BayHStA Staatsrat 191

16 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend: König Max Joseph; Kronprinz Ludwig.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf von Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

Landeskulturstreitigkeit

Asbeck berichtet über den Rekurs der Kleinbegüterten zu Griesau an den Geheimen Rat und zeigt, daß die Beschwerde nicht zulässig ist. Der Geheime Rat ist nicht kompetent, auch liegt ein Fristversäumnis vor. Der König genehmigt Asbecks Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

{1r} 1. In der von Seiner Majestät dem Könige auf heute Fruhe {1v} um 10 Uhr angeordneten geheimen Raths Sizung geruheten Seine Majestät der König, dem geheimen Rathe Freiherrn von Asbek den Auftrag zu ertheilen, die bearbeitete Rekurs Sache der Bauern und Söldner zu Grisau, des Gräflich Seinsheimschen Herrschafts-Gerichts Sinching1665, wegen Mitweidenschaft der Kleinbegüterten auf den Brach- und abgeleerten Felder und Wießen vorzutragen.

Geheimer Rath Freiherr von Asbek befolgte diesen allerhöchsten Auftrag durch Ablesung seines Vortrages, wodurch er nach Anführung der Verhältniße, die diesen Streit veranlaßt, und jener Bescheide, die hierin von dem Patrimonial-Gerichte Sinching und dem General-Kommißariate des Regenkreises erlaßen worden, zeigte, daß dieser an den geheimen Rath ergriffene Rekurs weder zuläßig noch auch rechtlich begründet sei.

Die Kompetenz des geheimen Rathes seie in dieser Sache nicht kompetent, weil zwei durchaus gleichlautende Erkenntniße vorliegen, deren {2r} Widerspruch allein einen Rekurs an den geheimen Rath in Kulturs-Sachen begründe1666, indem die neue Verordnung nicht zurük wirke, die Appellazion seie überdieß auch desert, weil nach dem Ministerial Protokoll die Rekurs Schrift um zwei Tage später als die gesezliche Fatalien von 14 Tagen es erheischten, eingereicht worden1667. Bei diesem wesentlichen Mangel halte er es für zweklos, in die Materialien der Sache selbst einzugehen, und trage daher auf die Abweisung der Rekurrenten an.

In Übereinstimmung mit diesem Antrage las geheimer Rath Freiherr von Asbek einen Reskripts Aufsaz an das General Kommißariat des Regenkreises ab. Bei der von Seiner Majestät dem Könige über diesen Antrag verfügten Umfrage vereinigten sich alle Mitglieder mit dem Referenten, nur machten einige die Erinnerung, ob die Ausschreibung des neuen Kompetenz Regulatives für den geheimen Rath, wodurch {2v} die Termine der gesezlichen Fatalien auf 30 Tage verlängert, und das Verbot bei zwei gleichlautenden Entscheidungen in Kulturs Sachen appelliren zu können, aufgehoben, in dem Regierungsblatte nicht früher erschienen sei, als diese Rekurs Schrift eingereicht worden.

Da dieser Erinnerung durch Vorlage des Regierungsblattes, nach welchem diese Ausschreibung erst am 10ten August [!] geschehen1668, begegnet wurde,

so genehmigten Seine Majestät der König die Abweisung der Rekurrenten und den abgelesenen Reskripts Entwurf an das General Kommißariat des Regenkreises1669.

Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Bayern

Der König fordert Feuerbach auf, seinen Vortrag über das Bürgerliche Gesetzbuch zu halten. Feuerbach erinnert daran, daß der bereits am 7. Dezember 1809 gehaltene Vortrag schon vor längerer Zeit vervielfältigt und den Mitgliedern des Geheimen Rates zur Urteilsbildung ausgehändigt worden ist. Der König entscheidet, gleich zur Abstimmung über den Vortrag zu schreiten. Zunächst äußern sich die Mitglieder, die schriftliche Voten ausgearbeitet haben. Reigersberg spricht sich dafür aus, dem neuen Gesetzbuch den Code Napoléon (CN) zugrunde zu legen. Graf Preysing hingegen favorisiert den Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1759 (CMBC), weil er für eine Monarchie geeigneter ist; Graf Toerring-Gutenzell folgt dieser Ansicht. Zentner wünscht ein bürgerliches Gesetzbuch auf der Grundlage der Konstitution und der Organischen Edikte, der in Bayern geltenden Gesetzbücher, insbesondere des CMBC, sowie des an die bayerischen Verhältnisse adaptierten CN. Carl Maria Graf von Arco erinnert zunächst kritisch an die von Feuerbach vorgetragenen sechs Programmsätze. Insbesondere ist zu prüfen, ob sie republikanische oder monarchische Ideen ausdrücken; im erstgenannten Fall sind die Programmsätze zu verwerfen bzw. zu modifizieren. Effner betont, daß der CN die Grundlage der neuen bayerischen Gesetzgebung sein soll. Er hält es für ratsam, Feuerbach im Zuge der Beratung und Revision des Gesetzbuches weiterhin über die Systematik der einzelnen Abschnitte vortragen zu lassen. Die sich im Anschluß äußernden Mitglieder des Geheimen Rates haben keine schriftlichen Voten vorgelegt. Montgelas stellt fest, daß er weder im CN noch im bayerischen Zivilrechtsentwurf „demokratisch[e]“ Grundsätze entdecken kann. Grundlage der Rechtsetzung ist vielmehr die Konstitution des Königreichs Bayern, mit der das Zivilrecht in Übereinstimmung gebracht werden muß. Insofern ist der CMBC nicht mehr zeitgemäß. Die Entscheidung, das Zivilrecht auf der Grundlage des CN zu reformieren, ist nicht politischen Gründen geschuldet; vielmehr ist es – mit den nötigen Abänderungen – das am besten auf die politischen Gegebenheiten in Bayern passende Gesetzbuch. Eine Revision des Entwurfs ist möglich, darf sich aber nicht vom CN, der Konstitution und den ergänzenden Organischen Edikten entfernen. Ignaz Graf von Arco hält den CN für ein gefährliches „republikanisches Gesezbuch“, das nicht in Gänze rezipiert werden darf. Gleichwohl schließt er sich den Standpunkten Effners und Montgelas’ an. Johann Nepomuk von Krenner warnt ebenfalls vor den sechs Programmsätzen, die „demokratisch“, mithin gefährlich sind. Der CN folgt „republikanischen“ Grundsätzen, die auf eine Monarchie nicht passen. Daher ist dem neuen Gesetzbuch der CMBC zugrunde zu legen. Franz von Krenner bestreitet, daß die von Feuerbach formulierten sechs Grundsätze im Zivilrechtsentwurf oder im CN zu finden sind; auch lassen sich daraus keine republikanischen Ideen abstrahieren. Er fordert eine Revision des Entwurfs im Geheimen Rat oder einer daraus bestellten Kommission in enger Abstimmung mit dem CN. Auch Schenk kann keine republikanischen Grundsätze erkennen. Vielmehr hat Feuerbach nur Programmsätze aus der Konstitution und den Organischen Edikten abstrahiert. Entsprechend soll sich die Revision an diesen Rechtsquellen orientieren. Asbeck folgt Zenter. Feuerbach nimmt zu diesen Abstimmungen Stellung. Er betont, daß seinen Programmsätzen die Konstitution und die Organischen Edikte zugrundeliegen. Zugleich erinnert er daran, daß die Gesetzeskommission sich von der Weisung leiten ließ, den CN für Bayern anwendbar zu machen. Den Vorschlag Zentners weist er zurück, weil er nicht berücksichtigt hat, daß der CN als materielle Grundlage dienen soll. Sollte der CN nur in formeller Hinsicht berücksichtigt werden, würde er stattdessen die Übernahme des überarbeiteten CMBC vorziehen und sich den Voten Preysings und Toerring-Gutenzells anschließen. Allerdings kann er sich diesem Vorschlag nicht mit innerer Überzeugung anschließen. Zentner sieht sich von Feuerbach mißverstanden; daher wiederholt er seine Ansicht.

Der König ordnet an, den auf der Grundlage des CN erstellten Entwurf durch eine aus Geheimen Räten bestehende Kommission revidieren und zur Beratung im Plenum vorbereiten zu lassen. Dazu ergehen nähere Anweisungen. Der Entwurf hat seine Grundlage in der Konstitution, den ergänzenden Organischen Edikten sowie dem CN. Der CMBC und weitere „bewährte Gesezbücher“ sollen mit Blick auf spezifisch bayerische Materien ebenfalls herangezogen werden.

