BayHStA Staatsrat 289

13 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

Korrespondenzform der Unterbehörden

Zentner berichtet über die geeignete Form, wie Unterbehörden mit Amtspersonen, Adeligen, Gutsbesitzern und Pfarrern korrespondieren sollen. Auszugehen ist von der Frage, ob in Anbetracht der geltenden Gleichheit vor dem Gesetz bestimmten Personen Distinktionen zuerkannt werden dürfen. Zentner kommt zu dem Ergebnis, daß es der Konstitution des Königreichs nicht entgegen steht, in den äußeren Formen der Korrespondenzen Unterschiede zu machen. Der Geheime Rat folgt dieser Ansicht.

{1r} 1. In der durch allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Königs auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung {1v} wurde von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas, welche bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs den Vorsiz führten, Herr geheimer Rath von Zentner aufgerufen, den bearbeiteten Vortrag über die Ausfertigungen der Unterbehörden an Personen von einem ansehnlichen Amte oder Stande zu erstatten.

Diesem Aufrufe folgend unterrichteten geheimer Rath von Zentner durch den dem Protokolle beiliegenden lytographirten Vortrag2013 *Beilage I*[Marginalie] von der bisherigen Korrespondenz-Form zwischen den verschiedenen Stellen und Behörden, von den deßwegen bestehenden königlichen Verordnungen und von der bei den Unterbehörden nach Erscheinung der Konstituzion2014 und einiger organischen Edicten, insbesondere des Edictes über die Gerichtsverfaßung2015, dann der Verordnung vom 17 Juni 18092016 entstandenen Meinung, daß sie in ihren Ausfertigungen an Privaten keinen Unterschied mehr beobachten dürften.

Herr geheimer Rath von Zentner führten einige Beschwerden an, {2r} welche durch dieses Benehmen der Unterbehörden veranlaßt worden, und legten die Ansichten vor, welche sowohl das ehemalige General-Kommißariat des Altmühl Kreises als auch die Ministerial Polizei-Section in ihren Berichten und Anträgen rüksichtlich dieser Ausfertigungen der Unterbehörden geäußert. Der von der lezten Stelle verfaßte Entwurf einer allerhöchsten Verordnung seie dem dirigirenden Herrn Minister des Innern [Montgelas] vorgelegt, von demselben aber an den königlichen geheimen Rath verwiesen worden, um sein Gutachten darüber nach der Konstituzion des Reiches und den bestehenden organischen Edicten abzugeben.

Herr geheimer Rath von Zentner als ernannter Referent im geheimen Rathe bemerkten, die eigentliche Frage, worüber der geheime Rath sein Gutachten abzugeben seie: Kann nach der Konstituzion und den organischen Edicten des Reiches noch eine politische Ungleichheit der Ständen statt haben? Hievon hänge die weitere Frage ab, ob den Personen dieser Ständen in den äußeren Formen vor andern Staatsbürgern bestimmte {2v} Distinkzionen nach den bestehenden konstituzionellen Gesezen ertheilet werden können? Dieselben beantworteten diese beide Fragen, und zeigten, daß weder die Konstituzion des Reiches gewiße Auszeichnungen ausschließe, sobald sie nur gesezlich seien, und auch der Richter sie beobachten müße, indeme dadurch die Gleichheit vor dem Geseze nicht aufgehoben werde, eine verschiedene äußere Form, nach welcher eine Privatparthei vor der andern nach ihrem Stande behandelt werde, auf das Richteramt keinen Einfluß habe, noch auch, daß die Verordnungen über die Aufhebung der Siegelmäßigkeit2017, das Edict über die Gerichtsverfaßung, die Verordnung über die Korrespondenz-Form zwischen den Administrativ- und Gerichtsbehörden etwas gegen die aufgestellte Fragen entscheide, sobald man nur den wahren Sinn und die Absicht dieser Gesezen untersuche.

Aus dem Vorgelegten zogen Herr geheimer Rath von Zentner die Schlußfolge, daß es demnach weder der Konstituzion noch den organischen Edicten des Reiches entgegen, wenn in der äußeren {3r} Form der Ausfertigungen an Personen gewißer Stände eine Verschiedenheit eingeführt werde, und daß sich ein solcher Unterschied mit den bestehenden Verordnungen wohl vereinbaren laße.

