BayHStA Staatsrat 382 17 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 13. März 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner.

1. Montgelas teilt die Entschließungen des Kurfürsten auf die Anträge des Staatsrats vom 3. März 1802 mit.

2. Stichaner trägt an, nach dem Vorschlag der Generallandesdirektion dem Ziegelmeister zu Kösching den Gegenwert von 123 fl. »für die zum Vestungsbau nach Ingolstadt gelieferte Steine und Kalk« zur Bezahlung bei der Hauptkasse »auf Rechnung des Hofkriegszahlamtes« anzuweisen (das Material wurde für das Proviantmagazin verbraucht). Der Militärökonomierat soll hiervon unterrichtet werden.

Die Unterstützungszahlungen für die in Ingolstadt beim Abtragen der Festung verunglückten »Landfröhner« sind auf die allgemeine Requisitionskasse anzuweisen.

3. Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner legte einen Bericht der General Landesdirektion vor, worin dieselbe nach gemachtem Vortrage, die für die Heilung der bei Demolirung der Vestungswerke zu Ingolstadt verunglückten Landfröhner erloffene Unkösten aus der allgemeinen Requisitionskasse bezahlen zu lassen, die Anfrage stellet: ob, und aus welcher Kasse diesen ganz erarmten beschädigten Fröhnern eine Unterstützung gewähret werden dürfe?

Herr von Stichaner äuserte auf diesen Bericht, wie er den Antrag der General Landesdirektion wegen den Heilungskösten der verunglückten Landfröhner ganz geeignet finde, und nicht nur hiemit sich vereinige, sondern auch antrage, die Unterstützung dieser verarmten und beschädigten Fröhner ebenfalls auf die allgemeine Requisitionskasse anzuweisen, und {3r} der General Landesdirektion zu überlassen, solche nach billigem Ermessen mit Rücksicht auf die Verhältnisse eines jeden Einzelnen zu bestimmen, und nur die Summe des hierauf erlaufenden Betrags der höchsten Stelle anzuzeigen.

Der Antrag des Herrn geheimen Referendärs von Stichaner wurde genehmigt.

4. Der Staatsrat folgt Stichaners Antrag, Georg Halbinger aus Bogenhausen, der bei einem Botengang von zwei französischen Soldaten verwundet wurde, »in das Verzeichnis der beschädigten Landfröhner« aufzunehmen und – nach Berechnung der Generallandesdirektion – seine Entschädigung aus der allgemeinen Requisitionskasse zu leisten. Der von Stichaner kritisierte Antrag der Generallandesdirektion, die Heilungskosten »nach deren gerichtlicher Herstellung und Mäsigung« hälftig von den Gemeinden Bogenhausen und Haidhausen einerseits und der Staatskasse andererseits bestreiten zu lassen, wird abgelehnt.

Gewerbekonzessionen in der Stadt München

Vortrag Stichaners über die anzustrebende Reform der Vergabe von Gewerbekonzessionen in München. Als Leitlinie stellt er heraus, daß Gewerberechte persönliche Rechte sind, nicht aber reale, also in der Familie des Handwerkers vererbbar und beliebig veräußerbar. Der Staat muß die Kontrolle über die Vergabe von Konzessionen behalten bzw. wiedergewinnen. Vor dem Hintergrund historischer Herleitungen, der Rechtslage und streitiger Einzelfallentscheidungen hebt Stichaner heraus, daß gegen die durch die Obrigkeit verfügte Vermehrung nützlicher Gewerbe keine Beschwerde möglich sein darf. Eine entsprechende Anweisung an die Verwaltungsstellen wird formuliert. Schwieriger zu beurteilen ist die Möglichkeit, bereits bestehende Realitäten aufzuheben. Besonders die Regelungskompetenz des Magistrats ist zu prüfen und gegebenfalls der staatlichen Polizei zu übertragen. Jedoch kann angesichts des politisch verwickelten Gegenstandes ohne kurfürstlichen Befehl nichts unternommen werden. – Der Kurfürst erklärt, sich eine Entscheidung vorzubehalten.