2. Seine Majestät der König riefen den geheimen Rath von Feuerbach auf, seinen wegen dem bürgerlichen Gesezbuch des Königreichs, eigentlich über die Frage: was ist Baierns Absicht bei seiner neuen Gesezgebung? bearbeiteten Vortrag abzulesen1670.

Auf diese Aufforderung erinnerte geheimer Rath von Feuerbach allerunterthänigst, {3r} daß dieser Vortrag bereits in der geheimen Raths Sizung vom 9en Dezember v. J. [!] abgelesen, und damals hierauf beschloßen worden, die hierüber verfaßte Vota anzuhören und darüber abstimmen zu laßen. Auch seie dieser Vortrag bereits mehrere Monate lytographirt, den Herrn geheimen Räthen zugestellt worden, und folglich jedem Mitgliede des geheimen Rathes bekannt1671.

Von der allerhöchsten Entscheidung Seiner Majestät des Königs hänge es ab, zu bestimmen, ob derselbe nochmal abgelesen, oder ob nicht nach dem Beschluße Seiner Majestät des Königs vom 9en Dezember v. J. über diesen Vortrag abgestimmt werden sollte.

Seine Majestät der König geruheten, Sich für leztere Meinung zu bestimmen, und foderten in deßen Folge den königlichen geheimen Staats- Konferenz- und Justiz-Minister Herrn Grafen von Reigersberg auf, seine Meinung abzugeben.

Herr Graf von Reigersberg befolgte diesen allerhöchsten {3v} Auftrag durch Ablesung eines dem Protokoll beiligenden Voti1672, worin sich derselbe für die Grundlage des Code Napoléon zu dem für Baiern zu fertigenden allgemeinen bürgerlichen Gesezbuch erklärte, und den Antrag beifügte, daß die angeordnete Super Revision des von der Gesez-Commißion nach diesem Grundsaze entworfenen Gesezbuches vordersamst den Sectionen des geheimen Rathes nach den bereits in Mitte liegenden allerhöchsten Verordnungen nach beendigtem peinlichen Gesezbuche ohngesäumt aufgetragen, und der Druk des gemachten Entwurfes beendiget werden mögte.

Geheimer Rath Graf von Preising las, nachdem er zur Abstimmung aufgerufen war, ebenfalls ein schriftliches dem Protokoll beiliegendes Votum ab1673, in welchem er sich äußerte, daß er es für das Königreich Baiern, als einen monarchischen Staat für räthlicher halte, den Codex Max. Bav.1674 als Grundlage des neuen bürgerlichen Gesezbuches anzunehmen, sich aber auch dazu verstand, daß das {4r} Anwendbare aus dem Code Napoléon, die Bestimmungen die aus der Constitution fließen und jene Materien, welche geheimer Rath von Feuerbach in seinem Entwurfe berühret, als von dem emphiteutischen Vertrag, dem Zehendrechte pp. aufgenommen werden.

Geheimer Rath Graf von Törring Guttenzell machte, als er von Seiner Majestät dem Könige zur Abstimmung aufgefordert wurde, die allerunterthänigste Erinnerung, daß er rüksichtlich seines vor 9 Monaten niedergeschriebenen Voti, welches dem Protokolle beilieget1675, sich in einiger Verlegenheit befinde, weil der Eingang blos die Stellen in dem Einleitungs Vortrage des geheimen Rath von Feuerbach zu widerlegen suche, da dieser aber heute nicht mehr abgelesen worden, so halte er es ebenfalls für überflüßig, den Eingang seines Vortrages abzulesen, und würde sich darauf beschränken, nur seinen Antrag vorzulegen. Dieser gieng dahin: {4v} Kein neues Gesez anzunehmen, sondern den Codex Maximilianeus, den er allein dazu geeignet erachte, mit verschiedenen vorgeschlagenen Beschränkungen auf alle Bestand Theile des Königreichs auszudehnen.

Seine Majestät der König foderten den geheimen Rath von Zentner auf, seine Meinung abzugeben, worauf derselbe das dem Protokoll beiliegende Votum ablas, welches folgende Resultate ausspricht1676. 1) Das Königreich Baiern bedarf einer allgemeinen bürgerlichen Gesezgebung (es ist selbst in der Konstituzion ausgesprochen, daß für das ganze Königreich ein bürgerliches und peinliches Gesezbuch eingeführt werden soll1677). 2) Keines der vorhandenen wird als allgemeines Gesezbuch angenommen werden können. 3) Es mögte hiernach nicht ein ganz neues Civil-Recht, sondern ein bürgerliches Gesezbuch nach der Grundlage, a) der Konstituzion und der zum Theile konstituzionellen organischen Edicte, b) der im Königreiche bereits bestehenden {5r} Gesezbücher, vorzüglich des Codicis Maximilianei, c) des Code Napoléon, so weit er auf Baiern anwendbar ist, zu entwerfen sein. 4) Das Verfahren bei der Revision des Gesez-Entwurfes ist in dem öfters angeführten königlichen Beschluße vorgeschrieben, wenn dieses genau eingehalten wird, so darf Baiern hoffen, ein für seinen Staat paßendes Gesezbuch zu erhalten.

Geheimer Rath Graf Carl von Arco las, als er von Seiner Majestät dem Könige zur Abstimmung aufgerufen wurde, das dem Protocoll beiliegende Votum ab1678, worin er die von dem geheimen Rathe von Feuerbach in seinem Vortrage aufgestellten 6 Grundsäze1679 bestritt, und die Meinung äußerte, dieselbe entweder mit Ausnahme des 3ten ganz zu verwerfen, und dem Herrn Referenten aufzutragen, andere Grundideen, und besonders in Bezug auf den 2ten und 4ten Grundsaz aus dem Komplex des Napoleonischen Gesezbuches andere der monarchischen {5v} Staats Verwaltung mehr angemeßene Grundsäze ausfindig zu machen, oder die obenerwähnte 6 Grundsäze, wenn man doch zu Gewinnung der Zeit und um einige Haupt-Anhalts Puncte in den künftigen Discußionen über die baierische Gesezgebung zu erhalten, dieselbe mit den nöthigen Abänderungen beibehalten wollte, in einer andern Art, die Graf Carl von Arco angab1680, zu faßen, oder aber in den künftigen Discußionen von allen diesen Grundsäzen zu abstrahiren, und sich vielmehr mit Festsezung der wesentlichen Grundsäzen einer jeden einzelnen Rechts Lehre vor der paragraphenweisen Discußion derselben zu beschäftigen.

Nach allem, was in seinem Vortrage gesagt worden, käme es bei gegenwärtiger Discußion hauptsächlich darauf an, wie folgende Fragen würden beantwortet werden: 1) Sind die in dem Einleitungs Vortrage aufgestellten Grundsäze 2 und 6, wenn man sie in dem ganzen Umfange der Folgen, die daraus {6r} abgeleitet werden können, betrachtet, republikanischer oder monarchischer Natur. 2) Sind sie im ersteren Falle ganz zu verwerfen, oder können sie 3) durch bestimmt nähere ausgedrükte Beisäze in der Art modifizirt werden, daß sie noch als Grund Ideen des künftigen baierischen Gesezbuches beibehalten werden können. 4) Ob und in wie ferne sich ebenfalls Modifikazionen auf die Grundsäze 1, 4 und 5 anwenden laßen. 5) Ob nicht, wenn Modifikazionen dieser 5 Grundsäze angenommen werden können, bei den alsdann eintretenden künftigen Discußionen über den Entwurf der Gesezgebung selbst jedesmal vor der Berathung über eine Haupt-Abtheilung des Gesezbuches und sonach vor der jedesmaligen Behandlung eines jeden Titels in einem Einleitungs Vortrage des Herrn Referenten die wesentliche privatrechtlichen Grundsäze deßelben entwikelt und darüber abgestimmt werden solle? wornach erst {6v} 6) zur Revision und Discußion der Paragraphen, welche jeder Titel und Abschnitt enthält, zu schreiten wäre.