Nach Untersuchung der weiteren Frage: Ist aber auch die Einführung eines solchen Unterschiedes nothwendig und räthlich, wie soll die dabei zu beobachtende Form bestimmt, und auf welche Personen beschränkt werden? machten Herr geheimer Rath von Zentner den Antrag, eine allgemeine Verordnung wegen diesen Ausfertigungen der Unterbehörden zu erlaßen. Sie lasen einen von Ihnen bearbeiteten Entwurf dieser Verordnung ab, welche im wesentlichen mit dem Vorschlage der Polizei Section übereinstimme, nur den Eingang abändern zu müßen hätten Sie geglaubt, theils weil er ein wenig zu hart gegen die Unterbehörden abgefaßt, theils weil, nachdeme der privilegirte Gerichts Stand mehreren Individuen und einer ganzen Klaße von Gutsbesizern {3v} wieder ertheilt worden, nicht mehr gesezt werden könne. „Seine Königliche Majestät gedächten zwar nicht, die in Folge der Konstituzion angeordnete allgemeine Kompetenz der Untergerichten zu beschränken, sondern wollten vielmehr ein gleiches vollkommenes Kompetenz-Recht auch für die übrigen Administrativen-, Polizei- und Finanz-Unterbehörden rüksichtlich aller zu ihrem Geschäftskreise gehöriger Gegenständen und aller in ihrem Sprengel befindlichen Personen hiemit besonders aussprechen.“

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten, Ihnen seie keine Beschwerde bekannt, die gegen eines der Stadtgerichte über Unhöflichkeit in Ausfertigungen angebracht worden, obschon nicht zu mißkennen, daß einige derselben sich dabei eines sehr harten Styles bedienten. {4r} Selbst in dem Vortrage wurden nur zwei Beispiele angegeben, wo gegen königliche Landgerichte Beschwerden wegen unhöflicher Schreibart erhoben worden. Diese einzelne zwei Fälle und der stylus forens[is], in welchem einige Stadtgerichte schrieben, *und wohin auch das von Landgerichts wegen zu reihen,* [Ergänzung auf der rechten Blatthälfte] schienen Ihnen nicht hinlänglich, um eine öffentliche Rüge gegen alle königliche Unterbehörden in das Regierungs-Blatt aufzunehmen und dadurch gleichfalls dieselben einer allgemeinen Unhöflichkeit anzuklagen, und sie öffentlich zu mehrerer Höflichkeit zu ermahnen. Sie glaubten, daß das Nämliche, was der Antrag des Referenten bezweke, durch Ministerial-Einschreitung erreichet, und auf diesem Wege mit Umgehung der Ausschreibung einer allgemeinen Verordnung durch das Regierungs Blatt die zwei Landgerichte zu Recht gewiesen und allgemein befohlen werden könnte, künftig den in dem Entwurfe benannten Personen das Prädikat Herr in den Ausfertigungen der Unterbehörden zu geben.

Die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs und Graf von Tassis stimmten mit dem Herrn Referenten, doch waren {4v} Herr geheimer Rath Graf von Tassis mit des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz der Meinung, daß diese Verordnung nicht öffentlich durch das Regierungsblatt auszuschreiben wäre.

Herr geheimer Rath von Krenner erklärten sich für den Entwurf der Verordnung nach dem Vorschlage des Herrn Referenten mit der Aenderung, daß die Formel, von Stadtgerichts von Landgerichts wegen, welche gegen die Sprachrichtigkeit anstoße, in die bisher bei den Stadtgerichten schon angenommene umgeändert werde, das königliche Stadtgericht, das königliche Landgericht eröfnet, auch würden Sie noch beifügen, königliches Rentamt, und so weiter, um keine Unterbehörde einzeln aufzustellen, als ob nur sie die anbefohlene Achtung in den Ausschreibungen verlezet. Für die öffentliche Ausschreibung durch das Regierungs-Blatt äußerten sich Dieselben, weil eine die vorherige Verordnungen abändernde Bestimmung dadurch gegeben werde.