5. In einem über die bürgerliche Handwerksgerechtigkeiten der Stadt München erstatteten ausführlichen Vortrag, den Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner ablas118, setzte derselbe in verschiedenen Abschnitten auseinander:

1.) daß die Handwerksrechte überhaupt persönlich seyen, 2.) daß der Staat nicht zugeben dürfe, dieselben real werden zu lassen, 3.) daß der Staat nie das Recht aus Händen geben müsse, die Handwerksrechte nach dem Bedürfniß des Publici und Beschaffenheit der Ereignisse zu vermehren, 4.) wie wichtig die Untersuchung dieses Gegenstandes, 5.) dann mit welchen Gefahren die Aufstellung reiner Grundsätze hierin verbunden seye, 6 und 7.) daß in München und in Baiern die Handwerksrechte ursprünglich personell waren, und erst durch eine Declaration des hiesigen Magistrats vom Jahre 1768 real geworden119, 8.) welche bestimmtere Erklärung die Bürgerschaft deswegen in dem Jahre 1769 noch gefodert120, 9.) und auf welche Art solche durch den Receß vom Jahre 1770 von dem Magistrat {4r} gegeben worden121, 10.) daß darüber keine landesfürstliche Genehmigung erfolget, 11. und 12.) wohl aber im Jahre 1782 und 1785 zwei churfürstliche Reskripte erschienen seyen, wovon das erstere die magistratische Verhandlungen von 1768 bis 1770 gewißermassen bestättiget122, das zweite die Gerechtigkeiten und die hieraus erlösende Gelder für befreyt erkläret123, 13.) daß die Realitäten der Handwerksgerechtigkeiten im Jahre 1795 durch die neue Constitution des Magistrats124 bestättiget worden, und 14.) welche schädliche Folgen hieraus durch das Steigen der Preise der Handwerksgerechtigkeiten, 15.) Verscheuchung des geschickten aber unbemittelten Gewerbsmannes, 16.) Vertheuerung der Arbeiten, 17.) den hohen Verkauf der Handwerksgerechtigkeiten durch den Magistrat gleich den Bürgern, (welches 18. durch eine angeführte Thatsache bewiesen wird), 19.) Verleihung der Gerechtigkeiten an mittelmäsige Arbeiter, 20.) Verminderung der Gerechtigkeiten, 21.) den daher rührenden Widerstand der Zunftgenossen bei Entstehung neuer Gewerbe, 22.) das Interesse der hiesigen Handwerksleute, daß keine fremde Handwerker Arbeiten in hiesige Stadt liefern, und 23.) daß keine Handwerker ausser der Stadt sich niederlassen sollen, für das Publikum erwachsen. {4v} 24.) Welche Versicherungen unter der gegenwärtigen Regierung der hiesigen Bürgerschaft ertheilet worden, ihre sogenannte Handwerksgerechtigkeiten nicht aufzuheben, 25.) aus welchen Veranlassungen die hiesigen Bürger gegen die Vermehrung der Gerechtigkeiten Beschwerde erhoben, 26.) was dieselbe sowol, als die von dem Magistrat übergebene Vorstellung (welch letztere ganz abgelesen wurde) in sich faße, 27.) welche einzelne Fälle als Ursachen zu diesen Beschwerden angegeben worden oder hätten können angegeben werden, und welche actenmäßige Beschaffenheit es damit habe, nämlich 28.) die Beschwerde gegen den freyen Obst-Verkauf der Tiroller, 29.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Uhrmacher Fischer125, 30.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Buchhändler Seidl, 31.) die Beschwerde gegen die Niederlassung eines Stärkmachers, 32.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Johann Leonard Riemerer in der Au, 33.) die Beschwerde gegen das Hereinarbeiten des Spänglers Weiher in der Au, 34.) die Beschwerde gegen die nachgesuchte Aufnahm des Gebhard Hirschberger als Schmied, 35.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Xaver Hetzer als Schuhmacher, 36 und 37.) die Beschwerde gegen die nachgesuchte Aufnahme des Carl Moratelli {5r} und Stephan Heidenberger als Schloßer in München, 38.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Gallanterie Buchbinder Wolf126, 39.) die Beschwerde wegen dem Einstandsrecht bei dem Verkaufe der bürgerlichen Gerechtigkeiten (welches nach 40. und 41. angeführten Thatsachen von dem Magistrat benützet werde um das Tolleranz Edikt127 zu vereiteln), 42.) die Beschwerde gegen die Aufnahme des Säckler Mangold in der Au, 43.) die Beschwerde gegen die dem geheimen Rath Max v. Stubenrauch verliehenen Saifensiedergerechtigkeit, und 44.) die Beschwerde gegen den Stiefsohn des Kammmachers Duisberger, der um eine Kammmachersgerechtigkeit nachsuchet.