Geheimer Rath von Effner, der in der Abstimmung folgte, gab in dem dem Protokoll beigefügten schriftlichen Voto1681 seine Meinung dahin ab, daß die Frage schon entschieden und keiner Deliberation mehr unterworfen werden könne, ob der Code Napoléon die Grundlage des neuen baierischen Civil-Gesezbuches sein solle, die einzige Frage, die an der Tages Ordnung seie diese? „Auf welche Art das neue durch den geheimen Rath vorzunehmende Geschäft der Vorlage des Gesez Entwurfes zur nochmaligen Berathung und Revision am zwekmäsigsten und kürzesten geschlichtet werden könne.“

Ohngeachtet auch hierüber der allerhöchste Beschluß Seiner Königlichen Majestät bereits die Norme vorgezeichnet habe, so werde doch der Erfolg lehren, daß das Eindringen in das Detail {7r} des Gesezes und die Revision einzelner §§ in so manchen Fällen nicht werde umgangen werden können, die Einteilung der Vorträge nach den Hauptlehren und Titel des Gesezbuches aber werde dem Referenten um so mehr zu überlaßen sein, als derselbe bereits bei der Gesez Commißion dieselbe Weise beobachtet, und jedem detaillirten Vortrag eines einzelnen Buches oder Titels eine besondere Einleitung über die ganze Theorie des darin enthaltenen Sistemes mit kritischer Betrachtung deßelben vorausgeschikt habe, und es werde der allerhöchsten königlichen Entscheidung wieder unterliegen, ob die der Gesez Commißion gegebene höhere Anordnungen auch auf das Revisions-Geschäft des königlichen geheimen Rathes ausgedehnt werde, im entgegen gesezten Falle werde der Entwurf des Gesezbuches in sehr wichtigen Gegenständen und vielleicht in ganzen Abtheilungen und Lehren wesentliche Modifikazionen erhalten.

{7v} Da keine schriftlichen Vota über den zu diskutirenden Gegenstand mehr abgefaßt waren, so geruheten Seine Majestät der König, die mündliche Aeußerungen der übrigen königlichen geheimen Räthe zu erholen, und riefen den königlichen geheimen Staats und Konferenz-Minister Herrn Grafen von Montgelas auf, seine Meinung abzugeben1682.

Herr Graf von Montgelas äußerte sich hierauf, wie er sich aus den abgelesenen Abstimmungen überzeugt habe, daß von beiden Seiten sehr weit gegangen worden, und er die als demokratisch hingestellte 6 Grundsäze weder in dem Code Napoleon noch in dem verfaßten Entwurfe des neuen baierischen Civil-Gesezbuches auffinden könne, anderer Seits seien aber auch Fragen zur Discußion aufgeworfen worden, die nach den vorhandenen königlichen Bestimmungen gar keiner Discußion mehr unterliegen könnten, und sich hiezu gar nicht eigneten.

Zum Wohle ihrer Unterthanen, und um so viele heterogene Theile, woraus das {8r} Königreich Baiern gegenwärtig zusammen gesezt, in ein Ganzes zu bringen, und Geseze und Verfaßung mit dem Geiste der Zeit in Übereinstimmung zu bringen, hätten Seine Majestät der König beschloßen, dem Reiche eine Konstituzion zu geben, und den Grund und die Nothwendigkeit hievon schon bei Aufhebung der Stände ausgesprochen1683. Nach reifer und durchdachter Überlegung habe man sich der westphälischen [sc. Konstitution], die auf deutschem Boden gepflanzt worden, genähert, und dieselbe mit einigen dem Staats Körper des baierischen Königreichs anpaßenden Modifikazionen angenommen und öffentlich proklamirt1684.

Als eine nothwendige Folge hievon müßten müßten [!] nun alle Civil Geseze den gegebenen politischen Gesezen sich annäheren, indem bei einer Verschiedenheit dieser Geseze dem Staate sehr große Gefahr zugehen könne, wie dieses, wenn hier der Ort und Zeit dazu wäre, aus der römischen Geschichte erörtert werden könnte, und es seie kein Gesezbuch in dem man nicht nach einseitiger Auslegung {8v} demokratische Grundsäze auffinden könnte. Der Maximilianeische Codex, so viel Vorzügliches er auch enthalte, paße nicht auf die gegenwärtige Staaten Verhältniße, und er halte sich sogar überzeugt, daß wenn von Kreitmaier freiere Hände gehabt, oder in einer andern persönlichen Lage gewesen wäre, er mehreren Kapitel dieses Codex eine andere Stellung gegeben haben, und manche Kapitel, z. B. wegen Zehenden Frohnden p. ganz anders lauten würden.

Als nach der Rükkehr Seiner Majestät des Königs aus Mailand1685 die Nothwendigkeit einer Umänderung der Gesezgebung lebhaft gefühlt worden, und die Frage entstanden, welches Gesezbuch dem neuen zur Grundlage dienen solle, hätten Seine Majestät der König nach gründlicher Prüfung geglaubt, das Napoleonise [!] als dasjenige wählen zu müßen, welches den angenommenen politischen Gesezen und der gegebenen und bereits beschwornen Constitution des Reiches am nächsten komme und welches, wie die Folge zeige in mehreren deutschen Staaten {9r} als im Großherzogthum Frankfurt und mehreren andern angenommen werde. Aus diesem Grunde seie die Gesez Commißion angewiesen worden, daßelbe als Grundlage anzunehmen, und hierauf den Grund für das neue baierische mit den nöthigen, den Landes Verhältnißen anpaßenden Modifikazionen zu legen.

Es handle sich hiebei nicht von politischen Verhältnißen, und dieses seie ein irriger Grundsaz, die Grundlage des Code Napoléon aus Politik herleiten zu wollen, es handle sich von dem zwekmäsigsten Gesezbuche für Baiern in Übereinstimmung mit den politischen Veränderungen die im Staate Baiern vorgegangen, und als solches seie das Napoleonische als Grundlage angenommen und von der Gesez Commißion mit den nöthigen Abänderungen für Baiern bearbeitet worden, so z. B. giengen die darin enthaltene Bestimmungen wegen dem Adel nicht dahin, denselben aufheben oder ihme an seinen persönlichen Vorzügen in so weit sie der Eigenschaft als Staatsbürger nicht widersprechen {9v} etwas nehmen zu wollen, wohl aber den Adel zu souteniren und ihn auf jene zu beschränken, die im Stande sind, ihn mit Würde zu führen, denn er kenne nichts traurigeres als einen armen Edelmann, auch könne der arme Adel in Zukunft sich nicht mehr erhalten, da alle Mittel hiezu alle bestandene Institute aufgehört, und selbst bei dem Willen des Regenten, sie erhalten zu wollen, wegen dem unerschwinglichen Bedürfniße aller Staaten aufhören müßten. Eine weitere Folge hievon seie eine Abänderung in der Erbfolge, indem sonst die jüngsten Söhne und Töchter der Adeligen sich nicht mehr erhalten könnten.

Gegen eine Revision des von der Gesez Commißion gemachten Entwurfes eines neuen Civil-Gesezbuches durch den ganzen geheimen Rath, oder eine aus den Sectionen gebildete Commißion, die aber nicht zu zalreich sein und aus der Justiz Section und einem Mitgliede der übrigen Sectionen bestehen dürfte, finde er nichts zu erinnern, und es hänge von der Bestimmung {10r} Seiner Majestät des Königs ab, welche Art gewählt werden wolle. Nur glaube er, daß hiebei nach den gegebenen allerhöchsten Bestimmungen diese Revision sich nicht von der Grundlage des Code Napoléon, nicht von der dem Reiche gegebenen und beschwornen Konstituzion und nicht von den gegebenen konstituzionellen organischen Edicten entfernen dürfe, um nicht heute umzuwerfen, was gestern gebaut worden. Diese Revision müßte nach ganzen Kapiteln und Materien, mit einem Vortrage des Referenten begleitet, in welchem auch sich über die Art der Anwendung geäußert werden müßte, vorgenommen werden, und es würde sich in den Discußionen ergeben, was zwekmäsiger befunden werde, die konstituzionelle organische Edicte in das Gesezbuch aufzunehmen, oder sie am Ende des Gesezbuches als Beilagen deßelben druken zu laßen. Er müßte noch beifügen, daß hier nur von den konstituzionellen organischen Edicten die Rede sei, nicht aber von jenen die nur als Reglementar {10v} Verfügungen anzusehen, und die nach den Umständen abgeändert werden könnten oder müßten.

