BayHStA Staatsrat 382 10 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 9. Oktober 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

Aufhebung der Lehensanwartschaften

Vortrag Zentners über die von der Regierung Karl Theodors verliehenen Lehensanwartschaften. Diese sind gemäß der Verordnung vom 21. Februar 1799 aufgehoben, eine Entschädigung wird nicht gewährt. Das gilt im speziellen auch für die dem Grafen Leiningen verliehenen Lehensanwartschaften. Seine übrigen Lehen bzw. Ansprüche sind ihm zu belassen.

{2r} 1. Herr geheimer Rath von Zentner erstattete wegen den unter der vorigen Regierung ertheilten Lehens-Anwartschaften in specie der gräflich Leiningischen, schriftlichen Vortrag, worin er nach Anführung der in dem Anspacher Hausvertrag290 deswegen enthaltenen § 10 und 11, dann der hierüber angenom{2v}menen Grundsätzen, welche förmlich auszuschreiben man in so lange Anstand nehme, bis Seine Churfürstliche Durchlaucht über die Allodial Erbschaft sich erkläret, die einfache und qualificirte Lehens-Anwartschaften vorlegte, so nach den von den einschlagenden Landesstellen eingekommenen Berichten in Baiern, Neuburg, Obern-Pfalz, Leuchtenberg, Sulzbach, dem Herzogthume Berg, und der Rheinpfalz, unter der vorigen Regierung ertheilet worden.

Herr geheimer Rath von Zentner setzte die bei ieder Anwartschaft, vorzüglich jenen des Grafen v. Leiningen, eintrettende Umstände auseinander und legte dem Staatsrathe folgende von dem Ministerial Departement der auswärtigen Angelegenheiten schon angenommene Anträge zur Genehmigung vor:

Da Graf von Leiningen mehrere Gattungen von Lehen besitze

1.) solche, mit welchen er bei Lebzeiten des höchstseeligen Herrn Churfürsten Carl Theodor wirklich belehnt worden, 2.) einige, so ihm durch Reskripte wirklich zu gewiesen, aber wegen {3r} den Kriegsumständen nicht erreichet worden und sämtlich auf dem linken Rheinufer liegen, 3.) eine beträchtliche Anzahl solcher Anwartschaften, auf welche er nur eine einfache Anwartschaft oder auch eine eventuelle Investitur erhalten habe;

so könnte in Ansehung der Ersteren es simpliciter bei der Entschließung vom 27. Sept. 1800 sein Bewenden behalten, in so weit solche wegen dem inzwischen abgetrettenen linken Rheinufer noch eine Anwendung findet.

Wegen dem Zweiten könnte ohne Bedenken dem Gesuche des Grafen von Leiningen in soweit willfahret werden, daß dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat der Auftrag zugehe: dem Grafen Wilhelm von Leiningen Guntersblum auf sein Ansuchen glaubhafte Abschriften jener Reskripte zu ertheilen, durch welche ihn noch bei Lebzeiten des höchstseeligen Churfürsten Carl Theodor verschiedene jenseits des Rheins gelegene Lehen zugewiesen, aber noch nicht gereicht worden sind, nämlich: a. das nach Ableben des von Busch erledigte Mannlehen zu Kreutznach, {3v} wenn solches nicht schon zuvor auf eine rechtmäsige Art in andere Hände gekommen war, b. das Lehen Gräventhan und Barbenstein, c. das Mannlehen der Herrschaft, Schloßes und Thals Ehrenberg an der Bach die Ehr genannt.

Und wegen dem dritten müsse es bei den aufgestellten Grundsätzen sein Verbleiben behalten, und wäre dem Grafen von Leiningen in Ansehung dieser auf seine nochmalige Vorstellung durch das rheinpfälzische General Landeskommissariat die Entschließung bekannt machen zu lassen: daß Seine Churfürstliche Durchlaucht von der am 21. Febr. erlassenen General Verordnung291, durch welche Höchstdieselbe alle Anwartschaften auf Lehen als aufgehoben erklärt, unter solchen sowohl einfache als qualificirte Anwartschaften, nämlich eventual Investituren begriffen seyen, nicht abgehen können, auch zu einer ihm dafür gebührenden Entschädigung sich rechtlich nicht verbunden erachten, weshalb er mit seinem Gesuche um Bestättigung dieser {4r} Anwartschaften und respee. Belehnung mit jenen, welche davon inzwischen heimgefallen sind, abzuweisen sey.

