BayHStA Staatsrat 4 5 Seiten.

Anwesend: Kf. Max Joseph, Herzog Wilhelm; Montgelas, Morawitzky, Hertling.

[MA] 1. Der Kurfürst genehmigt die Anträge und Entschließungen der Staatsratssitzungen vom 21., 22. und 28. Juli 1802 »mit einigen, auf den Protokollen bemerkten Zusäzen und Änderungen« nach Vorlage durch Montgelas.

2. Auf Antrag des MA wird der »wegen andauerender Kranckheit zum Dienste untauglich[e]« geheime Kanzlist [Konrad] Hexamer in den Ruhestand versetzt. An seiner Stelle wird der »geschickte« Kanzleiakzessist Paul Baumüller »zum etatsmäßigen Geheimen Canzlisten ernant«267.

Bestätigung der gegen Jacob Rasch wegen Mordes an Bartlmä Füsel verhängten Todesstrafe.

[MJ] 3. Nach vorgelegtem Facto des von Jacob und Nicolaus Rasch mit Einverständnüß der Füselischen Ehefrau an dem Bartlmä Füsel im Holze verübten Todschlages, und des von churfürstlicher Regierung in Landshut nach geschloßener Untersuchung gegen den Jacob Rasch gefasten Urtheils (da deßen Bruder Nicolaus Rasch entwichen) von Leben zum Tode durch das Schwerd hingerichtet zu werden, äüßerte der Churfürstliche Geheime Justiz Minister Frhr. von Hertling, daß wenn Seine Churfürstliche Durchleucht nicht aus besonderen Ursachen, die Begnadigung eintreten lassen wollten, die Acten lediglich an die Regierung zum Vollzug ihres Erkentnüßes ruckzusenden wären.

Der Regierung Landshut sollen die einbeförderte {3r} Acten zum Vollzug ihrer Erkentnüß ruckgefertiget werden.

Die Todesstrafe gegen Florian Eierkammer wird vollzogen. Die Strafe wird aber nicht verschärft.

4. Der Todschlag, welchen Florian Eierkammer an seinem Stief Vatter Mathias Wackerbauer mit Einverständnüß seiner Stief Mutter verübet, wurde mit allen Nebenumständen, so wie das von der Regierung Landshut nach geschloßenem Untersuchungs Proceße gefaste Urtheil: durch das Schwerd hingerichtet zu werden, welche Straffe durch Abhauung der rechten Hand und Aufsteckung auf einen Pfahl bis Sonnenuntergang zu schärfen wäre, von dem Geheimen Ministerial Justiz Département vorgeleget und angetragen, da keine hinreichende Gründe zur Begnadigung angegeben werden können, die Acten der Regierung zum Vollzug des Erkentnüßes rucksenden, hiebey aber von Schärfung der Straffe Umgang nehmen zu laßen.

Nach Antrag genehmiget.

Gegen den wegen mehreren Diebstählen angeklagten Joseph Bechmayer wird eine außerordentliche Strafe verhängt, nicht die Todesstrafe.

5. Die Gründe, so für Begnadigung des Joseph Bechmayer der wegen mehreren in Baiern verübten Diebstählen von churfürstlichem Hofrathe dem Criminal Prozeß unterworffen worden, und nach der Strenge der Gesezen das Leben verwürket habe, sprechen, wurden in einem schriftlichen Gutachten auseinander gesezet und unter deren Anwendung angetragen, nach der berichtlichen Äüßerung des churfürstlichen Hofraths die Milde der Strenge der Gesezen vorzuziehen, und dem churfürstlichen Hofrath die Erkennung einer ausserordentlichen Straffe zu überlassen.

Nach Antrag.

Strafmilderung für Joseph Friedling und Gottfrid Schmid. Statt der Todesstrafe wird eine außerordentliche Strafe verhängt.

6. In einem schriftlichen Vortrage wurden die Vergehen aufgestellet, weswegen die Joseph Friedling und Gottfried Schmid {3v} dem Criminal Proceß unterworffen, und von churfürstlichem Hofrath zwar in Folge der Gesetze zum Tode verurtheilet, wegen eintrettenden milderenden Rücksichten aber in einem erstatteten Bericht zur Begnadigung empfohlen worden.

Das churfürstliche Geheime Ministerial Justiz Département erinnerte hiebey, wie es bey den, nach den Acten vorliegenden Umständen, dieser Empfehlung ebenfals beytretten, und auf Begnadigung der beyden Inquisiten antragen müße, die Erkennung der außerordentlichen Straffe aber dem Ermeßen des churfürstlichen Hofraths zu überlaßen wäre.

Nach Antrag.