Geheimer Rath Ignaz Graf von Arco äußerte, daß er auf eine unbedingte Annahme des Code Napoleon, als ein republikanisches Gesezbuch, welches auf das Gleichheits Sistem erschaffen, und einem monarchischen Staate nicht nur nicht nüzlich, sondern sogar gefährlich werden könne, zu stimmen sich nicht getraue. Er vereinige sich aber mit der von dem geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas und geheimen Rath von Zentner geäußerten Meinungen.

Geheimer Rath von Krenner der ältere gab seine Abstimmung dahin: daß er es als unvermeidlich ansehe, bei der Revision des neuen Gesezbuches in die von dem geheimen Rathe von Feuerbach ausgehobene und von dem geheimen Rathe Grafen Carl von Arco bestrittene 6 Grundsäze einzugehen. Sie ganz anzunehmen halte er für eine Monarchie gefährlich {11r} denn sie seien offenbar demokratisch, selbst der Staatsrath Portalis habe dieses gefühlt und in einer Rede geäußert1686.

Der Geist des Code Napoleon, der nach republikanischen Grundsäzen sich gerichtet seie nicht für eine Monarchie, und sein Körper habe so viel Verworrenes, Räthselhaftes und Dunkles, daß er in demselben nicht das Vorzügliche finden könne, was man hierin legen wolle. Seine Unvollkommenheit spiele im Gegentheile Richter und Advokaten das Gut der Unterthanen in die Hände, und er seie überzeugt, nach der im Jahre 14 eintretenden Revision werde er anders als gegenwärtig aussehen. Er vereinige sich deßwegen mit einer der geäußerten Abstimmungen, daß der Codex Maximilianeus dem neuen Gesezbuche zum Grunde gelegt und die nöthige Abänderungen darin getroffen würden, wodurch die Arbeit sehr werde erleichtert werden.

Geheimer Rath von Krenner der jüngere äußerte, daß er in dem Entwurfe des neuen baierischen Gesezbuches noch auch {11v} in dem Code Napoleon die ausgehobene 6 Prinzipien nicht finden könne, überhaupt auch nichts Republikanisches daraus sich folgern laße. Er stimme dem Antrage des geheimen Rath von Zentner bei, und halte dafür, daß es auf alle diese eingetretene Discußionen nicht, sondern nur darauf ankomme, jede Materie des verfaßten Entwurfes mit einer kurzen Vorrede der Revision des geheimen Rathes oder einer Commißion aus seiner Mitte zu unterwerfen, dabei aber das französische Original des Code Napoléon stellenweis abzulesen, um vergleichen zu können, wo Abweichungen eingetreten, und selbst wo diese nicht bedeutend, würde er die französische Faßung beibehalten indem dieselbe auf philosophischen Gründen zu ruhen scheine.

Geheimer Rath von Schenk stimmte, wie er bekenne, daß er in den ausgehobenen Grundsäzen nichts Republikanisches finden könne, jedes Gesezbuch laße sich mit Worten angreifen, und es würde ihm nicht schwer werden, diese Behauptung auf alle Gesezbücher {12r} anwenden zu können.

Auch müße er erinnern, daß diese Grundsäze schon in der Konstituzion des Reichs und in den gegebenen konstituzionellen organischen Edicten ausgesprochen worden, und daß er es für den Staat bedenklich und gegen seine Würde halte, von solch feierlich und förmlich gefaßten Bestimmungen abzugehen. Diese Grundsäze, die politisch für gut befunden worden, standhaft verfolgen, sich mit weiteren Discußionen über Fragen, die entschieden nicht mehr abzugeben, seien seine Ansicht, indem man sonst nicht mehr fertig werden würde. Er stimme also dafür, daß der gefertigte Entwurf bei den eintretenden Discußionen des geheimen Rathes zum Grunde gelegt, und alles was die Constitution und die konstituzionelle organische Edicte vorschreiben, wenn es noch nicht geschehen, dabei berücksichtiget werden solle.

Geheimer Rath Freiherr von Asbek stimmte mit dem geheimen Rathe von Zentner.

Geheimer Rath von Feuerbach erbat sich von Seiner Majestät {12v} dem Könige die Erlaubniß, noch einige aufgesezte Bemerkungen über die gegebene Abstimmungen ablesen zu dürfen. Als Seine Majestät der König diese Erlaubniß zu ertheilen geruhet, äußerte derselbe.

Er übergebe die Bemerkungen, welche den aufgestellten Grundsäzen entgegen gestellt worden, da diese größten Theils, wie er glaube, nicht nur in einem ganz andern Sinne genommen worden, als in welchem sie dem Code Napoleon zum Grunde liegen, und von ihme gedacht worden, sondern in ihrem wahren Sinne schon durch die Konstituzion und die organischen Edicte ausgesprochen seien. Daß sie nicht demokratisch, sondern kaiserlich französch [!] monarchisch seien, ergebe sich schon aus der ganz einfachen historischen Bemerkung, die aber von den meisten Herrn geheimen Räthen übersehen worden, daß der republikanische Code civil des françois nach Errichtung des Kaiserthums der Revision unterworfen, den Grundsäzen der neuen Monarchie angepaßt und erst alsdann mit diesen Veränderungen {13r} als Gesezbuch einer Monarchie unter dem Titel Code Napoléon im Jahre 1806 von neuem promulgirt worden.

In dem ersten Kabinets Beschluß seie befohlen worden, den Code Napoleon mit den Baiern anpaßenden Modifikazionen zu bearbeiten und auf Baiern anwendbar zu machen1687. Es seie damals von keinem anderen Gesezbuche die Rede gewesen, das nebenbei zur Grundlage dienen, oder, daß der Code Napoleon nur als Nebenquelle gelten solle, vielweniger noch von Entwerfung eines neuen selbstständigen Gesezbuches für Baiern, wobei nur der Gebrauch des Code Napoleon als raison écrite anbefohlen worden. Es seie die Rede gewesen von der Anwendbarmachung des Code Napoléon für Baiern, wornach also das nicht konstitutionelle, das der Gerichts Verfaßung Widersprechende und das wegen Mangel des Gegenstandes absolut Unabwendbare wegzulaßen oder zu ändern gewesen. Nach diesen Grund Ideen mußte die Gesez Commißion handeln, nach diesen habe sie gehandelt, wie er v. Feuerbach {13v} in seinem Vortrage umständlich ausgeführt habe.

Die Ideen, welche dem Voto des geheimen Rath von Zentner zum Grunde liegen, könnten an und für sich weit empfehlungswürdiger als die Ideen eines blos modifizirten Code Napoleon sein, der deßwegen doch immer Code Napoleon bleiben würde, sowohl in seiner äußern Form als nach dem Haupt-Inhalte seiner Materien, nur seie jene Idee der Gesez Commißion nicht vorgeschrieben gewesen, auch scheine jene mit den Anträgen nicht wohl vereinbarlich, welche geheimer Rath von Zentner daraus gezogen, denn wenn Baiern, wie sich von Zentner ausdrüke, ein eigenes selbstständiges Gesezbuch erhalten solle, wobei der Code Napoleon nur nächst dem Codex Max, dem preußischen, römischen p. als Materie betrachtet werden solle, so seie eben darum ausgesprochen, daß der Code Napoleon nicht zur Grundlage dienen solle.

{14r} Unter Voraussezung jener Idee müße er von Feuerbach sich vielmehr mit den Votis der geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring vereinigen, denn werde der Code Napoleon nur zur Basis genommen nach jener Idee, so werde er hauptsächlich nur in seiner Form, äußern Anordnungen, Materien pp. dem neuen Gesezbuche zum Grunde liegen können, allein gerade die äußere Form seie nicht sehr empfehlungswürdig, weit zwekmäßiger wäre es, wenn alsdann der im Ganzen sehr vorzügliche Kreitmaierische Codex Maximilianeus zum Grunde gelegt werde.