Herr geheimer Rath Freiher von Aretin stimmten dem Antrage des Herrn Referenten in der Hauptsache um so mehr bei, {5r} als der eigentliche Zwek der früheren Verordnungen und Edicten im Grunde nur die Abschaffung der verschiedenen Papier-Gattungen, der Art der Zusammenlegung derselben und das Heer der verschiedenen Titulaturen gewesen, nie aber zu jener unhöflichen Schreibart den Anlaß hätte geben sollen, welche ziemlich allgemein von den meisten Landgericht [!] gebraucht werde. Nur folgende Aenderungen in dem Entwurfe der Verordnung würden Sie treffen. Die drei Zeilen am Schluße der ersten Seite sondern diese wie die geringsten aus der Volks-Klaße ohne allen Unterschied behandelt würden Sie weglaßen, weil darin eine unnöthige Erwähnung der niederen Volks-Klaße liege, die mißverstanden werden könnte. Den Pfarrern würden Sie wie den Adeligen und höheren Staatsdienern das Prädikat Herr beilegen, indeme es für die Regierung von entschiedenem Vortheile seie, die öffentliche Achtung gegen die Pfarrer so viel möglich zu erweken, und zu bestärken, und die Pfarrer nicht selten den Nekereien der Landgerichten ausgesezt seien.

{5v} Mit Beifügung der Rentämter nach dem Vorschlage des Herrn geheimen Rath von Krenner seien Sie verstanden, glaubten aber, daß das schon hergebrachte von Stadtgerichts, von Landgerichts wegen unbedenklich beibehalten werden könnte, da es nur als eine Formel anzusehen, und die Instrukzion des Auftrages sich sehr leicht damit vereinigen laße. Die öffentliche Ausschreibung dieser Verordnung durch das Regierungsblatt fänden Sie nothwendig, da frühere gesezliche Bestimmungen dadurch abgeändert würden.

Herr geheimer Rath von Effner stimmten nach gleichen Ansichten wie Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin, und gaben als einen weiteren Grund für die öffentliche Ausschreibung dieser Verordnung durch das Regierungsblatt an, als dadurch diejenige, welchen nach dieser Verordnung das Prädikat Herr gebühre, in Kenntniß gesezt würden, und folglich den Anspruch darauf geltend machen könnten.

Mit der Meinung des Herrn geheimen Rath Freiherrn von Aretin vereinigten sich die Herrn geheimen Räthe von Schenk, Freiherr von Asbek, {6r} von Feuerbach und Graf von Welsperg und da auch Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und die Herrn geheimen Räthe Graf von Tassis und von Krenner sich [!], daß den Pfarrern das Prädikat Herr ebenfalls beigelegt werden solle, so wurde theils nach der Mehrheit theils einstimmig

der allerunterthänigste Antrag an Seine Majestät den König beschloßen, daß Allerhöchstdieselben geruhen mögten, den von dem geheimen Raths Referenten vorgelegten Entwurf einer allgemeinen Verordnung wegen den Ausfertigungen der Unterbehörden an Staatsdiener, Adelige und Gutsbesizer mit folgenden Aenderungen durch das Regierungsblatt ausschreiben zu laßen.

Die lezten drei Zeilen auf der ersten Seite des Entwurfes sondern diese wie die geringste aus der Volks-Klaße ohne allen Unterschied behandelt wären auszulaßen.

Bei Nro 1 auf der zweiten Seite des Entwurfes wäre nach Stadt Landgerichts beizusezen „oder Rentamts“ und den Nummer 3 des Entwurfes auf folgende Art zu sezen: 3) Den höheren Staatsdienern {6v} vom wirklichen Rathe angefangen, den Adeligen, den mit Gerichtsbarkeit versehenen Gutsbesizern wie auch den Pfarrern das Prädikat Herr in ihren amtlichen Ausfertigungen beilegen sollen2018.

Baukredite

Effner berichtet über das Vorhaben, Adeligen und Siegelmäßigen den Zugang zu Baukrediten aus dem Vermögen der Stiftungen und Kommunen zu ermöglichen. Er präsentiert zwei Verordnungsentwürfe, einen vom Ministerium des Innern, einen von der Gesetzkommission. Er rät allerdings von der Annahme der Verordnung wegen des nahe bevorstehenden Erscheinens des Zivilgesetzbuches ab. In der Umfrage folgen die Geheimen Räte dem Antrag in der Sache. Mehrheitlich wird entschieden, keine Verordnung zu erlassen, sondern das Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches abzuwarten.