Die übrigen Beanwartschafteten außer den Genannten sowohl in Baiern als Neuburg und der obern Pfalz, in der Rheinpfalz, und in dem Herzogthum Berg, hätten sich nicht gemeldet; weshalb es bei der angeführten General Verordnung vom 21. Febr. 1799 ohne eine weitere Erklärung, die überflüßig wäre, beiwenden zu lassen seye.

Kämen einzelne Reclamationen, so müssen sie nach den angenommenen Grundsätzen beurtheilt werden.

Der Staatsrath genehmigte sämtlich diese Anträge nach gehaltener Umfrage.

Beförderung der Regierungsräte Martin v. Godin und Maximilian Maria Graf v. Seyboltsdorff in den Hofrat292.

2. Wegen Besetzung der, durch Beförderung des Stürzers in das Revisorium293, und der Bitte des von Plank wegen Familien-Verhältnissen bei der Regierung Straubing belassen zu werden, erledigten zwei Hofrathsstellen, legte Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner {4v} das Gutachten des Hofraths-Directorii, und die privat Meinung des Hofraths Vice Präsidenten Grafen v. Arco vor, welche bei dem Mangel fähiger, oder den Ruf in den Hofrath annehmender älterer Regierungsräthe in ordine alphabetico die Regierungsräthe von Chlingensperg, von Goddin, Lippert, und Grafen von Seyboltsdorf in Vorschlag bringen, und nur darin von einander abweichen, daß letzterer noch den Regierungsrath Kaltenbrunner hinzu füget.

Herr von Stichaner äuserte, wie er mit diesem Gutachten des Hofraths-Directorii sich ganz vereinige, und die Auswahl aus den vorgeschlagenen Individuen dem Ermessen des Staatsrathes überlassen müsse; nach seiner Meinung aber die Regierungsräthe von Goddin und v. Chlingensperg in dem Hofrath zu befördern wären.

Der Staatsrath beschloß, nach gehaltener Umfrage auf den von Goddin und Grafen von Seyboltsdorff zur Beförderung in dem Hofrath bei Seiner Churfürstlichen Durchlaucht anzutragen294.

Anstellung des vormaligen Oberamtsadvokaten zu Alzey, Nestler, als Zentgraf in Schriesheim.

{5r} 3. Frhr. von Stengel, geheimer Justiz-Referendär, stellte dem Staatsrathe in einem schriftlichen Gutachten vor, daß nach wiederholten berichtlichen Anzeigen der bisherige Verwalter der Schrießheimer Zent-Grafen-Stelle Neubert sowohl aus Mangel der erfoderlichen Kenntnißen, als auch weil er sich das Zutrauen der Unterthanen nicht zu erwerben wisse, für diese Stelle nicht geeignet, und dessen bereits beschlossene Entfernung in Vollzug zu bringen nothwendig seye.

Der ehemalige Oberamts Advokat zu Alzey Nestler seye wegen seiner Geschicklichkeit und Treue, ganz für diesen Dienst gemacht, und da demselben durch ein höchstes Reskript zu einer Versorgung die gnädigste Zusicherung ertheilt worden, so trage er Referent darauf an, die bisherige Verwaltung des Neuberts alsbald aufheben und den Nestler als Zentgraf in Schrießheim definitiv anstellen zu lassen.

Dieser Antrag wurde von dem Staatsrathe genehmigt.

Personalvorschläge des Ministerialjustizdepartements. Bei der endgültigen Entscheidung sollen die Justizkollegien nur in besonderen Fällen vernommen werden.

4. Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner fuhr fort, den in dem Staats{5v}rathe vom 12. dieses angefangenen Vortrag abzulesen295, und infolge der dort geäuserten Grundsätze folgende Anträge des Ministerial Justizdepartements der Beurtheilung und Genehmigung des Staatsrathes zu untergeben:

7.) Franz Xaver Frey Seerichter zu Dießen solle quiescirt werden, da das ganze Amt aufhöre.

Nach Antrag296.

8.) Matthias Schreiner Pflegskommissär in Donauwörth solle quiescirt werden.

