantworten zu können403.

Säkularisation des Klosters Waldsassen

Zentner formuliert nähere, vom Staatsrat akzeptierte Regelungen zur Aufhebung des Klosters Waldsassen, das im »Entschädigungs-Plan« dem Kurfürsten als ein »Entschädigungs-Object« zugewiesen wird. Das Kloster bildet fortan einen Teil des oberpfälzischen Kameralvermögens und wird entsprechend verwaltet.

2. Im schriftlichen Vortrage legte Herr geheimer Rath von Zentner die Bestimmung vor, welche mit dem Kloster Waldsassen, das anfänglich wegen seinen {3v} besonderen Verhältnissen nicht aufgehoben, sondern zu einer Abgabe der Hälfte seines reinen Vermögens angehalten werden sollte404, nach dem nun erfolgten Entschädigungs-Plane, worin dieses Kloster Seiner Churfürstlichen Durchlaucht als ein Entschädigungs-Object angewiesen wird405, getroffen werden müsse, da Seine Churfürstl. Durchlaucht nun ungebundene Hände hätten über diese Abthei zum Vortheil Ihres Aerariums zu disponiren, und alle seine Besitzungen und Einkünfte mit Ihrem Cameral-Vermögen zu vereinigen.

Bei Beurtheilung der Verfügungen, welche nach dieser Ansicht einzuleiten, seye es nothwendig den von dem geschickten und fleißigen oberpfälzischen Landesdirektionsrath v. Gropper mit vieler Genauigkeit in 15 Acten-Bänden hergestellten Personal- und Realstand des Klosters vorzulegen und zu zeigen, welch ein weitläufiges, fast ein kleines Fürstenthum bildendes Territorium dasselbe besitze, welche Einkünfte davon gezogen, und welche Ausgaben daraus bestritten worden.

Nachdeme Herr geheimer Rath von Zentner diese Data vorgetragen, und einige Erinnerungen der Kloster-Geistlichen über die bisherige Haushaltung vorgelesen hatte, machte er folgende Anträge:

1.) Seine Churfürstliche Durchlaucht beschließen, daß die Abtei Waldsassen als ein durch den Entschädigungs-Plan Ihnen zugewiesenes Entschädigungs-Object, dem oberpfälzischen Cameral-Vermögen incorporirt, und in Zukunft auf gleiche Art und nach gleichen Grundsätzen, wie {4r} dieses, verwaltet werden solle. Zu dem Ende

2.) seye der oberpfälzischen Landesdirektion aufzutragen, durch den bisherigen Kommissär von Gropper, wenn derselbe nicht durch andere dringende Grenz-Berichtigungsgeschäfte behindert, von dieser Abtei im Namen Seiner Churfürstlichen Durchlaucht als eine Cameralherrschaft förmlichen Besitz nehmen zu lassen; dieses

3.) dem Abte und versammelten Convent bekannt zu machen, sämtliche Beamte und Dienerschaft ihrer Pflichten gegen das Stift zu entlassen, und in die churfürstliche Pflicht provisorisch zu nehmen.

4.) Alle Besitzungen und Einkünfte der Abtei in churfürstliche Administration zu übernehmen, sämmtlichen Beamten, Unterthanen, Zins-Lehn-Leuten und Debitoren auf das nachdrücklichste zu untersagen, nicht ferner etwas an das Kloster zu bezahlen oder zu liefern, besonders wäre den Förstern aller fernere Holzhieb und Holzabgabe zu verbieten, die nicht zur Fortsetzung der bisherigen Administration und Bestreitung der Servituten absolute nothwendig seye, und von dem unter der Leitung der Landesdirektion stehenden Forstamte angewiesen wurde.

5.) Allen baaren Geldvorrath in sämtlichen Kassen, so wie die übrigen Material-Vorräthe in Besitz und Verwaltung des Ärariums zu nehmen und einem mit Berathung des v. Gropper anzuordnenden einsweiligen Cameral-Administrator zu extradiren.

6.) Dem Prälaten nur soviel an Geld und sonstigen {4v} Vorräthen gegen genaue Rechnung zu überlassen, als zur Fortführung der Hauswirtschaft erfoderlich seye.