Herr von Stichaner legte die Resultate vor, die sich aus der gründlichen Beleuchtung dieses Gegenstandes und aus den vorgetragenen einzelnen Fällen ergeben; zeigte welche gutachtliche Meinung die General Landesdirektion hege, und wie der Präsident derselben Frhr. von Weichs sich in einem übergebenen besonderen Voto geäusert, dann wie der Gegenstand wegen den Realitäten der Handwerksrechte an anderen Orten beurtheilet werde.

Nach diesen umständlich vorgetragenen Verhältnissen, stellte Herr von {5v} Stichaner die Hauptgesichtspunkte auf, worauf es bei Entscheidung des vorliegenden Gegenstandes ankomme, und äußerte, daß gegen die Vermehrung nöthiger und nützlicher Gewerbe, auch bei dem dermal bestehenden Zustande der bürgerlichen Handwerksgerechtigkeiten keine gegründeten Beschwerden statt finden und folglich die executive Landesstellen nach folgenden Grundsätzen ohnbedenklich angewiesen werden könnten:

1.) daß die Gründe, welche von dem Magistrat und den hiesigen Gemeinde-Vertrettern angeführt worden seyen, alle wohl erwogen, und so weit sie mit höhern Staatsgrundsätzen, und der bisher durch Zwang gehemten, und äußerst nöthigen Beförderung der inländischen Industrie nicht im Widerspruch stünden, wohl gewürdiget worden seyen;

2.) daß jedoch dieselben nicht verhindern könnten, so wie an andern Orten also auch in hiesiger Residenzstadt nach Beschafenheit und Erfodernis der jedesmaligen Umstände, und mit möglichster Rücksichtnahme auf die schon bestehende Gewerbe, eine Vermehrung derjenigen Handwerker eintretten zu lassen, welche nach dem Bedürfniße der hiesigen {6r} Volksmenge entweder zu gering besetzet sind, oder doch wegen der Eigenschaft ihrer zum Handel geeigneten Fabrikate, oder nöthigen Verarbeitung inländischer Materialien ohne Kränkung eines Dritten, allezeit vermehrt werden können.

3.) Daß bei dieser nicht plötzlich, sondern allmähligen Vermehrung der Gewerbe immer getrachtet werden solle, die Niederlassung in der Stadt zu begünstigen, und dieselbe der Ansetzung der Handwerker ausser der Stadt, ohne eintrettender besonderer Gründe vorzuziehen.

4.) daß jedoch aller Bann, und Zwang der Arbeiten von der Stadt auf das Land, und von dem Lande in die Stadt nach den schon bestehenden mehreren Verordnungen abgestellt bleiben solle,

5.) daß bei der nöthig werdenden Vermehrung der Gewerbe allezeit die Beweggründe hiezu geprüft, und erwogen, auch das Gutachten der bürgerlichen Obrigkeit nicht umgangen werden solle, welche dasselbe jedoch allezeit an die für diesen Gegenstand vorgeorderte General Landesdirektion ohne Aufenthalt zu erstatten habe.

{6r} 6.) daß dabei immer alle Rücksicht auf die von der bürgerlichen Obrigkeit vorgestellt werdende Umstände genommen, doch aber auf keine unzureichende, blos auf die Privatrücksichten beruhende Gründe in dieser das allgemeine Wohl und die Beförderung des Kunstfleißes betreffenden Sache geachtet werden sollen.

7.) Daß bei solcher Verfahrungsart eine Beschwerde der hiesigen bürgerlichen Zunftgenossen um so weniger eintretten könne, als ihnen ihr besitzendes Befugnis, ihr erlerntes Handwerk auszuüben nicht benommen und sie mit keinem Rechte und Billigkeit verlangen können, daß ausser ihnen niemand andern ein gleiches Befugnis gestattet werde.

8.) Daß bei der Gestattung eines Handwerksrechtes jederzeit die Fähigkeit und Geschicklichkeit des angehenden Gewerbmannes geprüft, und ohne hievon erlangter Überzeugung durch Probstücke, oder glaubhafte Zeugniße kein Handwerksrecht, welches blos die Belohnung des Kunstfleißes seyn solle, zu ertheilen sey.

