BayHStA Staatsrat 210

11 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Graf v. Montgelas; Graf v. Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; Graf v. Welsberg.

Gerichtsverfahren gegen Dr. Sambstag

Franz v. Krenner trägt in Vertretung Johann Nepomuk v. Krenners in der Sache des Gerichtsarztes Dr. med. Sambstag vor, dem die versuchte Abtreibung des Kindes von Maria Barbara Schloßberger vorgeworfen wird. Der Antrag geht dahin, ihn wegen vier strafbaren Handlungen vor Gericht zu stellen. Der Geheime Rat beschließt, Dr. Sambstag aufgrund von zwei Vergehen vor Gericht zu stellen.

{1r} 1. Da Seine Majestät der König und Seine Königliche Hoheit der Kronprinz der auf heute angeordneten geheimen Raths Sizung nicht beiwohnten, so wurde dieselbe unter Vorsiz Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas mit einem {1v} Vortrage eröfnet, den geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] wegen der angetragenen vor Gericht-Stellung des Landgerichts-Arztes zu Leutershausen224 im Rezat-Kreise Johann Christoph Friedrich Sambstag225 puncto attentatae procurationis abortus226 bearbeitet, wegen Unpäßlichkeit aber nicht selbst vortragen konnte, sondern der aus Auftrag Seiner Excellenz des Herrn Grafen von Montgelas von dem geheimen Rathe von Krenner dem jüngeren [d.i. Franz] abgelesen wurde.

In diesem, dem Protocoll beiliegenden Vortrage227 wurde bemerkt, daß bei der vorliegenden Untersuchung es auf folgende drei Fragen ankomme: 1) Ob der Fall zur Kompetenz und zum Erkenntniß des königlichen geheimen Rathes geeignet sei? 2) Ob dabei ein – oder welche mehrere kriminelle Vergehen den Gegenstand der Untersuchung ausmachen? 3) In wie ferne der Doktor Sambstag allschon bei der bisherigen Administrativ-Untersuchung, und ob derselbe in so weit graviret sei, daß gegen ihn nunmehr auch der gerichtliche und Kriminal Prozeß eröfnet werden dürfte.

Nachdem diese Fragen ausführlich {2r} gelöset, und die Geschichte, welche diese administrative Untersuchung veranlaßt, so wie die von dem Doktor Sambstag dabei begangene Beleidigung der Amts-Ehre des Landrichters, deßen Verkauf von Medikamenten der bestehenden allerhöchsten Verordnung zuwider, und der angebracht wordene schlechte Zustand der Apotheke in Leutershausen vorgelegt worden, äußerte sich Referent, daß er im Ganzen ebenfalls nicht anders (als wofür sich auch bereits das königliche Justiz-Ministerium unterm 30ten Oktober vorigen Jahres erklärt hat) dahin antragen könne, daß der Landgerichts Arzt Doktor Sambstag wegen den ihm in seiner Art zu Last liegenden erörterten vier verschiedenen strafmäsigen Handlungen und Vergehen vor Gericht gestellet, und nunmehr wegen denselben der gerichtlichen Untersuchungs Prozeß eröfnet werde.

Diesem Antrag fügte Referent die Bemerkung bei, daß, weil nunmehr die vor Gericht-Stellung der Beamten durch das Justiz Ministerium verfügt werde, es nöthig seie, das einschlägige königliche Appellazions Gericht auf die in der vorliegenden Sache verschiedene {2v} vorhandene Untersuchungs Objecte mit bestimmter Anführung derselben aufmerksam zu machen, weil bis gegenwärtig noch die instruirende Stellen die ahndungswürdigste Selbstanfertigung und Ausgebung der Medikamente, dann die bei der Suspensions Verkündung von dem Doktor Sambstag angezeigtermaßen verübte vis publica schlechterdings nicht berüksichtiget werden.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage, und riefen den geheimen Rath von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] als Stellvertreter des durch Krankheit verhinderten Referenten auf, seine Meinung zu äußern.

Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere vereinigte sich mit dem Antrage des Referenten, da der Versuch zu Abtreibung eines Kindes, und die von dem Doktor Sambstag beleidigte Amts-Ehre des Landrichters denselben allerdings zur gerichtlichen Untersuchung qualifizire, obschon er nach seiner Privat-Überzeugung die Meinung habe, daß es kein medizinisches Mittel gebe, welches die Abtreibung eines Kindes {3r} bestimmt bewirke, und es aus diesem Grunde vielleicht zwekmäsig sein könnte, das Medizinal Bureau in Bamberg zuvor in seinem Gutachten zu vernehmen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister und alle übrige anwesende Mitglieder waren einstimmig der Meinung, daß der Landgerichts Arzt Sambstag wegen dem Versuche der Abtreibung des Kindes der Maria Barbara Schloßbergerin, und wegen der von ihme geschehenen Beleidigung der Amts-Ehre des Landrichters allein vor Gericht gestellt, und nur diese zwei Puncte der gerichtlichen Untersuchung unterworfen werden sollten, indeme die dem Doktor Samstag zu Last kommende Verfertigung und Ausgebung der Medikamente, so wie die mangelhafte und schlechte Bereitung der Medikamente in der Apotheke zu Leutershausen kein Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein können, sondern sich nur zu Einschreitung der administrativ Stellen eigne, welche das Ministerium des Innern auf geschehene Mittheilung der Auszüge aus dem Vortrage zu veranlaßen habe.

{3v} Bei diesen Abstimmungen machte Herr geheimer Rath von Effner die Erinnerung, daß bestimmt werden müße, durch wen die gerichtliche Untersuchung verfügt werden solle, indem das Landgericht als hier betheiliget, dieselben nicht vernehmen könne, es auch Anstände haben könnte, ein benachbartes Landgericht damit zu beauftragen. Er glaube, daß diese Untersuchung dem nächsten Stadtgerichte übertragen, und daßelbe hiezu durch das einschlägige Appellazions Gericht angewiesen werden könnte.

Herr geheimer Rath Graf von Preising fügte seiner Abstimmung den Wunsch bei, daß nicht so junge Leute als Landgerichts-Aerzte auf das Land hinaus geschikt werden mögten.

Nach dieser einstimmigen Meinung der Mitglieder des geheimen Rathes wurde beschloßen, bei seiner Majestät dem Könige auf die Stellung des Landgerichts Arztes Samstag vor Gericht wegen dem Versuch zu Abtreibung eines Kindes, und wegen der von ihme geschehenen Beleidigung der Amts-Ehre des Landrichters allerunterthänigst anzutragen, und das Stadtgericht in Ansbach durch das Justiz-Ministerium zur Einschreitung dieser {4r} gerichtlichen Untersuchung anweisen zu laßen.

Dem Ministerium des Innern wären Auszüge aus dem geheimen Raths Vortrag mitzutheilen, um wegen der darin angeführten, dem Doktor Sambstag zu Last kommenden Selbstverfertigung und Ausgebung der Medikamente, so wie wegen der schlechten Bereitung der Medikamente in der Apotheke zu Leutershausen, durch die Administrativ-Stellen die deßwegen nöthige Einschreitungen zu veranlaßen.

Verteilung von Gemeindegründen (R)

Effner trägt über die Beschwerde vor, die Gemeindemitglieder zu Unterschwaningen gegen eine Entscheidung des Generalkommissariats des Rezatkreises im Rekursweg an den Geheimen Rat gebracht haben. Der Rekurs wird v.a. wegen Fristversäumnis antragsgemäß abgewiesen. Daran anschließend beantragt der Geheime Rat, der König möge beschließen, es solle in Fällen der Landeskultur künftig fallweise möglich sein, von der strengen Fristenregelung abzusehen.

2. Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas forderten hierauf die Herrn geheimen Räthe Grafen von Tassis, von Effner, Freiherrn von Asbek und Grafen von Welsberg auf, die von ihnen bearbeiteten Rekurs Sachen vorzutragen.