7.) Diese Verfügung auch an die auswärtige Verwalter, Unterthanen und Lehenleute mit gehöriger Vorsicht zu insinuiren.

8.) Das schon bereits verfertigte Inventarium seye in denjenigen Rubriken, welche noch nicht vollständig eingetragen, zu ergänzen.

9.) Wäre ein schleuniges Gutachten abzufodern: a. Wie das stiftische Gebiet sowohl in Rücksicht der Justiz-Polizei- und Cameral-Administration nach dem Beispiele anderer Gerichte zweckmäsig einzutheilen seye? b. Wie die bisher geführte schlechte Administrationsart mit Rücksicht auf die schon gemachte Vorschläge, besonders in Ansehung des Bräuhauses, zu verbessern, und welche Verbesserungen gleich ausgeführet werden können?

10.) Die entbehrliche Dienerschaft, welche keine Pensions-Ansprüche hat, sogleich mit Rücksicht auf die Aufkündigungszeit und ihre Dienst-Contracte zu entlassen, und wegen den übrigen ein Gutachten zu erstatten, welche davon anzustellen, und welche mit Pension in die Quiescenz zu versetzen.

11.) Bei Ausscheidung der ständigen Lasten {5r} seye für die Regulierung der Pfarr-Competenzen, dann für die Competenz zum Schulfond zu sorgen.

12.) Die Pfarreien seyen vorzüglich mit den gesittesten und fähigsten Kloster-Geistlichen zu besetzen; die dermal darauf exponirten sollen, ehe sie bestättiget werden, von der Kommission mit Beiziehung einiger Professoren von Amberg geprüfet, und die untauglichen durch würdigere ersetzet werden.

13.) In Rücksicht der den Religiosen auszusetzenden Pensionen, könne man nach dem Deputationsschluße406 und dem Vermögen des Klosters Waldsaßen, dem Abten kaum weniger aussetzen als 3000 fl. Geld und freie Wohnung; jedem der Patrum 400 fl. nebst Wohnung und Genuß eines Gartens; den Clericis professis jedem 300 fl. zu Fortsetzung ihrer Studien, die sie noch nicht vollendet, bis zu ihrer Versorgung, welches auch bei den austrettenden Patribus in der Maas statt haben solle, daß den als Pfarrern angestellten die Pension eingezogen, den übrigen aber, die nur als Cooperatoren gebraucht werden, bei ihrer Expositur um 100 fl. vermindert werden sollen. Jedem der Laienbrüder seyen 200 fl. zu bestimmen, und den in Amberg bei der Wallfahrt Exponirten, einem jeden 100 fl. zu zulegen.

14.) Der Klosterkommission wäre auf ihren Bericht zu erwiedern, daß nach den eingetretenen neuen Verhältnissen mit dem {5v} Stifte Waldsassen sie sich nicht weiter damit zu befaßen, sondern alle ihre Acten an die oberpfälzische Landesdirektion abzuliefern habe.

15.) Wären auch dieser letzten Stelle die gegenwärtigen Acten zur Vollziehung der bemerkten Beschlüße mit dem Beisatze zu remittiren, darüber ihren Bericht an das gesammte Ministerium in Klostersachen zu erstatten; wobei ihr auch aufzugeben, auf den ihr zugefertigt werdenden Bericht des Kommissärs wegen Anstellung und Regulirung eines ersten Gehaltes für den Arzt Merkel die geeignete Rücksicht zu nehmen und in ihrem Berichte sich auch hierüber gutachtlich zu äusern.

16.) Wäre das Erforderliche seiner Zeit nach erhaltenem diesen Bericht an die geeignete Departements, vorzüglich an das Finanz-Justiz und geistliche Departement zu einer allenfallsigen gemeinschaftlichen Behandlung dieser Gegenstände abzugeben.

Sämtlich diese Anträge wurden nach gehaltener Umfrage von dem Staatsrathe genehmiget, und dabei beschloßen: die provisorische Administration des Stiftes Waldsaßen per modum Commissionis dem geistlichen Gefäll-Verwalter zu Velburg Haubner zu übertragen.

