BayHStA Staatsrat 5 11 Seiten.

Anwesend: Kf. Max Joseph; Montgelas, Morawitzky, Hertling.

[MA] 1. Kurfürstliche Genehmigung – »mit einigen auf den Protocollen bemerkten Abänderungen« – der Anträge und Entschließungen der Staatsratssitzungen vom 23. und 30. März 1803 nach Vorlage durch Montgelas.

Montgelas trägt über die Auflösung des Damenstifts zu St. Anna in Würzburg vor. Der Antrag wird genehmigt. Die Vermögensmasse wird in das Münchener Damenstift überführt und soll die Versorgung der Töchter der fränkischen Staatsdiener und des erbländischen Adels sichern.

2. In einem ausführlichen Vortrage legte der churfürstliche Geheime Staats und Conferenz Minister Frhr. von Montgelas die Resultate vor, welche aus der {2v} von dem fränckischen General Commissariat bearbeiteten und einbeförderten Untersuchung des Damenstiftes zur Heiligen Anna in Würzburg rücksichtlich ihres Ursprunges-Verhältnüße und Vermögen Standes sich ergeben, und zeigte, wie solche ganz geeignet seyen, den von dem fränkischen General Commissariat gemachten Vorschlag, zu Aufhebung dieses Damenstiftes und Pensionirung der Stiftsdamen anzunehmen, indem die Revenuen dieses Stiftes nicht hinreichten die Stiftsdamen in der Gemeinschafft länger anständig zu erhalten.

Aus diesem und mehreren anderen in dem Vortrage ausgeführten Gründen machte der Geheime Staats und Conferenz Minister Frhr. von Montgelas rücksichtlich dieser Auflößung des würzburgischen Damenstiftes folgende Anträge:

dem fränkischen General Commissariat wäre zu eröffnen, daß a: die bisher gewöhnliche und statutenmäßige gemeinschafftliche Lebensweiße der Stiftsdamen aufgehoben seyn solle. b: die Auflößung und der Austritt der Stiftsdamen bis 1. July d. laufenden Jahrs bewerkstelliget, c. jeder Stiftsdame bewilliget werde, die in ihrem Zimmer sich befindende Einrichtung mit sich zu nehmen d: daß denen Stiftsdamen und der Abtißin die, ersteren für eine jede mit jährl. 800 fl., letzterer mit 1.200 fl. bewilligt werdende Pensionen in vierteljährigen Raten von der Central {3r} Casse bezahlt und ebenso e: dem dermahligen Chordirector auf seine Lebenstage der Zinßenbezug des für seine Stelle bestimten Stiftungs Capitals mit der Summe von 320 fl. jährlich ebenfalls bey der Central Casse in monathlichen Raten entrichtet werden solle.

Der Geheime Staats und Conferenz Minister Frhr. von Montgelas fügte diesen Anträgen noch mehrere Vorschläge bey, so wegen Apprehendirung des stiftischen Vermögens, wegen Einführung einer anderen Regie, wegen dem Haußdienstpersonale, wegen den stiftischen Gebäuden, den Hauß Geräthschaften und den übrig bleibenden stiftischen Capitalien aus zuführen, und äüßerte über die Verwendung dieses dem Staate zufallenden samtlichen Vermögen des würzburgischen Damenstifts, daß sowohl das fränkische General Commissariat, als auch das Ministerial Département der auswärtigen Geschäfften der Meynung seye, wie solches eben so zum Vortheile der fränkischen Dienerschafft und des fränckischen erbländisch-landsäßigen Adels verwendet werden könne, wie es bey dem baierischen Damenstifte geschehen; wenn Seine Churfürstliche Durchleucht daher den Grundsaz; daß das Vermögen des würzburgischen Damenstifts, eben so wie das hiesige verwendet, sohin mit lezterem vereiniget werden solle, sanctionirten, so würde das Ministerial Département der auswärtigen Geschäfften die deswegen erforderliche {3v} weitere Einrichtung treffen und erinnerte nur, daß die Zahl der aus dem Fond zu errichtenden Praebenden in Zukunft auf 12 festgesezet werden könten, wovon 4 ausschlüßig dem Adel mit einer Rente von 800 fl., die übrigen 8 hingegen mit einer Rente von 400 fl. den Staatsdiener zu widmen wären.

Seine Churfürstliche Durchleucht genehmigen die Anträge dero Ministerial Départements der auswärtigen Geschäfften zu Auflößung des Damenstiftes in Würzburg, dann Pensionirung der Abtißin und Stifts Damen, wie auch des Chordirectors583 und sanctioniren den Grundsaz, daß das höchstdenenselben und dem Staate dadurch zufallende Vermögen mit dem hiesigen Damenstifte vereiniget und auf die nemliche Art, wie bey dem hiesigen, zum Besten der Töchter der fränckischen Staats Diener, und des erbländisch-landsäßigen Adels verwendet werde584, wovon die weitere Einleitung dem Ministerial Département der auswärtigen Geschäfften überlaßen wird.