In Folge deßen erstattete Herr geheimer Rath von Effner über den Rekurs der Gemeinde zu Unterschwaningen Landgerichts Waßertrüdingen228 im Rezatkreise gegen die Tropf-Häußler229 daselbst wegen Gemeinde-Gründe Vertheilung schriftlichen Vortrag, führte darin die Geschichte und den Veranlaß dieses Streites, so wie die Erkenntniße des Landgerichts und des General-Kommißariats {4v} nebst den Entscheidungs Gründen an, und bemerkte, daß gegen lezteres von den Gemeinds-Gliedern der Rekurs zur höchsten Stelle genommen worden, und welche Bitte sie gestellet.

Die deßwegen eingekommene Akten seien ihme von Effner zum Vortrage zugestellt worden, und er finde sich dadurch aufgerufen, zu bemerken, daß die Rekurrenten die gesezliche Appellazions Fatalien versäumt, wie sich aus dem Tage der Praesentazion zeige, und wie derlei Versäumniße auch nach der Verordnung vom 8ten August vorigen Jahres in dem geheimen Rathe schon mehrmal beurtheilet worden230.

Wenn auch gleich vor dem Erscheinen dieser Verordnung über die Kompetenz des geheimen Rathes jene Rekurrenten, welche die vorgeschriebene Fatalien versäumt, meistens aus der Ursache wieder restituiret worden, weil die Zeitfrist nach der früheren Anordnung zu kurz gewesen, so glaube Referent dennoch, daß dermal, wo die Fatalien auf 30 Tage gesezt seien, mit Restituzion gegen den Ablauf derselben nicht so freigebig mehr solle verfahren, sondern dieselbe ohne zureichende Ursachen immer, wie bei Justiz Stellen geschehe, um so mehr sollten verweigert werden, {5r} als durch den Ablauf derselben dem appellatischen Theile schon ein Anspruch auf die Rechtskraft des vorigen Urtheils zuwachse, welche ihme ohne legale Ursache nicht mehr benommen werden könne.

Nach dieser Voraussezung, und da die Rekurrenten die behauptete Nichtigkeit des Erkenntnißes des General-Kommißariats nicht bewiesen haben, machte geheimer Rath von Effner den Antrag, diese mit ihrem Rekurs abzuweisen, und las einen nach dieser Meinung verfaßten Reskripts-Aufsaz an das General-Kommißariat des Rezat-Kreises ab.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage, und da die Mehrheit der Mitglieder sich mit den Ansichten des Referenten in dem vorgetragenen Falle vereinigten

so wurde der abgelesene Reskripts Entwurf in dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.

Da einige Herrn geheimen Räthe in ihren Abstimmungen sich für strenge Beobachtung der bei den Rekursen an den geheimen Rath auf 30 Tage nunmehr angeordneten Fatalien nach der Meinung des Herrn Referenten als allgemeinen Grundsaz erklärten {5v} andere hingegen, und vorzüglich Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere sich äußerten, daß es nicht räthlich, dem höheren Staats Intereße nicht entsprechend sein würde, wenn man wegen der Versäumniß der Fatalien um einige um 8 und 14 Tage in die Materialien der Sache nicht eingehen, sondern die Rekurse wegen dieser Versäumniß sogleich abweisen wollte, auch Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco sich gegen die strenge Beobachtung der Fatalien in so lange äußerten, als die Protokollirung derlei Rekurse bei dem General Protocoll des Ministeriums des Innern nicht den Tag ihres Einlaufs geschehe, sondern oft mehrere Tage verzögert würden, wie einige Beispiele vorlägen.

So fanden sich Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas veranlaßt, über die Verschiedenheit der Ansichten in Beziehung auf die Beobachtung der Fatalien eigends abstimmen zu laßen.

Da aber die Mehrheit der Mitglieder des geheimen Rathes bei dieser Umfrage sich für die Meinung erklärte, daß auf die Beobachtung dieser Fatalien nicht so streng {6r} gehalten werden solle,

so wurde beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen, als Grundsaz für den geheimen Rath allergnädigst auszusprechen, daß die zum Rekurs an den geheimen Rath auf 30 Tage bestimmte Fatalien zwar beibehalten, allein wegen der höheren Staats-Rüksichten, die bei Kulturs und andern, den Justiz Stellen entzogenen und an den geheimen Rath gewiesenen Rekursen eintreten können, und weil die Praesentazion derselben wegen dem so häufigen Einlauf bei dem Ministerium des Innern nicht immer den nämlichen Tag geschehen kann, auf deren Beobachtung nicht so streng gehalten, sondern nach der bisherigen Observanz und nach Würdigung der dabei eintretenden Umständen die Restitution in integrum231 erleichtert und in die Materialien des Streites selbst eingegangen werden solle232.