Es könnte alsdann 1) alles in dem Code Napoléon zwekmäsige eingewebt, 2) diejenige Bestimmungen, welche der Konstituzion gemäs eingeschaltet oder geändert werden müßten, aufgenommen, 3) alles sonst Fehlerhafte verbessert, und dabei, was nebst dem Code Napoléon in den preußischen {14v} oesterreichschen Gesezbücher und so weiter Zwekmäsiges enthalten, benuzt und aufgenommen, und 4) die Supplimente, welche die neuere Reskripte, Rechts Sprüche darbieten, eingeschaltet werden. Ein solches Gesezbuch hätte alsdann schon diesen Vorzug, daß es das alte in den wichtigsten Theilen des Staates schon geltende nur verbeßerte Gesez wäre, und daher sowohl die Popularität für sich haben, als auch ein neues Studium wo nicht äußerst erleichtern, doch größten Theils ganz überflüßig machen würde. Allein er müße gestehen, daß er sich mit dieser vorgelegten Ansicht nie vereinigen könne.

Geheimer Rath von Zentner äußerte hierauf, daß geheimer Rath von Feuerbach seine Ideen ganz mißverstanden, und seinem Antrage eine falsche Deutung gegeben habe. Als Verfasser, der seine Idee am besten nach seiner Ansicht beleuchten könne, wolle er dieselbe {15r} nochmal aufstellen, und es würde sich klar darthun, daß nicht diese von Herrn geheimen Rath von Feuerbach unterlegte Schlußfolge daraus zu ziehen seie.

Geheimer Rath von Zentner sezte seinen früher geäußerten Antrag und die daraus sich ergebende Ansicht in einer kurzen mündlichen Erläuterung noch einmal auseinander.

Nach Anhörung dieser von den Mitgliedern des geheimen Rathes gegebenen verschiedenen Abstimmungen, und nach Würdigung der daraus zu entnehmenden Ansichten des zur Berathung gebrachten Gegenstandes

geruheten Seine Majestät der König folgenden allerhöchsten Entschluß zu faßen.

Der von der Gesez Commißion auf die Grundlage des Code Napoleon verfaßte Entwurf eines neuen bürgerlichen Civil Gesezbuches für das Königreich Baiern solle, sobald die {15v} Prüfung des Kriminal Gesezbuches auf die von Seiner Majestät dem Könige festgesezte Weise (welches zu beschleunigen) beendiget sein wird, von einer Commißion, bestehend aus der ganzen Justiz Section und einem noch benannt werdenden Mitgliede von jeder der beiden übrigen Sectionen auf folgende Art in Revision genommen, und zum Vortrage in der Plenar Sizung des geheimen Rathes vorbereitet werden.

Der Referent des geheimen Rathes solle ganze Kapitel und Materien dieses Entwurfes der angeordneten Commißion zur Prüfung vorlegen, und dieselbe mit einem Vortrage begleiten, in welchem die Ursachen und Beweggründe der angenommenen Faßung, die Abweichungen von den bisherigen Gesezen, und die Art, wie solche, wenn sie bisher fremde Einrichtungen zum Gegenstande haben, in Anwendung gebracht werden können, auseinander gesezt sind. Hat die Commißion eines dieser Capitel durchgangen, {16r} geprüft und sich über die Faßung deßelben vereiniget, so wird der Vortrag und die allenfalls getroffene Aenderungen lytographirt, unter die Mitglieder des geheimen Rathes wenigstens 8 Tage vor der Plenar-Sizung vertheilet, und im Pleno des geheimen Rathes vorgelegt.

Als unabänderliche Normen wornach diese Commißion sich zu achten und nicht davon sich zu entfernen, werden hiemit festgesezt: daß die Konstituzion des Reichs und die darin sowohl als in den konstituzionellen organischen Edicten enthaltene Bestimmungen, als auch der Code Napoléon, als worauf dieser Entwurf gebauet, bei dieser Revision zum Grunde gelegt, dabei aber auch der Codex Maximilianeus und andere bewährte Gesezbücher rüksichtlich der besondern Verhältniße des Königreichs und der durch frühere königliche Befehle schon gegebenen Bestimmungen benuzt werden sollen.

Wegen Beendigung des Drukes des gefertigten Entwurfes sollen die {16v} geeigneten Befehle ertheilt werden.

Genehmigung der Beschlüsse durch den König (8. September 1810).

Anmerkungen

1665

Heute ist Griesau Gemeindeteil von Pfatter und liegt wie Sünching im Landkreis Regensburg, Regierungsbezirk Oberpfalz.

1666

„Instruktion für die General-Kreis-Kommissäre“ vom 17. Juli 1808, § 35 d, RegBl. 1808, Sp. 1665.

1667

Ebd., § 46 (RegBl. 1808, Sp. 1670), zit. in Nr. 53 (Geheimer Rat vom 7. Dezember 1809), TOP 3.

1668

Die VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810 (hier angesprochen: Tit. I, Art. 1.1 und Tit. II, Art. 1) wurde im Regierungsblatt Nr. 38 vom 18. August 1810 publiziert.

1669

Bekanntmachung der in dieser Sitzung erledigten Rekurssache (TOP 1): RegBl. 1810, Sp. 770f.

1670

Fortsetzung der Debatte über Feuerbachs Einleitungsvortrag zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 7. (!) Dezember 1809 (oben Nr. 53, TOP 2). Vgl. Dölemeyer, Kodifikationsbestrebungen, S. 144f.; Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft, S. 141f. (insbesondere zum Votum Arcos).

1671

Mit Datum 14. Dezember 1809 brachte Feuerbach zudem „Nachträge des Geheimen Raths Feuerbach zu seinem Vortrage: den Code Napoléon und das neue baierische Gesezbuch betreffend“ (lithographierter Text, 23 Seiten, BayHStA Staatsrat 191) in Umlauf, in denen er auf die schriftlichen Voten Toerring-Gutenzells (dazu unten in vorliegendem TOP) und Arcos (ebd.) einging.

In dem auf Toerring-Gutenzells Kritik antwortenden Abschnitt seiner „Nachträge“ (S. 1-13) thematisierte Feuerbach insbesondere die politischen Bedingungen, die nach seiner Einschätzung dem Entschluß des Königs zugrundelagen, den CN zur Grundlage der bayerischen Gesetzgebung zu machen. Feuerbach brachte unter anderem vor: Leitend sei für ihn nicht das zu Wünschende, sondern das unter den gegebenen Umständen Beste und Nützlichste. Müsse geprüft werden, was „in Beziehung auf die Reform der baierischen Gesezgebung überhaupt und an sich das Beste“ sei, so wäre tatsächlich zu prüfen, ob Bayern überhaupt eine neue Gesetzgebung brauche (S. 3f.). Dies sei aber nicht die Frage. Vielmehr habe der König „schon früher dem französischen Hofe erklärt […], daß der Code Napoléon mit den nötigen Modifikazionen in Baiern aufgenommen werde“ (S. 4). Daß Napoleon Wert auf die Annahme des CN lege, sei „wenigstens nicht ganz unerwiesen“ (S. 5). Es sei nicht zu verkennen, daß der König „sammt den hohen Ministerien sehr entscheidende Gründe hatten, als der Befehl ertheilt wurde, den Code Napoléon in Baiern einzuführen (S. 5f.). Toerring-Gutenzells Bedenken, die Übernahme des CN werde die bestehende Ordnung zersetzen, Verbindlichkeiten lösen sowie Eigentum entfremden, sei unbegründet: „Kein bürgerliches Gesezbuch kann an dem erworbenen Eigenthum Raub oder Diebstahl begehen, denn, ganz gegen Räuber- oder Diebssitte, bindet es sich selbst die Hände, um ja nichts zu verderben; es gebietet ja nur für die Zukunft und hat an seiner Spitze das Grund-Gesez: lex non trahitur ad praeterita“ (S. 8f.). Schließlich ging Feuerbach auf die Kritik an den sechs Grundsätzen ein. Toerring-Gutenzells Bedenken gegen den fünften, primär auf Fideikommisse zielenden Grundsatz begegnete Feuerbach mit dem Hinweis, daß er erstens nur für bürgerliche Untertanen gelten sollte, während es für Adelige weiterhin möglich sei, Vermögensmassen durch die Errichtung von Majoraten zu binden. Zweitens dürfe „bei Bürgerlichen die Absicht, den Glanz ihres Namens an ein Familiengut zu hängen, und dadurch dieses Gut dem Kommerz und der Vertheilung zu entziehen“, keine Begünstigung erfahren. Drittens sei der Grundsatz schon lange vom König genehmigt worden, daher sei er viertens „nicht ‚ein Nachhall der Revoluzion’, sondern ein Nachhall der geheiligten Aussprüche Seiner Königlichen Majestät“ (S. 12). Mit Blick auf den sechsten Grundsatz räumte Feuerbach ein, daß er die Meinung befördern könne, der CN enthalte Vorschriften, „die den Reichen um Gotteswillen bestehlen, um den Bettler zum Reichen zu machen“. Eine andere Formulierung des Grundsatzes könne dem abhelfen: „Seze man statt der Worte ‚die Vertheilung des Eigenthums soll befördert werden’ nur die Worte ‚die Vertheilung des Eigenthums soll nicht verhindert, nicht erschwert werden’, so ist wohl allem geholfen“ (S. 12). Sollte der König den CN allerdings verwerfen, so stimme er dafür, den CMBC „zum gemeinen Rechte Baierns zu erheben“ (S. 13).