2. Von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas aufgefordert, erstatteten Herr geheimer Rath von Effner über die Anlehen für neue Bauten insonderheit der Adeligen und Siegelmäsigen Realitäten Besizer schriftlichen Vortrag, der dem Protokolle lytographirter beiliegt2019. *Beilage II* [Marginalie]

Dieselben unterrichteten den königlichen geheimen Rath von der Veranlaßung zu diesem Vortrage, und legten jene Aeußerungen vor, welche das Ministerium des Innern an jenes der Justiz erlaßen, um solche Modalitäten aufzufinden, unter welchen auch der zur Zeit privilegirten Klaße der Staatsbürger eine wenigstens konditionelle Theilnahme an den Anleihen aus dem Stiftungs- und Kommunalvermögen zugestanden werden könnte, welche Klaße nach der allerhöchsten Verordnung vom {7r} 6ten September 1811 über die Erweiterung der Kompetenz der General-Kreis und Stadt-Kommißariaten in ihrer Eigenschaft als Kreis- und Ober-Administrazionen der Stiftungen und Kommunen von diesem Vortheile ausgeschloßen worden2020.

Die hierüber von dem Ministerium des Innern gegebene Ansichten habe daßelbe mit dem Entwurfe einer deßwegen zu erlaßenden allgemeinen Verordnung begleitet, den Sie (von Effner) in Ihrem Vortrage aufgenommen.

Herr geheimer Rath von Effner führten nun an, welches Gutachten die königliche Gesez-Kommißion, der das Justiz Ministerium den Entwurf der Verordnung zur Prüfung und weiteren Aeußerung mitgetheilt, abgegeben, und welchen Entwurf einer Verordnung auf den Fall vorgelegt, wenn Seine Königliche Majestät ihre geäußerte Gründe mit Erlaßung einer solchen Verordnung zu supersediren, bis das mit Motiven bereits bearbeitete neue Civil-Gesezbuch erschienen sein werde, nicht zu genehmigen geruhen, sondern den Gegenstand für dringender und eine provisorische Bestimmung für nothwendig erachten würden.

{7v} Herr geheimer Rath von Effner lasen auch den von der Gesez Kommißion eingeschikten Entwurf einer Verordnung und die von dem Ministerium des Innern hierüber gegebene Bemerkungen ab, und giengen hierauf als Referent des geheimen Rathes, wohin dieser Gegenstand gewiesen worden, zu Ihrem Antrage über, nachdem Sie zuvor das Löbliche und Gerechte der Absicht des Ministeriums des Innern, der Klaße der adeligen und siegelmäsigen Realitäten Besizer in den Stand zu sezen, an den Anleihen aus dem Stiftungs- und Kommunal-Vermögen Antheil nehmen zu können gezeigt.

Dieselben äußerten, daß schon in der Verfügung, nach welcher diese verschiedene Gutachten sammt den Entwürfen eines provisorischen Gesezes zum Vortrage an den geheimen Rath gegeben worden, der allerhöchste Ausspruch enthalten zu sein scheine, daß nicht mehr die Frage: ob mit dem vorgeschlagenen provisorischen Geseze noch bis zum Erscheinen des neuen Civilgesezbuches zuzuwarten seie? sondern vielmehr folgende Frage der Discussion und Berathung des königlichen geheimen Rathes unterstellt worden seie: ob der Entwurf der provisorischen allgemeinen Verordnung in Betreff der Anleihen zum Behuf neuer Gebäuden, wie ihn das königliche Ministerium des Innern respec. die Stiftungs Section oder wie ihn die Gesez-Kommißion {8r} vorgelegt habe *der allerhöchsten Sanction Seiner Majestät des Königs* [Ergänzung auf der rechten Blatthälfte] untergeben werden könne, und unter welchen allenfallsigen Abänderungen und Modifikazionen.