Joseph Heindl wird von der Anklage der ordnungswidrigen Beteiligung an der Prozession am 10. Juni 1802 in der Sendlinger Gasse in München entlastet und erhält ein »Unschulds Attestat«.

7. Über die Bestraffung des, von den Polizey Officianten zu Verhaft gebrachten Baaders Gesellen Jos. Heindl268 wurde sich in einem schriftlichen Gutachten dahin geäüßeret, daß durch die von dem Magistrat allhier vorgenohmene Untersuchung sich ergeben, wie diesem Heindl keineswegs zu Last geleget werden könne, daß er am 10. Juny bei dem Volcks Einzuge mit der Prozeßion in der Sendlinger Gaße den Polizey Director geschimpft und überhaupt unter der Volcksmenge den Ton angegeben habe, und aus diesem Grunde, das Verfahren des Magistrats, dem erwehnten Heindl die völlige Entledigung von der Anklage und ein Unschulds Attestat zu ertheilen beschloßen, zu genehmigen wäre269.

Dieser Antrag wurde genehmiget.

Anweisung an den Magistrat der Stadt München, in der Sache gegen Attenbrunner, der als »Aufwiegler und Theilhaber« an der verbotenen Prozession vom 10. Juni in München gilt, nach Lage der Akten zu entscheiden, den Spruch aber vor der Publikation zur Spitzenbehörde einzusenden.

8. Durch schriftliches Gutachten wurde der Erfolg vorgeleget, so sich aus der gegen den Schumacher Attenbrunner270, als Aufwiegler und Theilhaber bey der Prozeßion am 10. Juny in der Sendlinger Gaße vorgenohmenen Untersuchung ergeben, und unter {4r} Aufstellung des hiebey zu beobachtenden Gesichtspuncktes angetragen, den allhiesigen Magistrat, der die Untersuchung vorgenohmen, anzuweißen, nach geschloßenen Acten zu erkennen, den Spruch jedoch vor der Publication zur höchsten Stelle einzusenden.

Nach Antrag genehmiget271.

[MGeistl] 9. Mit Bezug auf eine Eingabe »des Joseph Anton Pecheder Dechant und Pfarrer zu Hochdorf Landgerichts Mehring« wird ein »Rescripts Entwurf an den Geistlichen Rath vorgeleget« und genehmigt. Diesem wird mitgeteilt, daß der Kurfürst »von dem angenohmenen Grundsaze die Raths Caracter ohne ganz besondern Ursachen nicht zu vervielfältigen nicht abgehen« kann. Der Geistliche Rat hat entsprechend »auch in anderen ähnlichen sehr häüfig vorkommenden Gesuchen« zu verfahren272.

Genehmigung der »Entschließungen« durch den Kurfürsten.

Anmerkungen

267
Vgl. RegBl. 1802, Sp. 647 (kfstl. Entschl. vom 2. August 1802).
268
Der Badergeselle Heindl war am 11. Juni 1802 laut dem Bericht der Generallandesdirektion zusammen mit dem »abgehauseten Bader Seiler« von der Polizeidirektion dem Stadtmagistrat »zur strengsten Untersuchung und gemessensten Ahndung« überstellt worden (siehe dazu den Artikel im Regierungsblatt: »Die tumultuarischen Auftritte in der Pfingstwoche zu München betreffend«, RegBl. 1802, Sp. 482 – 486, hier Sp. 486).
269
Die in einen Streik mündenden Proteste der Handwerksgesellen waren durch das staatliche Vorgehen gegen eine Wallfahrergruppe am Dienstag nach Pfingsten ausgelöst worden – siehe Nr. 51 (Staatskonferenz vom 17. Juli 1802), TOP 2. Nach Darstellung der Generallandesdirektion fürchteten die Gesellen, »man werde aus diesem Vorfalle die Veranlassung nehmen, sie zur Arbeit an den abgewürdigten Feyertagen zu zwingen, was bis jetzt noch nicht geschehen war« (RegBl. 1802, Sp. 484). – Zum Verlauf des Streiks und seinen Folgen vgl. Hanseder, Tumultuarische Auftritte, S. 278 – 283.
270
Der Schuhmachermeister Attenbrunner war von der Hauptkommandantschaft »wegen groben Vergehens gegen das Militär« am 9. und 10. Juni dem Stadtmagistrat übergeben worden (RegBl. 1802, Sp. 486).
271
Vgl. das kfstl. Dekret für den Magistrat zu München vom 31. Juli 1802, BayHStA Staatsverwaltung 497. – Am 11. August 1802 bestätigte der Kurfürst den Eingang des Urteils vom 7. August, vgl. Kf. an Magistrat, 11. August 1802, ebd.
272
Kfstl. Dekret für den Geistlichen Rat vom 31. Juli 1802, ebd.