Gewerbestreit (R)

Thurn und Taxis trägt über den Rekurs der Weber in Ansbach gegen die Entscheidung des Generalkommisariats des Rezatkreises vor, das dem Adam Schwenolo eine Erlaubnis zur Produktion bestimmter Textilien erteilt hat. Thurn und Taxis trägt an, die Entscheidung des Generalkommissariats zu bestätigen; der Geheime Rat folgt dem Antrag.

3. Der königliche geheime Rath Herr Graf von Tassis erstattete in Sachen des bürgerlichen Inwohners Adam Schwenolo233 zu Ansbach gegen das dortige Webergewerk wegen Gewerbs-Beeinträchtigungen schriftlichen Vortrag, und bemerkte darin, wie diese Beschwerde des Webergewerks in Ansbach durch die dem Adam Schwenolo {6v} von dem Polizei Commißariat allda ertheilte Erlaubniß, mit einem Stuhle Siamoise und Schwandons234 zu fabriziren, veranlaßt, und unter welcher Beschränkung dem Webergesellen Schwenolo diese Erlaubniß von dem General-Kommißariate des Rezat-Kreises auf Empfehlung des Polizei Kommißariats zu Ansbach ertheilt worden.

Auf die weitere Beschwerde des Weber-Gewerks in Ansbach, daß der Weber-Gesell Schwenolo die ihme auferlegte Beschränkung überschritten habe, das Polizei Commißariat nach Instruction dieser Beschwerde aus mehreren Gründen den Bescheid dahin erlaßen, „daß dem konzeßionirten Weber-Gesellen die Fertigung von ordinär gestreiften als ein offenbarer Nachtheil der Weberzunft in Ansbach nicht mehr gestattet werde, und zwar unter der Bedrohung, daß man im Übertretungs-Falle um die Abnahme seiner Conceßion höheren Orts den Antrag machen würde“.

Auf die von dem Webergesellen Schwenolo dagegen ergriffene Appellazion an das General Kommißariat habe dieses aus den angegebenen Gründen erkannt: {7r} daß dem Appellanten Schwenolo zu Folge der ihm ertheilten Conceßion zu Fertigung aller derjenigen Arten von Zeugen, welche bisher und vorhin in der Lechlerinschen, dann Schiel und Eichschen Fabrike unter dem Namen Siamoise und Schwandons von ihm verfertiget worden, berechtiget sein solle“.

Hiegegen hätte das Webergewerb den Rekurs zum königlichen geheimen Rathe genommen und die Bitte gestellt, das Erkenntniß der 2ten Instanz aufzuheben, und das erster Instanz zu bestätigen.

Da dieser Gegenstand ihme Grafen von Tassis zum Vortrage zugestellt worden, so machte derselbe aus mehreren in dem Vortrage ausgeführten Gründen den Antrag: dem konzeßionirten Weber-Gesellen die Verfertigung der Siamoise und Schwandons nur unter der Einschränkung zu gestatten, als man in Deutschland ein Gewebe von Seide und Baumwolle darunter verstehe.

Bei der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas über diesen Antrag verfügten {7v} Umfrage entschied die Mehrheit der Mitglieder des geheimen Rathes sich dafür, daß die Entscheidung des General Kommißariats des Rezatkreises zu bestätigen wäre, weil es die Absicht der Regierung bei Verleihung der dem Schwenolo ertheilten Konzeßion gewesen sein müße, denselben zu berechtigen, Siamoise und Schwandons auf die nämliche Art zu verfertigen, wie sie in der Lechlerlischen und in den Augsburgschen235 Fabriken, dann in Eberfeld236 und ganz Deutschland verfertiget werden.

Nach dieser Mehrheit wurde beschloßen, die Entscheidung des General Kommißariats des Rezat Kreises zu bestätigen237.

