BayHStA Staatsrat 383 10 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 15. Januar 1803.

Anwesend: Montgelas, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Arco, [MF:] Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

Landtag im Herzogtum Berg

Vortrag Schenks über die geplante Verhandlungsführung auf dem für den 1. Februar 1803 ausgeschriebenen Landtag im Herzogtum Berg. Der Staatsrat beschließt, den Generalkommissar v. Hompesch anzuweisen, die Huldigung der Landstände und die Bestätigung des hergebrachten Rezesses zu umgehen, gleichzeitig aber in die Verhandlung der üblichen Landtagsgegenstände einzutreten. Als Alternative wird ein weiterer Plan formuliert.

{2r} 1. Herr geheimer Finanz-Referendär v. Schenk eröfnete dem Staatsrathe, wie bei dem auf den 1. Hornung d. J. im Herzogthume Berg ausgeschriebenen Landtage einer der ersten Gegenstände seyn werde, daß die Landstände die Huldigung zu leisten sich anerbieten, dagegen aber die landesfürstliche Bestättigung der denselben von den älteren Herzogen in Gülich und Berg schon ertheilten Privilegien und Gerechtigkeiten sowol des Herzogthums Berg {2v} insgemein, als der Landstände insbesondere nach Inhalt des mit erwehnten Landständen errichteten, und von kaiserl. Maj. bestättigten Haupt- und Declarations-Receßes467, dann Ausstellung der von jedem Landesherrn gegebenen Reversalien nachsuchen, und ohne diese erhalten zu haben, sich auf keine weitere Unterhandlung einlassen würden.

Dieser Haupt- und Declarations-Rezeß enthalte mehrere Punkte welche den Absichten der Regierung in dem Herzogthum Berg, mehrere das Wohl der Unterthanen bezweckende Einrichtungen zu trefen, Hindernisse entgegen stellen können, und es entstehe daher die Frage: ob die unbedingte Bestättigung dieses Rezeßes mit allen diesen Punkten, die Herr von Schenk ablas, und die Ausfertigung des Reversale nach dem von den Landtagskommissarien eingesendeten Entwurfe politisch räthlich seye? – weil vorauszusehen wäre, daß bei dessen Verweigerung die Landstände alle Unterhandlungen wo nicht abbrechen, doch sehr in die Länge ziehen würden, welches vorzüglich wegen Übernahm der durch den Krieg her{3r}rührenden Schulden üble Folgen nach sich ziehen könnte.

Auf der andern Seite seye nicht zuverkennen, daß die Bestättigung des Rezeßes den wohlthätigen Absichten der Regierung besonders in Rücksicht der Steuer-Pärequation einige Hindernisse entgegen stellen könne, und es bei dieser Lage, und wo ein förmlicher Bruch mit den Landständen nicht ohne die gehörige Vorbereitung, die größte Vestigkeit und Muth von der Regierung gewagt werden dörfte, äuserst schwer seye, ohne diesen Gegenstand ganz zu erschöpfen, einen ersten Schluß zu faßen.

Aus dieser Ursache zergliederte Herr geheimer Finanz-Referendär von Schenk in einem mündlichen Vortrage alle Gründe, so dafür und dagegen sprechen, las die eine Abänderung leidende Stellen des Rezeßes vor, und machte dann den Antrag: dem Generalkommissär Frhr. v. Hompesch den Auftrag zu geben, sich zu bemühen, daß bei Eröfnung des Landtages sowol die Huldigung als die Bestättigung des Receßes umgangen werden könne; Sollte dieses aber nicht zu erreichen seyn, die herkömmlichen Reversales den Landständen zu ertheilen.

{3v} Der Regierung bleibe dennoch übrig, auf andere Wege ihre Zwecke zu erreichen, wozu bereits schon viele Schritte geschehen, und man umgehe alle unangenehme Auftritte mit den Landständen, die weit und zu bedenklichen Ereignißen führen könnten.

Nach reiflicher Erwägung der von dem Herrn Referenten angegebenen Gründe und Gegengründe, und nach gehaltener Umfrage wurde in dem Staatsrathe beschloßen:

Seiner Churfürstlichen Durchlaucht einzurathen, dem Generalkommissär Frhr. von Hompesch den gemessenen Befehl zu ertheilen, durch zu treffende Einleitungen und Hinweisung der Landstände auf die bei dem Regierungs-Antritt Seiner Churfürstlichen Durchlaucht wegen den Privilegien überhaupt gegebene Erklärung468 zu bewirken, daß die Huldigung und Bestättigung des Rezeßes umgangen, und die Landtags-Gegenstände nach seiner Instruction dessen ungeachtet {4r} fortgesetzet und behandelt werden; auf den Fall aber daß dieses nicht zu erreichen wäre, habe er Frhr. von Hompesch die Huldigung der Landstände anzunehmen und ihnen zu erklären, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht den erwehnten Rezeß als Fundamentalgesetz des Herzogthums Berg zwar bestättigten und das darnach eingerichtete Reversale hätten ausfertigen lassen: rücksichtlich einiger in dem Rezeße enthaltenen, mit den gegenwärtigen Verhältnissen und den für das Wohl der bergischen Landstände und Unterthanen von der Regierung gehegt werdenden Absichten nicht mehr übereinstimmender Punkten aber sich vorbehielten, Ihre nähere Eröfnung der landständischen Versammlung zur reifen Erwäg- und Berathung offen und ohne Rückhalt vorlegen zu lassen, wozu er Generalkommissär bereits beauftragt seye, sich sohin mit denselben über deren Ausführung {4v} und Anwendung auf das Herzogthum Berg zu vereinigen.