Bei der Verschiedenheit dieser Entwürfen fanden Herr geheimer Rath von Effner sich verbunden, jeden derselben Ihrer Prüfung und gutachtenden Meinung zu unterlegen. Sie bewerkstelligten dieses, indem Sie jeden § dieser Entwürfe mit Ihren Bemerkungen begleiteten, und äußerten hierauf Ihr endliches Gutachten dahin, daß bei Zusammenstellung Ihrer Ansichten und den eventuellen Modifikazions Vorschlägen das Resultat Ihrer schon früher gegebenen Meinung dahin gehe, daß nämlich der Verordnungs Entwurf der Gesez-Kommißion in seinem Prinzip der rechtlichen und richtigen Einwendungen wie jener des Ministeriums des Innern nicht unterliege, doch aber in einzelnen Verfügungen und besonders in der Ausführung des Ganzen solchen Schwierigkeiten und Bedenken involvirten, daß die Erlaßung dieses Gesezes kaum einzurathen sein werde.

Zu Bestärkung dieser Ihrer Meinung führten Sie den Fall als möglich und ausführbar an, daß Ihr ad Art. II und III des Entwurfes gemachter Einwurf durch Modifizirung und Abänderung beseitiget werden könnte, allein zu gleicher Zeit zeigten Sie auch das nicht zu beseitigende Hinderniß, welches der Ausführung dieser Verordnung immer im Wege stehen {8v} werde, und warfen die Frage auf, ob nicht bis zur Herstellung der parziellen provisorischen Grundbücher vielleicht eben so viele Zeit verfließe, als zu Einführung der schon bereit liegenden Civilgesezgebung und die damit verbundene allgemeine Hypotheken Anstalt im ganzen Reiche erfordert werde, und ob daher, wenn auch dieses der Fall nicht seie, es nicht räthlich, vor der allgemeinen Hypotheken Anstalt eine parzielle derlei Anstalt, welche sodann doch wieder durch die nachfolgende allgemein[e] verschlungen werde, vorausgehen zu laßen??

Dieses stellten Sie (von Effner) dem allerhöchsten und höheren Ermeßen gehorsamst und unzielsezend anheim und unterwürfen demselben Ihre hierüber geäußerte negative Meinung mit dem endlichen Anfügen, daß im Falle, daß für dermalige Erlaßung der befraglichen Verordnung die Entscheidung ausfallen sollte, die dabei allenfalls anzunehmende Modifikazion, wenn anders welche als nothwendig erkannt werde und die hiernach zu machende Umänderung der Verordnung sonach erst unternommen, und dem weiteren Berathen des königlichen geheimen Rathes vorgelegt werden könnte.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

{9r} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg bemerkten, daß die Schwierigkeiten, welche der Erlaßung der beiden vorgelegten Entwürfen einer allerhöchsten Verordnung über den zur Entscheidung vorgetragenen Gegenstand entgegen stünden, von dem Referenten sehr richtig und gründlich entwikelt worden. Beide Entwürfe sicherten zwar das Vermögen der Stiftungen und Kommunen durch die gemachte Vorschläge, da aber kein Vorschlag darin enthalten, wie die Rechte der Privaten bei diesen begünstigten Anleihen ungekränkt erhalten und gesichert werden könnten, so seien Sie mit dem Referenten darin verstanden, daß keiner dieser beiden Entwürfen der allerhöchsten Sanction Seiner Majestät des Königs zu unterlegen seie.

Da inzwischen auf der andern Seite die Lage der Siegelmäsigen und adeligen Gutsbesizer in Bezug auf diese Anleihen einige Rüksicht verdienten, und die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nehme, so glaubten Sie ein leichtes Mittel vorschlagen zu können, wie den Siegelmäsigen und Adeligen geholfen, die Stiftungen gesichert, und die Rechte der Privaten aufrecht erhalten werden könnten.

Die Erfahrung zeige, daß blos der Vorzug der Siegelmäsigkeit {9v} die ausgestellten Schuld-Urkunden den gerichtlichen gleich halten zu können, dem Kredite der Adeligen und Siegelmäsigen schade, und denselben ganz vernichte. In Beschränkung und Aufhebung der Siegelmäsigkeit für diesen Punkt, da die übrige mit der Siegelmäsigkeit verbundene Vorzüge dem Ganzen vielleicht eher vortheilhaft als nachtheilig seien, müße also das Mittel gefunden werden, den Kredit der Siegelmäsigen und Adeligen wieder zu heben, um den Anleihen die ihnen gegeben würden die nämliche Sicherheit zu gewähren wie jenen der übrigen Privaten.