In seiner Stellungnahme zum Vortrag Arcos konzentrierte sich Feuerbach auf den Nachweis, daß die „Grundsätze“ keineswegs „demokratisch“ seien und daß sie auch ohne Fundierung im CN als Prinzipien des bayerischen Rechts gelten könnten (S. 13-23). Der erste Grundsatz – Freiheit des Untertanen, realisiert durch die Aufhebung der Leibeigenschaft sowie die Ablösbarkeit der Fron- und Scharwerksdienste – sei in der Konstitution verankert und in monarchischen Staaten wie Frankreich, Holland, Westphalen, Dänemark, sogar im „despotischen“ Rußland verwirklicht bzw. angestrebt. Arcos Unterstellung, Ehen seien nach diesem Grundsatz unzulässig, finde keinen Rückhalt im CN. Der zweite Grundsatz – Gleichheit der Untertanen vor dem Gesetz – sei durch die Konstitution und durch Organische Edikte anerkannt. Der Grundsatz schließe nicht die Gleichheit des Ranges und die Aufhebung aller Ehrenvorzüge ein („welches allerdings nicht nur demokratisch, sondern jakobinisch sein würde“, S. 17). Der Grundsatz spreche nicht von der Gleichheit vor Gericht; Gleichheit vor dem Gesetz sei mit monarchischen Verfassungen vereinbar. In diesem Zusammenhang trat Feuerbach zugleich der Forderung Arcos entgegen, der „vornehme Verbrecher“ müsse im Strafrecht „durch eigene Strafen und dergleichen ausgezeichnet werden“ (S. 19). Der dritte Grundsatz sei von Arco falsch zusammengefaßt worden. In Wirklichkeit gehe es um „Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Staats von der Kirche in allen bürgerlichen Dingen“ (S. 21). Dieser Satz sei keineswegs demokratisch, sondern passe in jede Regierungsform. „Die eifrigsten Monarchisten wie Hobbes in seinem Leviathan [Thomas Hobbes: Leviathan, or the Matter, Forme, & Power of a Common-Wealth ecclesiasticall and civill, London 1651], die konsequentesten Monarchien, wie Frankreich, die stolzesten Aristokratieen, wie ehemals Venedig, haben ihn entweder geltend gemacht oder geltend zu machen bestrebt“ (S. 21f.). Auch habe die bayerische Regierung seit 1799 in zahllosen Reskripten diesen Grundsatz geltend gemacht. Daß der vierte Grundsatz kein „Überbleibsel der revoluzionären Zeiten, nicht eine Erfindung der Revoluzionsmänner“ sei, ergebe sich schon daraus, daß er „von den kaltblütigsten Männern, wie z. B. von Adam Schmitt [d. i. Adam Smith] in seinem Werk über Nazionalreichthum [An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 2 Bde., London 1776. In Deutschland war um 1800 insbesondere die Übersetzung Christian Garves verbreitet: Untersuchung über die Natur und die Ursachen des Nationalreichthums. Aus dem Englischen der vierten Ausgabe neu übersetzt, 3 Bde., zuerst Breslau 1794-1796, dann weitere Ausgaben (Auflistung der Übersetzungen: Smith, Wohlstand, S. 838)] behauptet worden“ sei (S. 22). Den fünften Grundsatz wollte Feuerbach gegen die Unveräußerlichkeit des Eigentums gerichtet wissen. Es gehöre nicht zum Wesen einer Monarchie, Eigentum zu binden, folglich sei „jener Grundsaz kein Jakobiner Grundsaz“ (S. 23). Auch Adam Smith, den man nicht unter die Jakobiner zählen könne, habe dies gefordert. Was den sechsten Grundsatz anging, verwies Feuerbach auf die entsprechenden Ausführungen zum Votum Toerring-Gutenzells.

1672

Votum Reigersbergs vom 6. September 1810, 3 Blätter, nicht paginiert, BayHStA Staatsrat 191. Reigersberg hob in seinem Votum hervor, daß der König verfügt habe, den CN nur insoweit der neuen Zivilgesetzgebung zugrunde zu legen, als er mit der Konstitution und den Organischen Edikten kompatibel sei. Aber auch ohne diese Anordnung wisse er „keinen Grund aufzufinden […], was den Code Napoleon zur Grundlage des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zu wählen, nicht räthlich machen sollte“ (Bl. 2r). Der CN sei keineswegs originell, seine Quelle sei das römische Recht, „eine Quelle, woraus bisher alle Gesetzbücher floßen“. Auch seien Rechtsinstitute des CN wie der Familienrat, die Friedensrichter, das Zivilstandsregister, die Hypothekenordnung usw. „in vielen deutschen und andern Staaten […] zum Wohl der Unterthanen“ in Gebrauch gekommen (Bl. 2v). Zu den Vorzügen des CN zählte Reigersberg, „[d]aß es einer der gelungensten Auszüge aus dem römishen Recht ist, daß es allgemeine Maximen mit Kürze, Klarheit und Bestimmtheit, dem Richter zur Anwendung vorschreibt, und Rechtskontroversen möglichst von den Justizstellen verbannt“ (Bl. 3r).

1673

Preysing, „Votum in dem Geheimen Rath über den Einleitungs Vortrag des G[eheimen] Rath von Feu[e]rbach. Das Bürgerliche Gesezbuch für das König Reich Bayern [betreffend]“, 7 Seiten, ebd. Preysing hielt es grundsätzlich für sinnvoller, die geltenden Gesetze – in diesem Fall den bewährten CMBC – zu verbessern, als „fremde vielleicht nicht anpassende Geseze“ zu rezipieren (Bl. 2r). Er gab zu bedenken, daß der CMBC einer Vielzahl von Beamten und Dikasterialräten gut bekannt sei, was die Anwendung im Dienstalltag erleichtere. Sich in eine neue Gesetzesmaterie einzuarbeiten, sei insbesondere den mit Geschäften überhäuften Landbeamten nicht zumutbar. Der CN sei in einem anderen politischen Kontext entstanden: „Franckreich nach seiner schröcklichen Revolution machte dermahlen Republicanische und Democratische Geseze. Glücklich vor Bayern, daß wir nit in disen Fall seynt, und nur Monarchische Geseze uns angemessen seynt“ (Bl. 3r). Da mittlerweile in Frankreich eine „Monarchische Regierungsform“ herrsche, werde Napoleon wohl „noch manches in seinen Code Napoleon abändern wollen“ (ebd.). Wenn der König dem „einheimischen Gesezbuch“ (ebd.) den Vorzug gebe, solle ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung des Eigentumsrechts gelegt werden.

1674

Verweis auf Kreittmayrs „Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis oder neu verbessert- und ergänzt- Chur-Bayrisches Land-Recht“ (München 1759).

1675

Toerring-Gutenzell, „Zu dem Einleitungs-Vortrag des Herrn geheimen Raths von Feuerbach“, lithographierter Text, 22 Seiten, BayHStA Staatsrat 191. Graf Toerring-Gutenzell übte in seinem Vortrag zunächst in 26 Punkten Kritik an einzelnen Sätzen des Einleitungsvortrags (S. 1-15). Unter anderem machte er Ausführungen zur Zielrichtung der Gesetzgebung (Pkt. I), zum – bestrittenen – Homogenisierungsdruck im Rheinbund (Pkt. III, S. 3-5; gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 54, S. 285f.), zu den Majoraten (Pkt. XI, S. 7-9), zum Eigentumsrecht (Pkt. XII, S. 9-12), zur Emphyteuse (Pkt. XIV, S. 13), auch zur Notwendigkeit, das Königreich Bayern rechtlich zu integrieren, aber nicht notwendig durch ein neues Gesetzbuch (Pkt. XVI, S. 14f.).

