BayHStA Staatsrat 382 14 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 26. Juni 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, [MGeistl:] Branca.

1. Montgelas teilt die Entschließung des Kurfürsten vom 28. Mai 1802 auf die Staatsratsprotokolle vom 20. und 25. Mai mit.

Die geplante »Dammstraße« von Rosenheim nach Aibling wird u.a. aus finanziellen Gründen nicht gebaut.

2. In einem schriftlichen Vortrage setzte {1v} Herr geheimer Finanz-Referendär von Steiner die Fürschritte auseinander, die von der General Landesdirektion gemacht worden, eine neue Dammstraße von Rosenheim über Ebersberg durch den Anzinger Forst, dann über Neuching nach Erding anzulegen, und welche Befehle von der höchsten Stelle ergangen um diese Strassen-Errichtung zu suspendiren, und die Gründe, so dafür und dagegen sprechen, durch gutachtlichen Bericht mit Beifügung der Vorträge sich vorlegen zu lassen.

Herr von Steiner eröfneten dem Staatsrathe, daß dieses Gutachten nun mit den Vorträgen der Referenten eingekommen, und den bestimmten Antrag enthalte, auf Erhebung der Straße von Rosenheim über Ebersberg nach Aibling zu bestehen, weil solches das Commerz und die Cultur eines grossen Land-Distriktes befördere. So richtig dieser Zweck an sich auch seye, weil die gebirgigte Gegend mit einem Theile Unterbaierns in schnelleren und kürzeren Verkehr gesetzet werde, so seye doch das Ministerial Finanz Departement dem ohngeachtet der Meinung, daß die Erhebung dieser Straße, wenigst dermal noch, beruhen solle, und dasselbe aus folgenden Ursachen hierauf antrage:

a.) weil die Hauptstadt, so die {2r} nämliche Bevölkerung, wie 50 □ Meilen des Landes habe, durch diese Verfügung leide und doch Rücksicht verdiene, b.) weil der zum Unterhalt der Dammstraße bestimmte und ausgewiesene Fond schon itzt nicht hinreiche, die für Baiern verhältnißmäsige grosse Anzahl der Chauséen zu erhalten, c.) weil die Gegend um Erding und Rosenheim sich schon in einem blühenden Zustande befinde, d.) weil die Unterthanen nach einem so lästigen Kriege und dem schon geschehenen Aufgebot, die Hochstraßen in der Scharwerk mit Kieß zu überführen, Ruhe bedürften, e.) weil die Salzfrachten sehr darunter leiden würden.

Der Staatsrath genehmigte den Antrag des Ministerial Finanzdepartements, die Erhebung dieser Straße dermal auf sich beruhen zu lassen, und beschloß, solches Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur höchsten Bestättigung vorzutragen.

Der Verkauf des »mannsritterlehenbaren« Zehnten zu Hohentreswitz wird in Anbetracht des zu erwartenden Rückfalls genehmigt.

3. Herr geheimer Rath von Krenner äuserte wegen dem Gesuche der Wittwe des Obersten von Stedingk, den besitzenden mannsritterlehenbaren Zehenden zu Hohentreßwitz verkaufen zu dürfen, {2v} seine Meinung, welche auch von dem Ministerial Departement der auswärtigen Angelegenheiten bereits angenommen worden, dahin: daß der Verkauf dieses lehenbaren Zehendens um so ohnbedenklicher genehmigt werden könnte, als der Käufer der quittirte Lieutenant von Schrott nur einen Sohn, die Verkäuferin aber deren drei habe, folglich durch die Lehens-Veräuserung der Rückfall befördert würde.

Nach gehaltener Umfrage wurde der Verkauf dieses lehenbaren Zehendens von dem Staatsrath genehmigt.

Absetzung des lutherischen Pfarrers Textor in Weingarten wegen der Vornahme ordnungswidriger Verehelichungen.

4. Herr geheimer Rath von Zentner legte dem Staatsrathe einen Reskripts-Entwurf an das rheinpfälzische General Landeskommissariat zur Bestättigung vor, wodurch genehmigt wird, daß nach der bestehenden Normal Verordnung gegen den lutherischen Pfarrer Textor zu Weingarten wegen zwei neuerdings vorgenommenen ordnungswidrigen Copulationen die Amotion erkannt und dem lutherischen Consistorio die Wiederbesetzung dieser Pfarrstelle mit einem würdigern Subjecte überlassen werde.