Sie würden daher erklären, daß jeder Siegelmäsige und Adelige, der ein solches Anleihen von Stiftungen oder Kommunen zu erhalten suche, oder dessen sonstige Konvenienz es ihme räthlich mache, gehalten sein solle, den Rechten der Siegelmäsigkeit für diesen Punkt zu entsagen, und sich der gerichtlichen Ausfertigung eines Schuldbriefes zu unterwerfen. Das Beispiel von mehreren Wechselfähigen, welche auf ihre Wechselfähigkeit verzichtet, liefere den sichersten Beweis, wie wohlthätig diese Maaßregel auf das Privatverhältniß manches Siegelmäsigen und adeligen Gutsbesizers wirken würde.

Sollte aber dieser ihr Vorschlag Anständen unterliegen, die Sie sich nicht denken könnten, so würden Sie der Vertagung irgend einer von der Regierung zu Gunsten der wirklich oft in üblen Lagen {10r} sich befindenden Adeligen und Siegelmäsigen vorziehen, die Lehre von dem Hypothekenwesen und der damit in Verbindung stehenden Kapitel aus dem Entwurfe des neuen Civilgesezbuches herauszuheben und solche gleich zur Ausführung vorbereiten zu laßen, denn so sehr Sie gegen jede frühere Herausgabe einiger Theile eines Ganzen seien, so glaubten Sie dennoch dieses weit vortheilhafter als den nachtheiligen Stand, in welchem die Siegelmäsige und Adelige in dieser Rüksicht sich befinden, noch länger und bis zum Erscheinen des neuen bürgerlichen Gesezbuches, deßen Proclamation sich noch lange verziehen werde, fortdauern zu laßen.

Die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs und Graf von Tassis glaubten mit dem Referenten daß es räthlich, dermal noch nichts zu verfügen, sondern die Erscheinung des neuen bürgerlichen Gesezbuches abzuwarten.

Herr geheimer Rath von Zentner entwikelten die Schwierigkeiten, auf die die Departemental Sizung des Ministeriums des Innern bei der Diskußion des vorliegenden Gegenstandes gestoßen, und daß man schon damals sich überzeugt habe, wie schwer es seie, vor Erscheinung des neuen bürgerlichen Gesezbuches ein Mittel aufzufinden, um den Kredit der Adeligen und Siegelmäsigen zu heben und so zu sichern, daß ihnen Anleihen aus dem Vermögen {10v} der Stiftungen und Kommunen gegeben werden könnten.

Der vorgeschlagenen Entsagung der Siegelmäsigkeit von einzelnen Siegelmäsigen und Adeligen stehe das Haupthinderniß entgegen, daß derselben die gerichtliche Edictal Citation aller ihrer Schuldner vorhergehen müße, und dieses seie es, welchem sich die meisten dieser Klaße nicht unterwerfen würden, nicht unterwerfen könnten, auch seie es eine Frage, ob nicht in der Erforderniß bei Errichtung von Majoraten die Ursache liege, daß so wenige sich meldeten, ein Majorat errichten zu wollen.

Die vom Herrn geheimen Raths Referenten so richtig als gründlich aufgestellten Anstände gegen jede Verfügung bis das neue bürgerliche Gesezbuch erschienen, seien wohl nicht anders zu heben, als durch Heraushebung und frühere Bekanntmachung der Hypotheken-Lehre und Locations Ordnung aus dem Entwurfe des neuen bürgerlichen Gesezbuches. Da aber hiegegen wichtige Anstände streiten dürften, so vereinigten Sie sich mit dem Antrage des Referenten.