Einberufung eines Landtages

Montgelas trägt über die Frage vor, ob die Regierung den einzuberufenden Landtag zusammen mit der Landschaft oder aber mit einem von den Landständen zu wählenden außerordentlichen Ausschuß vorbereiten soll. Der Kurfürst entscheidet in letzterem Sinne und formuliert Bestimmungen, um die Kontrolle des Verfahrens durch seine Regierung zu garantieren.

3. Der churfürstliche Geheime Staats und Conferenz Minister Frhr. von Montgelas sezte in mündlichem Vortrage die Verhältnüße auseinander, worin die hiesig landständische Verordnung durch Aufhebung des Prälaten Standes sich befinde, und äüßerte, wie sowohl diese als die den Landständen mehrmahl gegen {4r} seine Meynung gegebene Versicherung zu Einberufung eines Landtages erfordere, der Erfüllung dieser Zusicherung sich dadurch zu näheren, daß man die Gegenstände und Materialien gemeinschafftlich mit der Landschafft samle und vorbereite, die einen künftigen Landtag beschäfftigen sollen. Es komme nun darauf an, ob man diese Vorbereitung mit der schon bestehenden Verordnung der Landschafft, oder mit einem neuen von den Landständen unter Aufsicht der Regierung zu wählenden außerordentlichen Ausschuße eingehen wolle? Die Wahl zwischen diesen beyden Mittel um zum Zweke zu kommen, seye schwehr, weil beyden mehrere Gründe entgegen stünden, die eine reife Prüf- und Überlegung erheischten;

Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes und der eigene Wunsch des Landschaffts Canzlers von Mayrhofen hätten ihn, Frhr. von Montgelas, veranlaßet, mit erwehntem Landschaffts Canzler in einer langen Unterredung die vorliegende Frage zu untersuchen und nach allen Ansichten zu beleuchten; Der Landschaffts Canzler habe sich aus mehreren mündlich angeführten Ursachen für die Einberufung eines durch die Landstände zu wählenden Ausschußes erkläret, und einen Entwurf zu einem deswegen zu erlaßenden Rescript übergeben, welches zwar {4v} nach der genohmenen Verabredung eingerichtet, wobey er Frhr. von Montgelas doch noch einige Erinnerungen, die er vortrug, zu machen habe. Dieser Rescripts Entwurf, der abgeleßen wurde, enthalte im Eingange die Ursachen, welche die Einberufung eines außerordentlichen Ausschußes veranlasten, dann die Bestandtheile dieses außerordentlichen Ausschußes, aus acht Deputirten des Ritter- und Adelstandes, vier Deputirten der vier Hauptstädten München, Landshut, Straubingen und Ingolstadt, vier Deputirte, welche die übrige Städte und Märkte zu erwählen haben; die Gründe der lezteren Zuordnung, Eintheilung des Landes in vier Wahlbezirke, Anzahl der in jedem Districte zu wählenden, Wahlart, Ehrung für den Ausschuß. Am Ende des Rescripts, Erklärung der Absichten, welche Seine churfürstliche Durchleucht bey dieser Verfügung heegten. Frhr. von Montgelas fügte der Vorlaage dieses Entwurfes noch einige Anfragen des Landschaffts Canzlers bey, ob nämlich diesem außerordentlichen Ausschuß noch besonders ein Theil der alten Verordnung zugetheilet werden {5r} solle oder nicht? Was und wie mit der Landschaffts Verordnung über obige Maasreglen zu handlen seye? Was in der Folge mit dem Ausschuße präpariret, oder am Landtage beschloßen werde, könne man nicht bestimmen, aber dies müsten Seine Churfürstliche Durchleucht voraus versicheren, daß auf die allenfalls abtrettende Verordnete, in soferne sie auf lebenslängliche Versorgung getröstet waren und deswegen andere Aufopferungen gemacht, billig Bedacht genohmen werde.

Ob der Ausschreibung nicht eine Aufforderung einverleibet werden wolle, daß jeder der nüzliche Ideen geben zu können glaubte, solche Serenissimo oder der Landschafft schriftlich mittheilen könne?

Was geschehen solle, wenn einer der gewählt werdenden nicht amptirte?

Seine Churfürstliche Durchleucht genehmigen die Einberufung eines außerordentlichen Ausschußes der baierischen Landstände, um mit demselben die Gegenstände, welche auf dem zu versamlenden Landtage vorgetragen und berichtiget werden sollen, vorzubereiten, und haben den, von dero Geheimen Staats und Conferenz Minister Frhr. von Montgelas mit dem Landschaffts Canzler {5v} verabredeten Entwurf eines zu erlaßenden Rescripts mit folgenden Änderungen und Zusäzen gnädigst bestättiget:

1. Solle der vorzügliche Bedacht genohmen werden, daß die Wahl Polizey und Direction in den Händen des, die Wahlversamlungen praesidirenden churfürstlichen Landrichters bleiben und sollen solche Orte für die Wahlversamlungen bestimmet werden, wo ein Beamter sich befindet, von deßen Geschicklichkeit, Anhänglichkeit an die Regierung und geläüterten Grundsäzen man überzeugt seye; die Amtsburgermeister sollen bey den Wahlversamlungen weggelaßen werden. 2. Solle dem Ausschuße streng untersaget werden, über andere Gegenstände zu berathschlagen, als die in der landesfürstlichen Proposition an den Ausschuß enthalten. 3. In allen Fällen, wo gleiche Stimmen über einen Gegenstand bey dem Ausschuße ausfallen, solle der Regierung die Entscheidung vorbehalten bleiben. 4. Bey Abhaltung der Scrutinii über die eingekommenen Abstimmungen solle nebst der landschafftlichen auch eine churfürstliche Commission gegenwärtig seyn. 5. Solle die alte Verordnung mit diesem Ausschuße nicht vereiniget, sondern jeder Theil seine Obliegenheiten ohne Einmischung des anderen vollziehen; doch sollen {6r} die Verordnete active und passive wahlfähig zum Ausschuße seyn, wenn ihnen nicht eine in dem Entwurfe enthaltene Disposition entgegen stehet; auch sollen die Verordnete im Falle sie zum Ausschuß gewählet werden, für die Zeit des Ausschußes bey der Verordnung austretten. 6. Solle den entfernten Mitglieder des Ausschußes ein verhältnüßmäßiges Reiße Geld und denen, so nicht hier wohnen, eine Taggebühr von 4 fl. bewilliget, ihnen auch nach Umständen bey beendigtem Ausschuße eine Aversal Entschädigung geleistet werden. 7. Solle von der, mit der Ausschreibung zu verbindenden Aufforderung wegen Einsendung nüzlicher Ideen Umgang genohmen werden. 8. Solle, auf den Falle, daß eines der zum Ausschuße gewählt werdenden Mitglieder diese Stelle aus Gründen nicht acceptieren würde, derjenige, der nach diesem die meiste Stimmen hat, genohmen werden. 9. Solle der Termin zu Einsendung der Abstimmungen und Einberufung des Ausschußes noch ohnbestimt belaßen werden.

Damit aber die Propositionen, so dem nach vorstehenden Modificationen einberufen werdenden Ausschuße vorgeleget werden sollen, gehörig und mit der erforderlichen Genauigkeit vorbereitet werden, haben Seine Churfürstliche Durchleucht gnädigst verordnet, daß das gesamte churfürstliche Ministerium mit Zuziehung der beyden Brüder {6v} des Geheimen Rathen und des Geheimen Finanz Referendärs von Krenner eine Commission bilden solle, um die Gegenstände und Materialien zusammen zu tragen, welche zur Proposition an den Ausschuß geeignet, und Seiner Churfürstlichen Durchleucht in Zeiten einen umständlichen Plan zu Stellung dieser Proposition und Leitung des Ausschußes vorzulegen.

Auch sollen sämtliche über diesen Gegenstand gemacht werdende Rescripts Entwürfe vor ihrer Ausfertigung Seiner Churfürstlichen Durchleucht zur Beurtheil- und Genehmigung in der Geheimen Staats Conferenz vorgeleget werden585.

[MJ] 4. Hertling trägt das Gesuch des geheimen Sekretärs [und wirklichen Rates beim Ministerialdepartement der geistlichen Angelegenheiten Johann Georg] Nemmer vor, »die Vormundschafft über die minderjährige Kinder des verstorbenen Hofpfistermeisters Schiesl übernehmen zu dürfen«. Der Kurfürst bewilligt das Gesuch.

5. Vortrag über die Gründe, »welche dem Gesuche der Wittwe des Israel David Schuzjudens zu Sulzbach um Schuz alldort für ihren ältesten Sohne entgegen stehen«. Das Gesuch wird, entsprechend dem Antrag, vornehmlich »wegen den, von der Bürgerschafft in Sulzbach gegen die Vermehrung der dortigen Juden angebrachten Beschwehrden«, abgewiesen.

Genehmigung der »Entschließungen« durch den Kurfürsten.

Anmerkungen

583
Das entsprechende Dekret an das kurfürstliche Generalkommissariat in Franken vom 4. April 1803 ist gedruckt bei Domarus, Äbtissin, S. 118 – 120 (nach der Abschrift in BayHStA München-St. Anna 960, fol. 127r-128v).
584
Durch den Fundationsbrief vom 12. Juli 1803 gründete Kurfürst Max Joseph »zum Beßten des erbländisch-landsäßigen Adels, und der Staatsdiener in Unseren Entschädigungslanden« das aufgehobene Würzburger Damenstift neu und setzte es mit dem Münchener Damenstift zu St. Anna »in unmittelbare Verbindung«, indem er »das gesammte Vermögen des Würzburgischen aufgehobenen Damenstiftes […] dem allhiesigen Damenstifte« schenkte (Bekanntmachung betr. die »[n]eue Fundation des hiesigen Damenstiftes« vom 27. Juli 1803, RegBl. Franken 1803, S. 141 – 143, Zitate S. 141, S. 141 f., S. 142; auch bei Domarus, Äbtissin, S. 174 f.).
585
Abschrift der kfstl. Entschließung: BayHStA Altbayerische Landschaft Lit. 799, Nr. 18, fol. 194r-195r. – Zum Fortgang vgl. Nr. 102 (Staatskonferenz vom 23. April 1803), TOP 5.