Weiderechte (R)

Im Streit zwischen Untertanen zu Laubendorf und weiteren Untertanen wegen Weiderechten beschließt der Geheime Rat, die Entscheidung des Generalkommissariats des Pegnitzkreises zu bestätigen.

4. In der Streitsache der vormaligen Mediat-Unterthanen Martin Gebhard et Cons. zu Laubendorf238 gegen den vormaligen Immediat-Unterthanen Jacob Hünn et Cons. allda wegen Beeinträchtigung der Hütungs Gerechtigkeit, erstattete der königliche geheime Rath Herr Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, worin derselbe den Veranlaß und die Geschichte dieser Streitsache anführte, und die Entscheidungen des Landgerichts Radolzburg239 [!] und {8r} des General Kommißariats des Pegniz-Kreises nebst den dazu veranlaßten Gründen aushob.

Graf von Tassis bemerkte in seinem Vortrage die Stellen der in den Regierungsblättern aufgenommenen Verordnungen, welche auf diesen Fall anwendbar, und äußerte, daß nach seiner Ansicht den Weidberechtigten240 eine Entschädigung zustehe, daß diese aber nicht in Grund und Boden sondern nach dem Werthe ihres verlornen Rechtes zu ermeßen sein werde, welche durch besonderes Verfahren von Sachverständigen unter Aufsicht der untern Gerichts-Stellen auszumitteln wäre.

Nach dieser Ansicht legte Graf von Tassis einen Reskripts-Entwurf an das einschlägige General Kommißariat vor.

Durch die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügte Umfrage ergab sich, daß alle Mitglieder des geheimen Rathes sich dafür erklärten, daß das Erkenntniß des General Kommißariats zu bestätigen sei, weil der Gegentheil nicht appeliret, und folglich nicht ohne Veranlaß {8v} der Bittenden eine ihnen günstige Entscheidung ertheilt werden könne.

Nach diesem Schluße wurde angenommen, daß das Erkenntniß des General Kommißariats in dieser Sache des eingelegten Rekurses ohngeachtet, bestätiget werden solle241.

Entschädigung für verlorenes Weiderecht (R)

Asbeck trägt im Streit um Entschädigung zwischen der Gemeinde Berg und den Besitzern der „Ließwiese“ vor. Der Geheime Rat folgt dem Antrag, die Entscheidung des Generalkommissariats des Altmühlkreises mit einer Ergänzung zu bestätigen.

5. Über den Rekurs der Gemeinde Berg242 und der oberen Vorstadt Donauwörth gegen die Besizer der Ließwiese wegen Entschädigung für die verlorne Weide auf jenen Wießen, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag.

In demselben sezte derselbe die Geschichte und den Veranlaß dieser Streitsache auseinander, führte die Erkenntniße des Landgerichts Donauwörth und des vormaligen General Kommißariats des Altmühl Kreises nebst den Entscheidungs-Gründen an, und äußerte, daß, da die königliche Verordnung vom 15 Merz 1808 eine Entschädigung für derlei Weidverlust unstreitig begründe, indem sie ausspreche: „jedoch hat die Wiedervergütung des ursprünglichen Erwerb-Preißes, und die Aufhebung der allenfalls für die Weid bedungenen jährlichen Praestazionen allerdings statt“243, so könne nach dieser Bestimmung {9r} die Moderazion der zu entrichtenden Praestazionen nicht umgangen werden; sie auszusprechen, seie hier der Ort, sie zu reguliren, komme nur der Finanz Behörde zu.

Er trage deßwegen aus den angeführten Gründen auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats mit dem Anfange an: daß den Rekurrenten eine verhältnißmäsige Moderazion der in Ansehung des bisherigen Weidgenußes auf den Ließwiesen zu entrichtenden Praestazionen bei den einschlägigen Finanz Behörden nachzusuchen, ohnbenommen bleibe.

Nach diesem Antrage legte geheimer Rath Freiherr von Asbek einen Reskripts-Entwurf vor. Einstimmig wurde nach verfügter Umfrage dieser Antrag

von dem königlichen geheimen Rathe angenommen244.