9.) Daß bei dieser vorzüglichen Rücksichtnahme auf die mehrere, vor {7r} der mindern Geschicklichkeit, der hiesige Bürgersohn und Eingeborne nur so ferne den Vorzug vor einem andern haben solle, als er denselben in seiner Fähigkeit und Kunstfleiß übertrift, oder doch von dem andern nicht übertrofen wird.

10.) Daß die ertheilt werdende neue Handwerksrechte von allen Zumuthungen beschwerlicher Rekognitionen befreit gelassen, und endlich

11.) der bisher angenommene Grundsatz, nach welchem der Kaufschilling für verkaufte Gerechtigkeiten als ein gefreites Gut anzusehen seye, welches von keinem Kreditor in Anspruch genommen werden könne, aufgehoben, und die Verpfändung bürgerlicher Handwerksrechte für Geldaufnahmen niemal gestattet werden solle.

12.) Übrigens werden alle einzelne Beschwerdeberichte des Magistrats wegen einiger neuer von der churfürstlichen General Landesdirektion verliehener Gerechtigkeiten, so wie die unterdessen angebrachte neue Gesuche dieser Stelle zur Erledigung nach diesen Grundsätzen zu übersendender ganz polizeiwidriger Revers aber, welchen die Gemeinde-Vertretter {7v} dem Kammmacher Duisberger abgenommen haben, als ganz ungültig aufzuheben, und das in diesem Betreff erstattete Gutachten der General Landesdirektion zu genehmigen seyn.

Da jedoch mit diesen Verfügungen die Realität der hiesigen schon bestehenden Handwerksrechte noch nicht aufgehoben seye, und dieser Weg nur sehr langsam zum Zwecke führe, in der eingeschlichenen Realität der dermaligen Gerechtigkeiten das Hauptübel liege, welches entfernt werden sollte; so äuserte sich Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner sowol über die Frage: ob bei Aufhebung dieser Realitäten eine, und welche Entschädigung geleistet werden müsse?, dann über jene: auf welche Art diese geleistet werden könne?, und fügte seinen diesfalls gemachten Vorschlägen folgende Erinnerungen bei:

1.) daß bei einer jeden Maaßregel, welche man ergreifen würde, die öftere Versicherungen, welche Seine itzt regierende Churfürstliche Durchlaucht wegen ungekränkter Belassung der bürgerlichen Gerechtigkeiten gegeben haben, sehr im Wege stehen würden und nicht unterdrückt werden könnten.

{8r} Wenn daher schon im voraus die churfürstliche höchste Willensmeinung seye, daß in dem Sistem der hiesigen bürgerlichen Handwerksgerechtigkeiten nichts geändert werden solle, so falle der zweite Antrag von gänzlicher Aufhebung der Realität der Gerechtigkeiten von selbst hinweg.

Es werde darauf ankommen, wieweit der erste Antrag der churfürstlichen Versicherungen nicht entgegen stehe?

2.) Die zweite Erinnerung betreffe den hiesigen Magistrat; so lange der Gegenstand der hiesigen Gewerbe von demselben geleitet werde, so werde zu keiner Zeit eine gedeihliche Folge zu erwarten seyn.

Theils habe das Privatinteresse der bürgerlichen Zunftgenossen selbst zu vielen Einfluß bei diesem, grossentheils aus ihnen zusammengesetzten Körper, welcher ihre Obrigkeit vorstelle, theils stehe der Magistrat ganz unter der Vormundschaft der hiesigen Gemeinde-Vertretter, welche durch die neue Konstitution von 1795 ihre Existenz erhalten und bisher nichts genützt, wohl aber jeder guten Sache sehr geschadet hätten.

Ob daher der Magistrat seinen Einfluß in dieser Sache behalten, oder die fernere Leitung ganz der Polizei übertragen werden solle? – ob nicht die {8v} Veranlassung genommen werden wolle, die Mißbräuche abzustellen, welche bisher bei der gedachten Gemeinde-Vertrettung sich gezeigt haben? werde gleichfalls von der churfürstlichen Höchsten Entschließung abhängen.

3.) Endlich könne die Wiederholung nicht umgangen werden, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht Selbst von diesem Gegenstande und allen dabei eintrettenden Gründen und Gegengründen genaue Einsicht nehmen, und denselben sodann nach Ihrer Selbstüberzeugung entscheiden möchten.