Herr geheimer Rath von Krenner überzeugten sich ebenfalls, daß den Siegelmäsigen und Adeligen durch keinen der gemachten Vorschläge {11r} geholfen werden könne, wenn sich der Einzelne, der im Falle seie, eine Anleihe zu bedürfen, nicht der gerichtlichen Edictal Citation unterwerfen würde. Da aber dieses einem jeden frei gestellt bleiben müße, ob er auf diesem Wege seinen Kredit so herstellen könne, daß ihme Anleihen aus dem Vermögen der Stiftungen und Kommunen anvertraut werden dürften, so fänden Sie keine große Schwierigkeit dieses dem Einzelnen zu erlauben, und durch Einschreibung solcher Fälle auf einzelne Bögen den künftigen Hypotheken Bücher vorarbeiten zu laßen. Die Heraushebung der Hypothekenbücher und der damit in Verbindung stehenden übrigen Lehren aus dem Entwurfe des neuen bürgerlichen Gesezbuches könnten Sie wegen manchen Rüksichten nicht anrathen.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten, daß die Gesez-Kommißion schon bei ihren Deliberazionen auf alle jene Schwierigkeiten gestoßen, welche der Referent des geheimen Rathes in seinem Vortrage entwikelt, daß dieselbe deßwegen schon vorzüglich darauf angetragen, den Gegenstand beruhen zu laßen, bis das neue bürgerliche Gesezbuch erschienen, und den ihrem Gutachten {11v} beigefügten Entwurf einer allerhöchsten Verordnung nur für den Fall bearbeitet, wenn gegen ihre Meinung damals etwas hätte geschehen sollen. Von gleicher Überzeugung noch geleitet, müßten sie auch gegenwärtig dafür stimmen, daß diese Frage beruhen sollte, bis das neue Gesezbuch erschienen, denn sich durch Edictal Citationen Kredit zu verschaffen, werde den Siegelmäsigen und Adeligen nach der bei den Gerichts-Stellen angenommenen Praxis nicht gestattet, indem die Gerichte in mehreren Fällen die nachgesuchte Ausschreibung aus dem Grunde der Siegelmäsigkeit verweigert. Ein hierüber von der Gesez Kommißion gefordertes Gutachten werde das Nähere erklären, auch würden von diesem Mittel nur wenige Gebrauch machen können. Die Heraushebung der Lehre von den Hypotheken beurtheilten Sie, so wie eine Vorbereitung zu den künftigen Hypotheken-Bücher als ganz unthunlich, weil diese Lehre zu sehr in das ganze Sistem des Gesezbuches eingreife, und in alle Theile des Gesezbuches verwebt seie.

Die Herrn geheimen Räthe von Schenk, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg stimmten {12r} mit dem Referenten.

Herr geheimer Rath von Feuerbach äußerten, Sie seien zwar ebenfalls mit dem Herrn Referenten darin einstimmig, daß es nicht wohl möglich seie, eine die künftige Gesezgebung antizipirende durchgreifende Verordnung zu erlaßen, insbesondere hielten Sie beide von dem Herrn Referenten bereits geprüfte Vorschläge theils für unzureichend theils den Gesezen und der Gerechtigkeit nicht mehr entsprechend. Sollte indeßen schon jetzt etwas geschehen, so hielten Sie es, wie Sie schon bei der Section in Antrag gebracht, nicht für unmöglich, denjenigen Siegelmäsigen, welche auf ihre Neubauten oder andere Grundstüke Real Kredit suchten, hiezu ein gesezliches und ganz unfehlbares Mittel an die Hand zu geben, welches aber freilich in anderen Hinsichten nicht ganz den Wünschen mancher Siegelmäsigen entsprechen dürfte.

Der Grund, warum Siegelmäsige keinen Real-Kredit hätten, seie eben diese Siegelmäsigkeit, welche ihnen das Recht gebe, unter ihrer Privatunterschrift und Siegel gültige Hypotheken zu errichten. Der Siegelmäsige, deßen persönlichen Eigenschaften man nicht traue, habe darum keinen Kredit 1) weil man nicht wiße, ob nicht {12v} frühere Hypotheken und wie viele auf dem Gute stünden, 2) weil man nicht versichert seie, daß nicht der Schuldner seine Siegelmäsigkeit dazu mißbrauche, spätere Hypotheken zurük zu datiren. Wo der Gläubiger gegen lezteres und gegen ersteres, gegen heimliche frühere und gegen betrügliche Zurükdatirung späterer Hypotheken gesichert seie, da seie seine Forderung durch den Werth des Gutes gesichert, er könne dem Gute trauen, wenn er gleich der Person nicht traue, und diese Person habe Real Kredit. Das Mittel nun hiezu seie, auch nach der allgemeinen Einführung der Hypotheken Bücher folgendes, ein Mittel, das zugleich die Analogie für sich habe.