Sachbeschädigungen (R)

Welsberg erstattet Bericht in der Streitsache um Beschädigung von Grundstücken in der Gemarkung Rattelsdorf. Der Geheime Rat folgt seinem Antrag, die Entscheidung des Generalkommissariats des Mainkreises zu bestätigen.

6. Der königliche geheime Rath Graf von Welsberg erstattete über die Beschädigung der von auswärtigen Gemeinds Gliedern in der Rattelsdorfer245 Flur Markung im Main-Kreise gelegenen Grundstüken durch die Rattelsdorfer Orts Einwohner {9v} schriftlichen Vortrag.

Derselbe führte darin die Geschichte und den Veranlaß dieser Streitsache an, hob aus den Akten den Prozeß aus, der deßwegen bei dem kaiserlichen Reichs Kammergericht in Wezlar anhängig wurde, und legte einen Akten Auszug über die Verhältniße und Verhandlungen vor, die in dieser Sache seit der Territorial Veränderung und der Epoche eingetreten, wo Bamberg an die Krone Baiern gekommen246.

Das Erkenntniß des General Kommißariats des Mainkreises nebst den Entscheidungs Gründen, so wie die vorzüglichste Gründe des dagegen an Seine Königliche Majestät ergriffenen Rekurses wurden von dem Grafen von Welsberg ausgezogen, und von demselben aus allen vorgelegten Rüksichten und Gründen mit Berüksichtigung der zwischen den Gemeinden Rattelsdorf und Ebing247 herrschenden Gehäßigkeit und des Entgangs der ersten Instanz für die Gemeinde Rattelsdorf den [!] Antrag dahin gestellt, daß die Entscheidung des General-Kommißariats des Mainkreises bestätiget werde.

Mit diesem Antrage übereinstimmend legte Graf {10r} von Welsberg einen Reskripts Entwurf an das General Kommißariat des Mainkreises vor.

In Folge der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage

wurde dieser Antrag von dem königlichen geheimen Rathe einstimmig genehmiget248.

Beeinträchtigung eines Schafweiderechts (R)

Effner trägt in einer Streitsache wegen Beeinträchtigung eines Weiderechts vor. Der Rekurrent fordert eine hinreichende Entschädigung. Da Effner die Kompetenz des Geheimen Rates formalrechtlich bestreitet, trägt er auf Abweisung des Rekurrenten an; der Geheime Rat folgt ihm.

7. Über den Rekurs des Philipp Strehle, Schwarzenberger249 Hofbesizers nächst Donauwörth gegen die Gemeinden Wörnizstein250, Heitenbach251 und den Reicherts-Hofbauern respec. das vormalige General Kommißariat des Altmühlkreises wegen Hemmung der Schaafweids-Gerechtigkeit um eine hinreichende Entschädigung erstattete Herr geheimer Rath von Effner schriftlichen Vortrag, worin derselbe nach Anführung der Geschichte dieses Streites bemerkte, daß wenn auch der Rekurrent gegen den Ablauf des Fatale, welches er offenbar versäumt habe, in den vorigen Stand wieder eingesezt werden sollte, sich nach seiner Ansicht der gegenwärtige Rekurs dennoch nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes eigne, weil vor der Erscheinung der {10v} königlichen Verordnung über die Kompetenz deßelben vom 8ten August vorigen Jahres gegen zwei gleichlautende Erkenntniße der Kulturs Stellen ein Rekurs zur allerhöchsten Stelle nicht statt habe252, und dafür das Erkenntniß des General Kommißariats vom 7ten Juli 1810, weil es noch vor der Verordnung vom 8ten August vorigen Jahres eröfnet worden, folglich in Rechtskraft übergegangen, und dieser Saz erst ohnlängst in einem ähnlichen Falle bei Gelegenheit eines von dem Referenten gemachten Vortrages aufgestellt und angenommen worden sei.

Aus diesem Grunde trage Referent auf Abweisung des Rekurrenten, und auf Erlaßung der verfaßten allerhöchsten Entschließung an. In Folge der verfügten Umfrage

wurde dieser Antrag von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget253.