Er führte dazu in seinem Votum aus: „Wehe! dem Volke, das einer [neuen Gesetzgebung] bedarf: Es hatte sich entweder gesezlos gemacht, oder war es durch Gewalt geworden, oder seine Geseze würkten zu dem Verderben“ (S. 15). Es gebe keine Veranlassung, ein neues Gesetz zu erlassen, da dazu „keine Staats-Verbindlichkeit […] existire“. Es sei erwiesen, daß Napoleon als Protektor des Rheinbundes „auf diese Art der Influenz feierlich verzichtet habe“ (S. 16). Ein allgemeines bürgerliches Gesetz für das gesamte Staatsgebiet sei dringend erforderlich: „Ein Gott, ein König und ein Gesez“ (S. 17). Das einzige für das Königreich Bayern geeignete Gesetz sei der CMBC, und das aus drei Gründen: Erstens „[w]eil selber mit allen Vorbedingungen eines weisen und konstituzionellen Gesezes versehen, nun über ein halbes Jahrhundert im baierischen Haupt- und Mutterlande ohne bekannter Klage noch Beschwerde bestand, mithin ein wohlgeprüftes Gesez ist“ (S. 17f.). Zweitens „[w]eil dieser Codex wie der Codex Napoleon ein Gebäude aus römischen Quaterstücken ist, welche aber nicht wie bei diesem mit französischen Kitte sondern mit deutschem verbunden sind; mithin sich für unsere Nebentheile um so mehr eignet, als dort überall, wo nicht nordische Influenz es anderst machte, römisch deutsches Recht gilt“ (S. 19). Drittens schien es Toerring-Gutenzell „am natürlichsten und konsequentesten“, den CMBC beizubehalten, da beschlossen worden sei, die damit korrelierende Gerichtsordnung (CJBJ) beizubehalten (S. 20). Allerdings war der CMBC an die Konstitution und die Organischen Edikte anzupassen, stilistisch zu überarbeiten und der Entwurf schließlich im Geheimen Rat zu diskutieren. Toerring-Gutenzell glaubte, daß diese Arbeiten in sechs Monaten abgeschlossen werden könnten.

1676

„Votum des geheimen Raths von Zentner über den Einleitungs-Vortrag des geh. Raths Feuerbach, das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Baiern betreffend“, 11 Blätter, BayHStA Staatsrat 191. – Zentner betonte in seinem Vortrag den Zusammenhang zwischen einer einheitlichen Zivilgesetzgebung und der Schaffung eines homogenen Staatsverbandes. Die „Einheit und Gleichförmigkeit der Gesetzgebung“ herzustellen war insofern ein politisches Ziel, das schon vor dem Zusammentreffen Max Josephs mit Napoleon in Mailand bestand. Eine Veranlassung zur „unbedingte[n] Annahme“ (Bl. 3v; hier und im Folgenden Unterstreichungen aus dem Original nicht übernommen) des CN bestehe weder aufgrund der Mitgliedschaft Bayerns im Rheinbund noch ergebe sie sich aus Forderungen Napoleons. So erkläre sich der Wille des Königs: „[D]as künftige baierische Gesetzbuch soll ein eigenes selbstständiges der baierischen Nation angemessenes, und ein zugleich in das Staats- und Rechts System des großen französischen Kaiserstaates einpassendes Werk seyn“ (Bl. 6r). Die allgemeinen Lehren und Rechtsinstitute des CN sollten, so Zentner, nur insoweit übernommen werden, als sie bereits in der Konstitution und den ergänzenden Organischen Edikten rezipiert worden seien. Bei passender Auslegung seien Feuerbachs Programmsätze keineswegs mit einem monarchischen Staat inkompatibel: „[J]eder Staat, der einen gewissen Grad der Cultur erreicht hat, und aus der Feudal-Regierung des Mittelalters in eine eigentliche bürgerliche Regierung übergehen will, welche Regierungsform er übrigens hat, muß nach diesen Grundsätzen sein bisheriges Staatssystem allmählig reformiren“ (Bl. 7r-7v). Doch könnten „nicht Franzosen, sondern nur Deutsche, die mit dem gegenwärtigen Rechtszustande des baierischen Staates, mit den Sitten, mit dem Grade von Kultur seiner Einwohner bekannt sind […] für Baiern ein Gesetzbuch entwerfen, oder den Code Napoleon Baiern anpassen“ (Bl. 8r-8v). Sein politisches Credo umschrieb Zentner folgendermaßen: „Man baue fort auf das Alte nach den weisen Gesetzen der Natur, man reformire, wo man noch kann, damit keine Regeneration, die eine gewaltsame Zernichtung voraussetzt, wie, leider! der Fall in Frankreich war, nothwendig werde“ (Bl. 11v).

1677

Konstitution für das Königreich Baiern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 7 (RegBl. 1808, Sp. 998; AK Bayerns Anfänge, S. 332).

1678

„Votum des Königlichen Geheimen Raths Grafen Carl [Maria] von Arco, den Einleitungs Vortrag des Herrn Geheimen Raths von Feyerbach, über das bürgerliche Gesezbuch für das Königreich Baiern betreffend“ vom 27. November 1809 (!), lithographierter Text, 54 Seiten, BayHStA Staatsrat 191 (zit. Arco, Votum). Arco ging in seinen umfangreichen Ausführungen von der Überzeugung aus, daß es für die Mitglieder des Rheinbundes keineswegs erforderlich sei, sich dem „Hauptstaate“ hinsichtlich Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung anzupassen (vgl. §§ 6, 10, 28 u.ö.). Der König habe angeordnet, den CN nur insoweit zur Grundlage des künftigen bayerischen Gesetzbuches zu machen, als er für Bayern anwendbar sei (§ 12). Der CN sei also unter Beibehaltung des Wesentlichen zu modifizieren. Die sechs von Feuerbach ausgehobenen Prinzipien des CN (vgl. nächste Anmerkung) unterzog Arco eingehender Kritik.

Gegen den ersten Satz hatte Arco prinzipiell nichts einzuwenden, doch zeigte er sich mit den Folgerungen nicht einverstanden. Gegen die Verpflichtung eines Menschen „auf unbestimmte Zeit zu gewöhnlichen Diensten“ sei nichts einzuwenden, verpflichte sich „doch alle Tage der Staatsdiener gegen den Staat dazu“ (§ 16, S. 14). Denke man Feuerbachs Kritik weiter, könne eine eheliche Verbindung „als unzulässig nicht bestehen […] und die Lehre desselben in das bürgerliche Gesezbuch nicht aufgenommen werden dürfen“ (ebd.). Insbesondere sah Arco Gefahren für den Rechtsverkehr voraus, „wenn derjenige, welcher sich nur zu einer bestimmten einzelnen Dienstleistung verpflichtet hat, nicht schlechterdings verbunden wäre, den bedingten Dienst zu leisten, sondern sich durch Leitung des Interesses von dieser Verbindlichkeit befreien könnte“ (§ 16, S. 14f.).

Der zweite Satz klang Arco „so im allgemeinen hingeworfen ganz gut“. Er sei insofern richtig, als jeder Untertan zum Gesetzesgehorsam verpflichtet sei – allerdings nur dann, wenn die Gesetze den je unterschiedlichen Rang und das unterschiedliche Ansehen jeder Person abbildeten. „Dazu dürfte gehören, daß die Gerichtsbehörden in ihren Erlassen an Personen von hohem Range durch Geburt oder ihre Verhältnisse im Staatsdienste dieselben nicht wie jeden von der niedrigsten Klasse behandeln dürfen, daß bei dem peinlichen Verfahren, in der General- und Spezial-Inquisizion, selbst in der Art der Strafe ein Unterschied zwischen dem Minister und dem Vaganten gemacht werde. Da eine gleiche Strafe für so verschiedene Subjecte nicht mehr gleiche Strafe ist, und hiedurch also selbst der Grundsaz der Gleichheit verlezt wird“ (§ 17, S. 15f.). Eine „temperirte Monarchie“, die selbst von Napoleon als beste Verfassung bezeichnet werde, bedürfe „gesezlicher Abstufungen zwischen den verschiedenen Klassen der Unterthanen selbst zur Befestigung des Ansehens des Monarchen und zur Erhaltung des Thrones“ (§ 17, S. 17). Der König selbst folge dieser Einsicht, indem er unter anderem für Majoratsbesitzer einen privilegierten Gerichtsstand eingerichtet habe.