Dieses seye um so nothwendiger als sich die Gemeinde-Vertretter selbst auf Kabinets-Signata bezogen, woraus sie schliessen, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht über die Sache ganz anders gesinnet seyen, als die unter der höchsten Unterschrift bisher erlassene Entschliessungen gelautet haben.

Solange den Zunftgenossen dieser Zweifel an der churfürstlichen höchsten Willensmeinung übrig bleibe, so lange würden dieselben auch nicht aufhören alles anzuwenden, um zu ihren Endzweck zu gelangen, sie würden nur in denjenigen, welchen das, gewiß nicht angenehme Geschäft der Behandlung dieser Gegenstände übertragen seye ihre Feinde erkennen, und obschon bei einem so wichtigen Gegenstande {9r} Aufopferungen der Personen in gar keine Waagschale kommen, so werde doch auch mittelbar dadurch der guten Sache kein Vorschub gegeben.

Sollten Seine Churfürstliche Durchlaucht sich daher von den vorgetragenen Gründen nicht überzeugen können, sollten Höchstdieselbe die Sache nicht von der Art ansehen, daß sie werth sey mit allem Nachdrucke und bei einer ieden Gelegenheit unterstützt zu werden, so seye es räthlicher, nichts zu unternehmen als eine Maßregel zu ergreifen, welche, wenn sie zur Ausführung kommen solle, keine Unterstützung erhält, und nichts als Erbitterung, und Unruhe unter der Gemeinde, und persönlichen Haß erzeugen kann.

Nach Vernehmung der von dem Ministerial Finanzdepartement über diesen Gegenstand in seinem Communicat an das Ministerial Justizdepartement gegebene Aeusserung, welche durch Herrn v. Stichaner abgelesen wurde, und nach gehaltener

Umfrage stimmte der Staatsrath diesen Anträgen des Referenten, womit auch das Ministerial Justiz- und Finanzdepartement einverstanden, vollkommen bei und beschloß: solche Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur höchsten Prüfung und Entscheidung gehorsamst vorzulegen.

Kurfürstliche Entschließung dazu (13. März 1802):

{10r} Ich behalte mir vor, den Gegenstand der Handwercksgerechtigkeiten Nr. 5 des Prot. so wie alle hiebey eintrettende Verhältnüße und Rücksichten in genaue und reife Überlegung zu ziehen, wonach ich meine weitere Entschließung dem Staatsrathe mittheilen werde.

Johann Anton Mannes wird unter Auflagen gestattet, einen Herzoglich Bergischen Anzeiger zu verlegen, für den er die rechtliche Verantwortung übernimmt und welcher der Zensur zu unterwerfen ist.

{9v} 6. Herr geheimer Referendär v. Bayard legte dem Staatsrathe einen Reskripts-Entwurf vor, wodurch nach den berichtlichen Vorschlägen des bergischen geheimen Rath dem Johann Anton Mannes gestattet wird, sein bisheriges Adressblatt in Düsseldorf in einen herzoglich bergischen Anzeiger umzuändern; jedoch soll in dem deshalb von ihm vorgelegten Plan die dritte Rubrik gänzlich gestrichen, und bei den vordersten zwei Abtheilungen die Beschränkung eintretten, daß erstere nur Moralität allein, so wie letztere blos Erziehung im allgemeinen ohne Benennung von Individuen zum Gegenstand haben soll. Nebstdem seye derselbe für alle daraus entstehende Folgen verantwortlich zu machen und ihm vorzüglich die Verbindlichkeit aufzulegen, seine Blätter jederzeit der angeordneten Censur zu unterwerfen.

Dieser Reskripts-Aufsatz wurde genehmigt.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung.