Kriegskostenvergütung (R)

Welsberg trägt die Forderung des Vorstehers der jüdischen Bevölkerung im Landgericht Heidenheim wegen Vergütung von Kriegskosten vor. Der Geheime Rat weist den Rekurs als nicht in die Kompetenz des Geheimen Rates gehörig ab.

8. Über die Vorstellung des Parnoßen der Judenschaft im Landgerichte Haidenheim254, Nathan Levi wegen Krieges Konkurrenz Vergütung erstattete der königliche geheime Rath Graf von Welsberg schriftlichen Vortrag, legte in einem Akten Auszug die geschichtliche Verhältniße dieser Konkurrenz vor, hob die Bitte des Parnoßen der Judenschaft um Umlage und Vergütung ihres Vorlehens der Judenschaft mit 2.122 fl. aus, und machte, nachdem {11r} derselbe die Verhandlungen, die bei dem General Kommißariat des Altmühl Kreises statt gehabt, angeführt hatte, den Antrag, mit Rüksendung der Akten an das General Kommißariat des Oberdonaukreises zu erkennen, daß zwar die Entscheidung des vormaligen General Kommißariats des Altmühl Kreises vom 15 Merz 1809 bestätiget werde, daß aber nach gepflogener ordnungsmäsiger Liquidirung dieser Forderung von Seite des General-Kommißariats des Rezat-Kreises wegen dieser Vergütung und um Umlage sich beide Kommißariate gemeinschaftlich zu benehmen hätten.

Ein nach diesem Antrage verfaßter Reskripts Aufsaz wurde von dem geheimen Rath Grafen von Welsberg vorgelegt.

In Folge der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage erklärten sämmtliche Mitglieder des geheimen Rathes diesen Gegenstand als nicht zum geheimen Rathe, sondern zur Verbescheidung des einschlägigen Ministerii geeignet

und so wurde beschloßen, zu erkennen, daß der in dieser Sache ergriffene Rekurs an den geheimen Rath nicht statt habe255.

Bestätigung der Anträge des Geheimen Rates durch den König (10. Februar 1811).

Anmerkungen

224

Leutershausen, Landkreis Ansbach, Mittelfranken.

225

Sambstag immatrikulierte sich 1800 als Student der Medizin in Erlangen; 1804 Promotion zum Dr. med. (Matrikel Erlangen, S. 416). Die Bekanntmachung vom 6. Oktober 1809 betr. die „Organisation und Ernennung der Gerichts-Aerzte“ in den Landgerichtsbezirken, RegBl. 1809, Sp. 1818-1836, nennt Sambstag als „neu angestellt[en]“ Gerichtsarzt im Landgericht Leutershausen, Naabkreis (Sp. 1830).

226

Das crimen attentatae procurationis abortus bezeichnet die Straftat der versuchten Herbeiführung der Fehlgeburt, d.h. der versuchten Abtreibung.

227

Johann Nepomuk Gottfried von Krenner, „Vortrag für den königlichen geheimen Rath, die in Antrag gebrachte Vorgerichtstellung des Landgerichts Arztes zu Leutershausen im Rezat Kreise Doktors Johann Christoph Friedrich Sambstag betr.“, 24. Januar 1811, lithographierter Text, 28 S., BayHStA Staatsrat 210.

228

Unterschwaningen und Wassertrüdingen liegen im Landkreis Ansbach, Mittelfranken.

229

Zu einem Tropfhaus gehörte nur so viel Grund und Boden, wie im Bereich der Dachtraufe lag – das Grundstück war folglich so groß wie der Bereich, der vom herabtropfenden Regen erreicht wurde. Vgl. DWB Bd. 11 I 2, Sp. 885 s.v. T.; BWB Bd. 1, Sp. 673 s.v. Tropf- oder Träpfhäuslein.

230

Die Berufungsfrist von der zweiten zur dritten Instanz betrug 30 Tage, vgl. VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. II Art. 1, RegBl. 1810, Sp. 645.

231

Bei der (auf Antrag gewährten) restitutio in integrum contra lapsum fatalium, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wird eine Partei, die ohne eigenes Verschulden eine Prozeßhandlung innerhalb der vorgeschriebenen Frist versäumt hat, so gestellt, „daß die an sich verspätete Prozeßhandlung als rechtzeitig vorgenommen“ gilt. Werkmüller, Art. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in: HRG Bd. 5, Sp. 1366-1368, Zitat Sp. 1366.