Kurfürstliche Entschließung dazu (15. Januar 1803): Gemäß dem Antrag des Staatsrats sollen die Huldigung und die Bestätigung der Privilegien möglichst umgangen werden. Wenn dies nicht möglich ist, soll nach Möglichkeit über diejenigen Punkte des Rezesses verhandelt werden, die nicht zu den neuen Regierungsgrundsätzen passen und deswegen geändert werden können.

{6r} Ich genehmige, daß nach dem Antrage des Staats Rathes durch den General Commissär Frhr. von Hompesch der Versuch gemachet werde, bey dem bergischen Landtage die Huldigung und die Bestättigung der Privilegien zu umgehen; für den Falle aber, daß dieses nicht zu erreichen, sollen ohnverzüglich durch das Ministerial Département der auswärtigen Geschäfften die zu bestättigende Receße mit aller Genauigkeit durchgangen und jene Punckte herausgehoben und bearbeitet werden, welche in die gegenwärtige Umstände und Regierungs Grundsäze nicht mehr paßen und deswegen zu einer Abänderung {6v} geeignet sind. Diese Punckte sollen genau auseinander gesezet, in einen ordentlichen Entwurf zußammengetragen und dem General Commissär Frhr. v. Hompesch mit dem Auftrage zugefertiget werden, die landesfürstliche Bestättigung der Privilegien und das gewöhnliche Reversale den bergischen Landständen zwar zu ertheilen, dabey aber denenselben die ausgehobene Punckte als churfürstliche landesvätterliche, die Wohlfahrt des Landes bezwekende Bemerkungen vorzutragen, zu ihren Acten zu legen, und wenn es ohne auffallende, das Postulat nicht verzögernde Schwierigkeiten geschehen kann, mit ihnen die erforderliche Unterhandlungen deswegen einzuleiten; Sollten sich aber hiebey zu viele Schwierigkeiten zeigen, so habe er Frhr. von Hompesch diesen Gegenstand auf weitere Verhandlungen bey einem künftigen Landtage auszusezen und für den gegenwärtigen zu umgehen.

Ich wünsche, daß die Bearbeitung dieser Punckte, wo möglich, so beschleuniget werde, daß deswegen der auf den 1. des künftigen Monaths zußammenberufene bergische Landtag nicht gehinderet oder weiter hinaus verschoben werden müße469.

Der Staatsrat gestattet Friedrich Wilhelm Fries, Mineralwasser herzustellen und mautfrei zu exportieren. Seinem weitergehenden, von der Generallandesdirektion unterstützten Antrag wird nicht entsprochen.

2. Auf die, durch einen Bericht der General Landesdirektion unterstützte Bitte des Fried. Wilhelm Fries, der künstliches Mineralwaßer alhier fabriciren will, um Ertheilung eines ausschlüßlichen Privilegii, Verbote der Einfuhr ähnlicher durch Kunst erzeugter Producte, und Mautfreiheit für die einzuführende Ingredienzien, äuserte Herr Geheimer Justiz-Referendär von Stichaner, wie weder das Ministerial Finanz- noch Justizdepartement, welche sich miteinander benommen, auf Willfahrung dieser Bitte antragen könnten, da solche gegen alle von der Regierung angenommene staatswirthschaftliche Grundsätze anstoßen, und jeden andern Unternehmer zurück weißen würde.

Das Ministerial Justizdepartement glaube deswegen, daß mit Umgehung all dieser neueren Gesuche dem Fried. Wilhelm Fries gestattet werden könnte, unter genauer Polizei-Aufsicht künstliche Mineralwasser zu verfertigen und ihm die mautfreie Ausfuhr der{5r}selben zu bewilligen.

Nach Antrag genehmigt.

Stichaner unterstützt das Gesuch des Rates bei der Generallandesdirektion Franz Xaver Ritter, der auf eine geringer besoldete Stelle als Kommissar des Magistrats der Stadt München wechseln soll, sein Gehalt zu erhöhen. Der Staatsrat folgt dem Antrag aufgrund der Finanzlage nicht, stellt aber für später eine Gratifikation in Aussicht und stellt Ritter den Stellenantritt unter diesen Bedingungen frei. Das Gesuch des Regierungsrates Joseph Anton Edler von Röckel um Gehaltszulage wird abgewiesen.

3. Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner legte dem Staatsrathe die Bitte des General Landesdirektionsrath Ritter um ihm bei dem Antritt der Kommissärstelle bei dem Magistrat, den Rücktritt in die General Landesdirektion vorzubehalten und ihm zum Ersatze der ihm entgehenden Kommissions-Diäten eine Gehalts-Zulage zu bewilligen, mit der Äußerung vor: daß mit Umgehung der ersten Bitte dem tit. Ritter eine Zulage von 300 fl. zu bewilligen wäre, weil er einer der vorzüglichsten Räthe seye und durch die aus besonderem Zutrauen ihm übertragene Kommissärstelle ihm einen Theil seines bisherigen Einkommens schmälere.

Nach gehaltener Umfrage im Staatsrathe wurde beschlossen, dem tit. Ritter eröffnen zu lassen, daß die gegenwärtige Lage der Finanzen nicht erlaube, ihm eine Gehalts-Zulage zu bewilligen, Seine Churfürstliche Durchlaucht jedoch gnädigst gewillet seyen, {5v} ihme nach beendigtem Geschäfte, und wenn er solches nach der höchsten Erwartung vollendet haben werde, eine verhältnismäßige Gratification als Belohnung zu ertheilen, Höchstsie überliesen aber dem tit. Ritter ob er auf diese Art die Kommissärstelle antretten, oder als Landesdirektionsrath noch ferner dienen wolle.

Nach diesem Schluße des Staatsrathes äuserte Herr von Stichaner, wie es überflüßig seyn würde, von einer durch den als Kommissär in Landshut bleibenden Regierungsrath Röckel übergebene Vorstellung um Gehalts-Zulage Erwehnung zu machen, da die nämlichen Gründe wie bei dem tit. Ritter ihm entgegen, und weniger Verdienste für ihn sprechen; Er glaube daß dieses Gesuch beruhen könne.

Das Gesuch des tit. Rockel solle beruhen.

4. Vortrag Stichaners: Er setzt »seinen in dem letzten Staatsrathe {6r} wegen der Bombardischen Verlassenschafts-Sache angefangenen Vortrag fort470, wiederholte die Resultate des schon vorgelegten 1. Theiles dieses Gegenstandes, und zergliederte das Prinz Grienbergische Rechnungswesen von den Jahren 1736 bis 1749«. Da wegen der »vorgerückte[n] Mittagszeit« der Vortrag nicht beendet werden kann, wird die Fortsetzung auf den nächsten Staatsrat vertagt »und inzwischen beschloßen: vorstehende Anträge und Entschließungen Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur höchsten Bestättigung unterthänigst vorzulegen«.

Genehmigung der übrigen Entschließungen und Anträge durch den Kurfürsten.

Anmerkungen

467
Gemeint sind die Rezesse von 1672 (Separatdruck: Haupt-Reces/ In welchem Von dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn/ Herrn Philipp Wilhelmen/ Pfaltzgraffen bey Rhein […] Dem Corpori versambleter Gülich- und Bergischer Landständen […] Durchl. gnädigste Resolutiones ertheilet […] worden; So geschehen […] den 5. Novembris Anno 1672. Titelnachweis auch in: VD17 39:122909S [URL: http://gso.gbv.de/DB=1.28/SET=1/TTL=1/SHW?FRST=1 (Aufrufdatum 24.7.2007)]; weiterer Druck: Lenzen, Beyträge, S. 37 – 70) und 1675 (Ihrer Churfürstlicher Durchleucht Declaration und Erläuterungs Receß über etliche Articulen des Haupt-Receß vom 5. Novembris 1672 [… vom] 27. Julii [1675]). Regesten beider Rezesse bei Scotti, Sammlung Tl. 1, Nr. 591, S. 161 – 164 bzw. Nr. 614, S. 168 – 170. – Während der Hauptrezeß, »der das Staatsgrundgesetz beider Territorien bis zum Ende des ancien régime bildete«, für den Fürsten durchaus günstige Bedingungen normierte, verlagerte der Deklarationsrezeß die Gewichte zugunsten der Stände; vgl. Walz, Stände, S. 52.
468
Beim Regierungsantritt hatte der Kurfürst einerseits zugesagt, die Stände »bey ihren alten und wohlhergebrachten Rechten, Freyheiten, und Privilegien [zu] schützen, und dieselben [zu] erneuern«, andererseits die »Landes- und Erbhuldigung« vorerst nicht eingefordert. Druck des Besitzergreifungspatents bei Scotti, Sammlung Tl. 2, Nr 2511, S. 778 – 781, Zitate S. 779, S. 780.
469
Vgl. Engelbrecht, Herzogtum, S. 209 – 211, zum Landtag von 1803, der »den letzten Versuch des Adels [markierte], sich als Stand den von ihm beanspruchten Anteil an der Herrschaftsausübung zu sichern« (Zitat S. 211). – Abschrift des Antrages des Staatsrats zu TOP 1 und der kurfürstlichen Entschließung im Akt BayHStA MA 8433/2; dort weiteres Material zu Fragen der Landtagseinberufung 1801 – 1803.
470
Vgl. Nr. 82 (Staatsrat vom 5. Januar 1803), TOP 6.