Dieser Reskripts-Entwurf {3r} wurde von dem Staatsrathe genehmiget.

Absprachen mit anderen Territorien wegen der Vermessung des Bayerischen Reichskreises.

5. Herr geheimer Finanz-Referendär von Schenk zeigte dem Staatsrathe an, welche Antworten von der königl. preusischen Domainenkammer in Anspach, von der fürstlich Ötting-Ötting und Ötting Wallersteinischen Sonterischen Seniorats- und Administrations-Regierungen, von den fürst-bischöflichen Regierungen Würzburg und Bamberg, von dem k. k. Ober-Kreisamte in Günzburg, dann den Regierungen Pappenheim und Regensburg wegen der astronomisch-topographischen Vermessung des baierischen Kreises eingetrofen, und machte den Antrag: solche der Direction des topographischen Bureau mitzutheilen. Er erinnerte, daß die Antwort des k. k. Guverniums in Linz, welches erkläret, daß sie ohne kaiserl. allerhöchsten Befehl hierinn nichts verfügen könne, es zur Nothwendigkeit mache, diese Erlaubnis wegen Betrettung des jenseitigen Territorii durch den churfürstlichen Gesandten in Wien nachzusuchen und die hiezu nöthige Einleitung von dem Ministerial Departement der auswärtigen Angelegenheiten trefen zu lassen.

Nach Antrag.

Zahlung der Nachsteuer bei Übersiedelung in ein fremdes Territorium.

{3v} 6. Über die, durch das Gesuch des Regierungs- und Kirchendeputationsrath Trezel in Sulzbach um Befreiung der Nachsteuer von der Aussteuer, so er seiner nach Baireuth sich vereheligenden Tochter mit einem durch Erbschaft aus dem Auslande erhaltenen und noch dort anliegenden Capital ausgezeichnet, entstandenen Frage: ob von dem Vermögen eines im Lande ansessigen Inwohner, welches nie in das Land gebracht worden, bei dessen Umsatz in das Ausland, der Nachsteuer erhoben werden solle oder nicht? – erstattete Herr geheimer Referendär von Bayard mündlichen Vortrag, und äuserte aus mehreren Gründen, die er ausführte, wie er nicht glaube, daß dieses Vermögen die Nachsteuer zu bezahlen habe und folglich auch der befragte Rath Trezel hievon zu befreyen wäre, worauf er auch antrage.

Nach gehaltener Umfrage in dem Staatsrathe wurde dieser Antrag nicht genehmigt, sondern beschloßen: den Rath Trezel zu Bezahlung der Nachsteuer von dieser Aussteuer anhalten zu lassen, wenn er nicht eine förmliche Erklärung der baireuthischen Landesstelle beibringen kann, daß {4r} dieselbe in einem ähnlichen Falle solche Nachsteuer schon nachgelassen habe, oder in künftigen Fällen nachlassen wolle.

Vollzug der Feiertagsverordnung

Branca trägt über verschiedene Verstöße gegen die Verordnung betreffend die Abschaffung der Feiertage vor und plädiert für strengen Vollzug der einschlägigen Bestimmungen. Der Staatsrat mildert Brancas Forderungen teilweise ab. Die Feierlichkeiten zu Prien an Maria Heimsuchung werden vom Kurfürsten eigens genehmigt.

7. Nach Ablesung des Berichts der General Landesdirektion, welchen dieselbe infolge des ihr zugekommenen Auftrags über die Befolgung der Verordnung wegen den abgewürdigten Feiertägen227 erstattet, und nach Anführung der neuesten widersetzlichen Auftritten zu Aibling und Baumburg wegen den abgeschaften Kreutzgängen, dann der von der General Landesdirektion vorgeschlagenen Maaßregeln wegen den Auftritten zu Aibling, dem bevorstehenden Kreutzgange nach Priem, Aufhebung der in dem Mandat angesetzten Strafe von 1 fl., Gestattung aller local Kreutzgänge an Sonn- und Feiertagen, welche das Herkommen für sich haben, und nähere Untersuchung des Gegenstandes wegen den Patrocinien, äuserte Herr geheimer Referendär von Branca, wie er mit diesen Vorschlägen sich nicht vereinbaren könne, sondern aus Überzeugung, daß iede Nachgiebigkeit die bedenklichste Folgen nach sich ziehen würde, dem Staatsrath nachstehende {4v} Anträge zur Beurtheilung und Genehmigung vorlege:

ad 1.) die Verordnung wegen der Feiertags-Strafe, eben so wenig, als ad 2 und 3.) die wegen der local Kreutzgänge und Patrocinien zu modificiren. Dagegen aber 4.) Seine Churfürstliche Durchlaucht zu ersuchen, die militärischen Kordons-Posten zur Zerstreuung und Zurückweisung aller Kreutzgänge anzuweisen, welche sich entweder ohne Priester oder mit einem Priester, wenn dieser keine schriftliche landgerichtliche Bewilligung mit sich führte; 5.) den Eintritt ausländischer Kreutzgänge in diesseitige Lande nicht mehr zu gestatten, und hierüber nach dem Beispiele der Rheinpfalz mit den benachbarten Regierungen durch die General Landesdirektion das erfoderliche Benehmen pflegen zu lassen. 6.) Da sich alle ungehorsamen Gemeinden auf das Beispiel von München bewerfen, von der General Landesdirektion nähern Bericht über den Zustand des Feiertagswesens und die Hinderniße, welche der Vollziehung des Mandates hier noch entgegen stehen, abzufodern; 7.) die vorgeschlagene Abordnung einer Untersuchungs- und Executions-Kommission nach Aibling zu genehmigen; auf {5r} gleiche Art 8.) die Vorschläge zu Verhinderung des Kreutzganges nach Priem am 2. July zu bestättigen, und Seine Churfürstliche Durchlaucht um Anordnung der nöthigen militärischen Anstalten zu bitten; endlich 9.) die Cabinets-Ordre vom 16. May (Reggs. Blatt No. XXII S. 400)228 dahin zu leuteriren, daß solche sich nur auf die Executionen gerichtlicher Sentenzen, dann wegen Steuer und andern Rückständen, nicht aber auf jene Fälle verstehe, wo den Civilbehörden militärische Hilfe zur Vollziehung landesherrlicher Verordnungen nöthig seyn könne.

Nach gehaltener Umfrage in dem Staatsrathe wurde folgender Beschluß gefaßet, um Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur höchsten Genehmigung vorgelegt zu werden: 1.) Solle die angesetzte Strafe der Hausvätter zwar nicht förmlich aufgehoben, aber durch eine Weisung an alle Beamte und Orts-Obrigkeiten (die nicht öfentlich bekannt zu machen) denenselben bedeutet werden, solche nur auf jene anzuwenden und in Ausübung zu bringen: a. welche die äuserlichen Zeichen eines Festtages an {5v} einem abgewürdigten Feiertage beibehalten, b. welche Andere in ihrer Arbeit an solchen Tägen stöhren, und c. gegen diejenigen Dienstboten, die sich auf den Befehl ihres Dienstherrn nicht zur Arbeit fügen und von letzterem angezeiget werden. 2.) Solle es wegen den local Kreutzgängen bei der Verordnung verbleiben229; 3.) wegen den Patrocinien aber von der General Landesdirektion die älteren Akten abgefodert, und mit Beziehung auf die Verhandlungen von dem Jahre 1785 mit den einschlagenden Bischöfen wegen Verlegung derselben auf die Sonn- und gebotenen Feiertäge die erfoderliche Unterhandlungen eröfnet werden, bis zu deren Beendigung aber solche als Kirchenfeste zu feiern erlaubt seyn. 4.) Solle die vorgeschlagene Zurückweisung der Kreutzgänge durch die militärische Kordons-Posten unterbleiben, und statt dessen sämmtlichen Gemeinden von {6r} ihren Obrigkeiten und Pfarrern bekannt gemacht werden, daß wenn sie gegen das landesfürstliche Gebot an unerlaubten Tägen mit Fahnen und öffentlichen Stangen ausziehen würden, die ganze Gemeinde dafür verantwortlich seye, und sie zur Bestrafung ihres Ungehorsams mit militärischer Execution belegt werden würde. 5.) Solle der Eintritt ausländischer Kreutzgänge in diesseitigem Lande nicht mehr gestattet, und deswegen durch die gen. Landesdirektion mit den benachbarten Landesstellen das erfoderliche Benehmen gepflogen, sohin dieselben unter Mittheilung der Absicht und des dabei hegenden Zweckes aufgefodert werden, nachbarlich mitzuwirken, daß ieder Kreutzgang in diesseitiges Territorium unterbleibe, hievon solle aber 6.) der auf den 2. July bevorstehende Kreutzgang nach Priem wegen Kürze der Zeit ausgenommen und solcher als ein local Kreutzgang erkläret werden. {6v} 7.) Solle die angetragene Kommission nach Aibling und Baumburg zwar abgeordnet, derselben aber nicht die Execution der von dem Landgerichte angesetzten Strafe, sondern nur die Untersuchung der sich ergebenen Auftritte und ihrer Veranlassungen aufgetragen, und über die Bestrafung der Anführer nach Beendigung der Kommission Bericht erstattet werden. 8.) Solle von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht die angetragene Erläuterung der Cabinets-Ordre vom 16. May gehorsamst erbetten und 9.) der General Landesdirektion aufgetragen werden, über den Zustand der abgewürdigten Feiertäge in hiesiger Stadt, und welche Hinderniße der Vollziehung des Mandats hier noch entgegen stehen, gutachtlichen Bericht zu erstatten.