Bei der hierüber gehaltenen Umfrage äuserte Herr geheimer Rath von Krenner, daß es nun, wo der Plan des Ministerial Justizdepartements sich näher entwickle und von Beibehaltung oder Quiescirung der Justizbeamten die Rede seye, es äuserst schwer falle, auf die Abstimmungen der General Landesdirektion, wovon einzelne Glieder oft nicht im Falle wären die Subjecte zu beurtheilen und zu würdigen. Er müsse daher den Antrag stellen: die Justizkollegien über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Rechtschaffenheit der Beamten, welches ihnen aus den Acten bekannt seyn müsse, in ihren berichtlichen Gutachten zu vernehmen und hierauf die Abstimmungen einzurichten.

Der Staatsrath genehmigte nach dem Antrag des Ministerial Justizdepartements die Quiescirung des Pflegkommissars Schreiner und beschloß: auf die Abstimmung des Herrn geheimen Raths von Krenner, nach der angenommenen Ordnung in Beurtheilung der Beamten nach den Abstimmungen der General Landesdirektion fortzufahren, und nur, wenn über des ein- oder anderen juridische Kenntniße und Fähigkeiten sich Zweifel oder Anstände aufwerfen sollten, die Justizkollegien über solch einzelne Fälle in gutachtlichen Bericht zu vernehmen.

{6v} 9.) Frhr. v. Vieregg Landrichter zu Friedberg solle bei dem schon bestehenden Staatsrathsschluße quiescirt werden.

Nach Antrag297.

10.) Frhr. v. Lerchenfeld Landrichter zu Kösching, Ötting und Stammham, solle in dieser Eigenschaft quiescirt werden.

Nach Antrag.

Abbruch des Vortrages wegen »vorgerückter Mittagszeit«. Die Beschlüsse und Anträge werden vom Kurfürsten genehmigt (Schreiberhand: Montgelas).

Anmerkungen

290
Der Ansbacher (Rohrbacher) Hausvertrag vom 12. Oktober 1796 bestimmte über die »Einziehung der Lehen« in Art. 10, »alle Lehen ohne Unterschied, ob sie neuerdings konstituiret worden, oder von Alters her bestanden haben, res ab antiquo infeudari solita, nach Abgang derjenigen, welche nach der Urkunde der ersten Verleihung ein Recht darauf erlangt haben, alsogleich ein[zu]ziehen, und an niemand, wer es auch immer sey, unter keinerley Vorwand, oder welchen Beweggrund man auch darstellen möchte, weiters [zu] vergeben«. Ferner unterstanden die von den Vorgängern im Regierungsamt erteilten Lehensanwartschaften nach Art. 11 einem Genehmigungsvorbehalt, »weil die von einem vorderen Regenten ertheilten Exspektanzen keinen anderen als ihn alleine verbinden können«. Pfalzbayerischer Hausvertrag vom 12. Oktober 1796, MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. II.85, S. 141 – 150, hier S. 143; vgl. Weis, Montgelas Bd. 1, S. 287 – 293, bes. S. 290 f.
291
Die Aufhebung »alle[r] vorhin verliehene[n] Dienst-Exspectanzen, Beyordnungen, Anwartschaften auf Lehen, und unter was immer für einen Namen ertheilte[n] Adjunctionen« wurde in der VO betr. die »Aufhebung der Dienst-Exspectanzen und Adjunctionen« vom 21. Februar 1799 (MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. II.3, S. 31) einerseits mit der damit einhergehenden, unerwünschten Perpetuierung der Stellen in bestimmten Familien begründet, andererseits damit, daß »der höchsten Gewalt die Mittel benommen worden, treue und thätige Diener zu belohnen«.
292
Zum Fortgang: Nr. 64 (Staatsrat vom 15. September 1802), TOP 1.
293
Vgl. Nr. 52 (Staatsrat vom 21. Juli 1802), TOP 2.
294
Vgl. die Bekanntmachung im RegBl. 1802, Sp. 670 (20. September 1802). – Seyboltsdorff war vor seiner Verwendung im Hofrat Regierungsrat zu Landshut gewesen.
295
Nr. 58 (Staatsrat vom 12. August 1802), TOP 1.
296
Vgl. Nr. 81 (Staatsrat vom 29. Dezember 1802), TOP 3.
297
Nr. 9 (Staatsrat vom 27. Januar 1802), TOP 3.