Anmerkungen

118
Der umfangreiche Vortrag Stichaners über die »Handwerks Gerechtigkeiten der Stadt München« vom 31. Februar 1802, der Kobell bei der Ausfertigung des Protokolls als Vorlage diente (vgl. seine Bemerkung mit Hinweis auf TOP 5 des vorliegenden Protokolls), liegt in BayHStA MH 6122 (nicht fol.). – Vgl. zum Kontext der staatlichen Gewerbepolitik in der Ära Montgelas Puschner, Handwerk, S. 117 – 147, zu Stichaners Vortrag S. 136.
119
Die Erklärung des Magistrats vom 13. April 1768 zielte darauf ab, die Handwerksgerechtigkeiten in der Verfügungsgewalt der jeweiligen Inhaber und ihrer nahen Verwandten zu belassen und ihnen ein Überlassungsrecht einzuräumen, also die Befugnis, die Gerechtigkeit an einen anderen zunft- und handwerksfähigen Handwerker zu verkaufen. Teildruck in: Der Raths-Entschluß, S. 13 – 15; Puschner, Handwerk, S. 118.
120
Die Beschwerde der Münchener Bürgerschaft ging dahin, »daß der Magistrat noch immer unentschieden lasse, ob die bürgerl. Gerechtigkeiten ein Reale oder Gratiale, und in wie weit sie in dieser Art erblich seyen« (Der Raths-Entschluß, S. 15 f., Zitat S. 15).
121
Der Rezeß von 1770 (»Raths-Entschluß und Vergleich«), der das 1768 eingeräumte Überlassungsrecht bekräftigte, ist gedruckt in: Der Raths-Entschluß, S. 35 – 58; Abschrift: BayHStA MH 6122.
122
Das Reskript vom 15. Juni 1782 setzte den Preis einer Meistergerechtigkeit auf 350 fl. fest (Teildruck des Reskripts bei Tyszka, Handwerk, S. 48 Anm. 29; vgl. Nr. 121 [Staatsrat vom 24. August 1803], TOP 10).
123
Gemäß einer kurfürstlichen Weisung an den Stadtmagistrat in München vom 3. August 1785 waren die »bürgerliche[n] Gerechtigkeiten so beschaffen […], daß sie weder ohne Consens des Stadtmagistrats cedirt, alienirt, oder hypothecirt werden dürfen, noch bey Todesfällen in den Vererb- Verteil- oder Vermögensbeschreibungen, folglich auch bey einem ausbrechenden Concursu Creditorum nicht in den Statum activum, und die Schätzung kommen […]« (MGS Bd. 2, Nr. V.155, S. 683).
124
Die »Realitäten der Handwerksgerechtigkeiten« wurden in dem »Neuen Wahlbrief der Stadt München« vom 1. Dezember 1795 implizit bestätigt. Zugelassen zur Urwahl der 72 Wahlmänner aus den 72 Zünften, die wiederum 36 Repräsentanten wählten, waren nämlich »nur jene Bürger« als Mitglieder der jeweiligen Zünfte, »welche eine bürgerliche Real-Gerechtigkeit besitzen, und das sogenannte große Bürgerrecht erlangt haben« (MGS Bd. 5, Nr. VIII.114, S. 815 – 822, hier Art. III, S. 816).
125
Vermutlich Joseph Fischer, dem durch Beschluß des Staatsrats vom 20. Mai 1801 auf Vortrag Stichaners die »unbeschränkte Klein-Uhrmachersgerechtigkeit« zugesagt worden war. Gleichzeitig wurde der Magistrat der Stadt München angewiesen, Fischer »gegen Erlag der für das Bürgerrecht Statt habenden Gebühren, zum Bürger anzunehmen, und ihn zugleich zur Einzünftung anzuweisen« (BayHStA Staatsrat 381, Nr. 6, fol. 9v; vgl. Protokolle Bd. 1 , S. 326, TOP 20).
126
Vgl. Nr. 66 (Staatsrat vom 29. September 1802), TOP 7.
127
Mit der Verordnung vom 26. August 1801 (Drucke: MGS [N. F.] Bd. 2, Nr. VI.47, S. 267 [zit.]; RegIntBl. 1801, Sp. 559 – 562; Schimke, Regierungsakten, Nr. 96, S. 502 – 504 mit Kommentar) wurde - mit Bezug auf eine nur intern ergangene Weisung vom 10. November 1800 (MGS [N. F.] Bd. 2, Nr. VI.36, S. 259) – verfügt, »daß bey der Ansäßigmachung in Unsern sämtlich herobern Staaten die katholische Religion nicht ferner als ein wesentliches Bedingniß anzusehen sey«. Die neue Bestimmung wurde im wesentlichen damit begründet, »daß die Concurrenz anderer Religionsverwandten zu dem Erwerb liegender Güter und zur Ausübung der Gewerbe, der Landeskultur, und dem Gewerbfleiß nothwendiger Aufnahme, Antrieb und Ermunterung verschaffen müsse«.