1) So wie eine Person nach den bestehenden Gesezen auf ihre Wechselfähigkeit verzichten dürfe, so gestatte das Gesez einem Siegelmäsigen entweder unbeschränkt oder wenigstens rüksichtlich der Hypothekenbestellung auf seine Siegelmäsigkeit zu verzichten. Diese gerichtlich zu erklärende, und sodann öffentlich bekannt zu machende Verzichtleistung werde nun die Folge haben, daß der Siegelmäsige keine Privathypothek mehr errichten könne, daß jede gültige Hypothek, die er bestellen {13r} wolle, gerichtlich intabulirt werden müße, dadurch werde also der Creditor, von welchem der Siegelmäsige Geld auf seine Gebäude suche, gegen jede Rükdatirung späterer Hypotheken auf das vollkommenste gesichert.

Dieses Mittel sicher aber noch nicht gegen heimliche frühere Hypotheken, es müße daher 2) um auch von dieser Seite den Creditor sicher stellen zu können, der Siegelmäsige berechtiget werden gerichtliche Edictal Ladungen seiner etwaigen Hypothek-Gläubiger zu verlangen, damit dieselbe bei Verlust ihres Privatrechtes sich in dem bestimmten Termine melden, und ihre Hypothek gerichtlich intabuliren laßen.

Sie seien zwar überzeugt, daß manche sich vor diesem Mittel scheuen, viele aber, zumal in den gegenwärtigen Zeiten, bei dem großen Mangel an Geld, daßelbe als eine große Wohlthat gerne ergreifen würden. Ihre Ansicht beschränke sich übrigens nicht blos auf Neubauten, welche hauptsächlich nur in der königlichen Residenz Stadt [München] in Betrachtung kämen. Sie weise den Weg, auf welchem bis zur allgemeinen Einführung der Hypothekenbücher, das heißt bis zur Einführung des neuen Gesezbuches den kreditlosen Siegelmäsigen überhaupt Kredit auf ihre Grundstüke eröfnet werden können.

{13v} Solche provisorische Verordnung würde zugleich das künftige Sistem vorbereiten, und den Grund zur allgemeinen Reform legen, die zwar schon lange erwartet worden, aber immer noch ziemlich lange werde erwartet werden.

In Folge der Mehrheit der Abstimmungen

wurde vom geheimen Rathe der allerunterthänigste Antrag an Seine Majestät den König beschloßen, daß die Erlaßung einer allerhöchsten Verordnung über den vorliegenden Gegenstand nicht anzurathen, sondern vielmehr zu bestimmen sein werde, daß derselbe bis zur Erscheinung des neuen bürgerlichen Gesezbuches auf sich zu beruhen habe.

Der König genehmigt den Antrag des Geheimen Rates zu TOP 1 vorbehaltlich der Redaktion des Verordnungsentwurfes. Zu TOP 2 wird die königliche Entschließung nachfolgen (6. Oktober 1812).

Anmerkungen

2013

Der Vortrag liegt der Akte BayHStA Staatsrat 289 nicht bei.

2014

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, RegBl. 1808, Sp. 985-1000 = DVR Nr. 286, S. 655-663.

2015

OE betr. „die Gerichts-Verfassung“ vom 24. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1785-1800.

2016

VO betr. die „Korrespondenz-Form zwischen den Administrativ- und Gerichts-Behörden“ vom 17. Juni 1809, RegBl. 1809, Sp. 1033-1038.

2017

VO betr. die „Aufhebung der Siegelmässigkeit“ vom 20. April 1808, RegBl. 1809, Sp. 115-118 = Schimke, Regierungsakten Nr. 10, S. 99-101 = DVR Nr. 284, S. 652-654 mit Kommentar ebd., S. 75.

2018

VO betr. die „Ausfertigungen der Unterbehörden an Staatsdiener, Adeliche, Gutsbesizer und Pfarrer“ vom 24. Oktober 1812, RegBl. 1812, Sp. 1833-1837.

2019

Der Vortrag liegt der Akte BayHStA Staatsrat 289 nicht bei.

2020

VO betr. die „Erweiterung der Kompetenz der Kreis- und Ober-Administrationen“ vom 6. September 1811, RegBl. 1811, Sp. 1449-1473.