Kurfürstliche Entschließung dazu (26. Juni 1802): Das an Maria Heimsuchung (2. Juli) zu Prien stattfindende Bruderschaftsfest und der Kreuzgang werden für dieses Jahr genehmigt.

{7r} Bey dem Antrage des Staats Rathes No 7 solle statt des § 6 der General Landes Direction rescribiret werden, daß, da bey dem Bruderschaffts Feste und dem Kreuzgange, welche zu Prien am Maria Heimsuchungstage den 2. July gehalten werden solle, die Frage eintrette, wie es mit Kreuzgängen, so vom Auslande kommen, zu halten seye, worüber in der Verordnung vom 4. December230 noch nichts bestimmet, die würcksame Abhaltung solch ausländischer Kreuzzüge von hiesigen Landen aber ein vorläüfiges Benehmen mit auswärtigen Behörden voraussezet, Ich geschehen laßen will, daß es für gegenwärtiges Jahr noch in Betref des erwehnten Festes und Kreuzganges zu Prien bey dem bisherigen Gebrauche belaßen {7v} werde.

Regulierung von Kriegskosten.

8. Auf einen Bericht der gemeinschaftlichen Kriegskösten-Vorschußkommission wegen dem Kriegskösten-Vorschuß des Pfarrers Michl zu Altdorf, äuserte Herr geheimer Referendär von Branca, daß die eingesendeten 10 Mandats territoriaux ihre Gültigkeit schon längst verlohren hätten, sohin dieses der Kommission in Antwort eröfnet werden könnte.

Nach Antrag.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Änderungen zu TOP 7.

Anmerkungen

227
Siehe Anm. 225.
228
In einer Anweisung an sämtliche Zivilbehörden legte die Generallandesdirektion am 24. Mai 1802 eine Kabinettsorder vom 16. Mai dahingehend aus, daß die Kordonsmannschaft keineswegs »von den Landgerichten eigenmächtig zu Exekutionen, oder anderen, dem Kordonsdienste nicht angemessenen Verrichtungen in Zukunft gebraucht« werden sollte (RegBl. 1802, Sp. 400).
229
Die VO wegen »denen abgewürdigten Feyertägen« bestimmte in Art. 8, MGS [N. F.] Bd. 2, S. 272: »In Betreff jener Lokalkreuzgänge, welche vermög eines besondern Herkommens an ein bestimmtes Ort eingeführt sind, und wo es nöthig ist, eine oder mehrere Nächte auszubleiben, verordnen Wir, daß jedem Orte jährlich nur ein derley Kreutzgang erlaubt seye, und die übrigen, etwa noch hergebrachten, sich an diesen allein gestatteten anschließen sollen.«
230
Siehe Anm. 225.