232

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 317.

233

Vgl. RegBl. 1811, Sp. 318: Schwenold.

234

Siamose: halbseidenes Tuch aus Seide und Leinen oder aus Seide und Baumwolle. Auch farbig gestreifte Tuche aus Leinen und Baumwolle wurden unter diesem Namen in den Handel gebracht. Vgl. Krünitz, Encyclopädie Bd. 153, S. 549 s.v. Siamoise; Glafey, Textil-Lexikon, S. 736 s.v. Siamosen; Poppe, Real-Lexikon, S. 343 s.v Siamose. Swandown ist gerauhter Barchent für Wäschezwecke. Koch/Satlow (Hgg.), Textil-Lexikon, Bd. 2, S. 456 s.v. B.

235

Die Textilbranche (v.a. Kattundruck) war in Augsburg im 18. Jahrhundert von großer wirtschaftlicher Bedeutung, geriet aber seit etwa 1790 in eine schwere Krise. Häberlein, Wirtschaftsgeschichte, S. 153f.

236

Elberfeld, heute Ortsteil von Wuppertal (Regierungsbezirk Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen), hatte im 18. Jahrhundert und darüber hinaus eine bedeutende Textil- und Bekleidungsindustrie (Garnverarbeitung). Groten, Nordrhein-Westfalen, S. 1119-1123.

237

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 318.

238

Laubendorf, Ortsteil von Langenzenn, Landkreis Fürth, Mittelfranken.

239

Gemeint ist das im Pegnitzkreis gelegene Landgericht Cadolzburg (zeitgenössisch: Kadolzburg), das aus dem gleichnamigen, früheren ansbachischen Justizamt „mit Ausnahme des an das Landgericht Nürnberg gekommenen Bezirkes“ bestand. Vgl. VO betr. die „Territorial-Einteilung des Königreichs Baiern“ vom 21. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1481-1486, hier Sp. 1482; VO betr. die „Landgerichts-Eintheilung in der Provinz Ansbach“ vom 7. August 1808, ebd., Sp. 1689-1698, hier Sp. 1697 (Zitat).

240

Weideberechtigte haben das Recht, ihr Vieh auf Gründen weiden zu lassen, die nicht ihr (alleiniges) Eigentum sind. Vgl. DWB Bd. 28, Sp. 557 s.v. weideberechtigt.

241

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 318.

242

Berg, Ortsteil von Donauwörth, Landkreis Donau-Ries, Schwaben.

243

VO betr. die „Erläuterung einiger Kultur-Verordnungen“ vom 15. März 1808, RegBl. 1808, Sp. 677-680, zit. Art. 1 a.E., Sp. 678.

244

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 317.

245

Rattelsdorf, Landkreis Bamberg, Oberfranken.

246

Das „Besitznahme-Patent“ des Kurfürsten Maximilian Joseph datiert vom 22. November 1802; am 29. November folgten die Proklamation der Zivilbesitznahme und die Resignation des (letzten) Bamberger Fürstbischofs Christoph Franz Freiherr von Buseck (1724-1805). Vgl. „Besitznahme-Patent Seiner Churfürstlichen Durchlaucht für die Fürstenthümer in Franken“ vom 22. November 1802, RegBl. Franken 1803, S. 3f.; Weiss, Bamberg, S. 192. Eingehend zum Herrschaftsübergang Dippold, Umbruch.

247

Ebing, Ortsteil von Rattelsdorf, Landkreis Bamberg, Oberfranken.

248

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 317.

249

Schwarzenberg, Einöde in der Gemarkung Wörnitzstein.

250

Wörnitzstein, Ortsteil von Donauwörth, Landkreis Donau-Ries, Schwaben.

251

Heute: Huttenbach.

252

Kompetenzregelung: VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 1, RegBl. 1810, Sp. 643f. = DVR Nr. 287/1, S. 667f.

253

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 317.

254

Markt Heidenheim, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken.

255

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 317.