Kurfürstliche Entschließung dazu (18. Dezember 1802):

{6r} Bey No 2 ad § XIII wegen der Pension des Abtes und der übrigen Geistlichen verordne Ich, daß hierüber noch nichts bestimmet, sondern dem nach Waldsaßen abgehenden Commissär aufgetragen werden solle, über die Pensionen dieser Geistlichen mit denselben zuvor zu unterhandlen, hiebey auf die möglichste Ersparnüß, zugleich aber auch auf die Bedürfniße eines jeden {6v} Rücksicht zu nehmen und den Erfolg zur Genehmigung vorzulegen.

Alle übrige auf Waldsaßen Bezug habende Anträge, so wie auch die Ernennung des tit. Haubner zum Cameral-Administrator in der vorgeschlagenen Art genehmige Ich […].

Kriegskostenentschädigung für den Handelsmann Westheimer.

{6r} 3. Herr geheimer Finanz-Referendär v. Schenk legte wegen den von dem Negozianten Westheimer bei Anwesenheit der französischen Truppen geleisteten Vorschüßen und dafür zu berechnenden Interessen einen Reskripts-Entwurf an die gemeinschaftliche Kriegskösten-Vorschußkommission vor, wodurch eine nähere Untersuchung des Zeitpunktes, von wann diese Interesse gefodert werden können, anbefohlen wird, um dann wegen derselben Bezahlung an die geeignete Kasse das Weitere verfügen zu können.

Dieser Reskripts-Entwurf wurde von dem Staatsrathe genehmigt407.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Änderungen zu TOP 2.

Anmerkungen

402
Vgl. Nr. 53 (Staatsrat vom 22. Juli 1802), TOP 1.
403
Zum Fortgang: Nr. 90 (Staatsrat vom 16. Februar 1803), TOP 1.
404
Diese Bestimmung geht auf die Formulierung in der Instruktion vom 25. Januar 1802 zurück, mit der die am selben Tag geschaffene »Spezialkommission in Klostersachen« u.a. Anweisungen zur Aufhebung der Abteien der Oberpfalz erhielt. Während diese als Staatseigentum angesehen wurden und aufgelöst werden sollten, war das gleiche Vorgehen bei Waldsassen »wegen seinen besonderen Verhältnissen« nicht möglich. Die besonderen Verhältnisse konkretisierten sich gegen Ende des Jahres 1802, als der Kaiser der Abtei die Reichsunmittelbarkeit bestätigte. Die eigentlich geheim gehaltene Instruktion vom 25. Januar 1802 (BayHStA Staatsverwaltung 497; Abdruck nach einem anderen Archivale bei Arndt-Baerend, Klostersäkularisation, S. 350 – 355) war schon Mitte April 1802 – so Montgelas in einem Bericht an den Kurfürsten (Weis, Gutachten, S. 195) – »pflichtwidrig in allen öffentlichen Blättern bekannt gemacht worden« (vgl. z. B. Häberlin, Staats-Archiv Bd. 8, S. 111 – 121, die entsprechende Passage S. 117 f.). Vgl. Weis, Montgelas und die Säkularisation, S. 176 f. mit Anm. 55; Müller, Säkularisation, S. 37 f.; Acht, Geschichte, S. 68 – 70; Dobmann, Zentner, S. 48 f.; Binhack, Geschichte, S. 8 – 14.
405
In den Verhandlungen, die zum Reichsdeputationshauptschluß (RDH) vom 25. Februar 1803 führten, wurde dem Kurfürsten von Pfalz-Bayern u. a. die Abtei Waldsassen zugesprochen (RDH vom 25. Februar 1803, § 2: Protokoll der ausserordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Bd. 2, S. 841 – 934, hier S. 851 = Huber [Hg.], Dokumente Bd. 1, Nr. 1, S. 1 – 26, hier S. 2).
406
Der Reichsdeputationshauptschluß regelte in den Paragraphen 51 bis 57 Unterhalt und Einkommen der Religiosen (RDH vom 25. Februar 1803: Protokoll der ausserordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Bd. 2, S. 841 – 934, hier S. 916 – 919 = Huber [Hg.], Dokumente Bd. 1, Nr. 1, S. 1 – 26, hier S. 18 f.).
407
Vgl. kfstl. Reskript an Kriegskostenvorschuß-Kommission, 18. Dezember 1802, BayHStA Staatsverwaltung 497.