Den dritten Grundsatz gab Arco folgendermaßen wieder: „Der Staat schüzt die Freiheit des Gewissens aller Religionen“ (§ 18, S. 18). Dies könne jeder Souverän durch ein Edikt erreichen; ein neues Gesetzbuch sei nicht erforderlich. Der Korrekturbedarf sei ohnehin gering, habe doch Kreittmayr im CMBC nur an einer Stelle gegen den Grundsatz verstoßen.

Im vierten Grundsatz stellte Arco den Eigentumsschutz in den Vordergrund. Die von Feuerbach vorgebrachte Begünstigung des Eigentums führe zum Eigentumsverlust, wenn die Ablösbarkeit der Grundlasten nicht auf beiderseitiger Einwilligung beruhe oder der volle Wert des losgekauften Eigentums ersetzt werde (§ 19, S. 18f.).

Gegen den fünften Grundsatz hatte Arco prinzipiell nichts einzuwenden, doch waren Einschränkungen vorzusehen. Einerseits sollte es weiterhin möglich sein, Majorate einzurichten. Andererseits sollte ein Grundeigentümer nur soviel Grund verkaufen dürfen, daß die Subsistenz seiner Familie nicht gefährdet war. Denn ein gering begüterter „Landmann“ könne weder als Bauer noch als Tagelöhner seine Existenz sichern. Wenn „eine solche Klasse von Leuten sich sehr vervielfältigen würde, [wäre] sie gerade eine derjenigen […], die der Sicherheit des Eigenthumes am gefährlichsten würde“, insbesondere durch die in der Erntezeit häufigen „Feld-Diebstähle“ (§ 20, S. 19-22, Zitate S. 21).

Sechster Grundsatz: Arco stimmte zu, daß die Verteilung des Eigentums zu befördern sei, doch nur bis zu einem existenzsichernden Minimum. Feuerbach wolle aber wohl ausdrücken, „daß Niemand eine der Regierung oder deren Behörden zu gros scheinende Masse vom Grund-Eigenthume an sich bringen zu können befugt seye“ (§ 21, S. 23). Dies stehe im Widerspruch zum fünften Grundsatz. Feuerbachs Kritik an einem Gemeinwesen, in dem wenige reich, aber viele arm seien, erkenne er „nach den bestehenden philosophisch moralischen Ansichten über Staaten und Menschen Glück“ als richtig an. Doch könne keine Gesetzgebung die Ungleichheit der Menschen und die damit zusammenhängende unterschiedliche Befähigung zum Vermögenserwerb aufheben. Eine nur geringfügig um einen Mittelwert streuende Vermögensverteilung sei, wenn überhaupt, dann nur in einer kleinen, weitgehend autark Ackerbau und Viehzucht betreibenden, von Handelsverkehr mit anderen Völkern absehenden Republik mit strengen Sittengesetzen gegeben. Frankreich biete kein Beispiel für gleichmäßige Vermögensverteilung. Dort finde man „ungeheuer grose Landeigenthümer, neben sehr winzig kleinen“, immens reiche Individuen „und neben diesen viele Tausende von Bettlern“ (§ 21, S. 27). Arco betonte, daß der „ausserordentliche Reichthum weniger Menschen nur in der democratisch constituirten Republik gefährlich werden“ könne, weil dort Reichtum, in politische Macht transformiert, einem Einzelnen „den Weg zur Alleinherrschaft“ bahnen könne (§ 21, S. 28). In der gemäßigten Monarchie hingegen sei der Abstand auch des reichsten Untertanen zum Monarchen „immer so gros, daß auch der größte Reichthum in der Regel, wenn nicht ganz ausserordentliche Anstände eintreten, das Verhältniß des reichsten Unterthans, im Gegenhalte jenes des Unbemittelten zu dem Souverain nicht um eine Linie verrükt“ (§ 21, S. 28). Gefährlich sei insbesondere übermäßiger Kapitalbesitz. „Warum soll also der Spiritus Rector der künftigen Gesezgebung zu dem Landeigenthümer sagen können und sollen, du sollst nicht über z. B. 2 Millionen Land-Eigenthum erwerben können, während er zu dem Banquier sagt, deiner Erwerbsfähigkeit sind keine Schranken gesezt“ (§ 21, S. 28f.).

Als wichtigste Konsequenz seiner Überlegungen hob Arco hervor, daß „die Grund-Ideen des künftigen baierischen Gesezbuches nicht ihrer Wesenheit nach republikanischer Natur sein [dürfen], sondern sie müssen ganz den Geist der gemäsigten Monarchie athmen“ (§ 36, S. 49).

1679

Vgl. Protokoll Nr. 53 (Geheimer Rat vom 7. Dezember 1809), TOP 2: 1) „Jeder Unterthan ist im Verhältniße zu andern Unterthanen ein freier Mensch; er ist frei geboren und muß frei bleiben.“ 2) „Alle Unterthanen sind gleich vor dem Gesez.“ 3) „Der Staat ist selbstständig und unabhängig von der Kirche in allen bürgerlichen Dingen.“ 4) „Die Freiheit des Eigenthumes soll begünstiget werden.“ 5) „Der freie Umtausch des Eigenthumes soll befördert werden, eben so [6] die Vertheilung des Eigenthums“.

1680

Arco, Votum, BayHStA Staatsrat 191, § 29, S. 40f. (Unterstreichungen nicht übernommen): „Grundsatz I. Jeder Unterthan ist ein freier Mensch. Dienstverträge zwischen Unterthanen unter sich, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit werden dadurch nicht als rechtsungiltig ausgeschloßen. Grundsatz II. Alle Unterthanen sind zur Befolgung der für sie bestehenden Geseze verpflichtet. Grundsatz III. Der Staat schützt die Gewissensfreiheit aller Religionen. Grundsatz IV. Freiheit und Sicherheit des Eigenthumes soll beschüzt werden. Grundsatz V. Der freie Umtausch des Eigenthums soll mit Vorbehalt der aus höhern politischen oder staatswirthschaftlichen Ansichten eintreten könnenden Beschränkungen befördert werden. Grundsaz [!] VI. Dem rechtlichen Erwerbe des Eigenthumes sollen keine Schranke gesezt sein.“

1681

Effner, „Votum im geheimen Rathe. Über den Einleitungs-Vortrag des geheimen Raths Feuerbach, das bürgerliche Gesezbuch für das Königreich Baiern betreffend“, lithographierter Text, 7 Seiten, BayHStA Staatsrat 191. Effner stellte in seinem Vortrag heraus, daß „die Grundsäze, welche in der Constitution des Reichs und in den organischen Edikten bereits ausgesprochen und zur Norme gesetzt worden sind, mit jenen, die Feuerbach aus dem CN „ausgehoben“ habe, identisch seien (S. 2). Insbesondere betreffe das die „Freiheit Baierischer Unterthanen im Verhältniß unter sich, die Aufhebung der Leibeigenschaft und jedes ähnlichen Zustandes, die Gleichheit vor dem Gesez und Richter, Toleranz und Freiheit des Gewissens, Beförderung des freien Gewissens und Verkehrs des Eigenthums“ (S. 3). Es unterliege keinem Zweifel, daß der CN „die Grundlage des baierischen Gesezbuches sein solle“ (ebd.). Wenn der König dem Geheimen Rat die Fragen vorlege, ob (1.) Bayern eines neuen Gesetzes bedürfe und (2.) wenn ja, welches Gesetzbuch die Grundlage der Neufassung sein solle, so müsse die erste Frage bejaht werden. Die zweite Frage verdiene eine genaue Erwägung. Es gebe, wie Feuerbach ausgeführt hatte, die Möglichkeit, die in Bayern bestehenden Gesetze den gegenwärtigen Erfordernissen anzupassen, „oder auf die gegenseitige Waagschale nach den französischen auch noch die neueren Geseze anderer Staaten Europens, oder ein neues Ideal von Gesezbuch zu legen“ (S. 5). Zu erörtern wäre dann auch, „ob dem französischen Gesezbuch, dessen entschiedener Vorzug in allgemein rechtlicher Ansicht keine Kontestazion leidet, auch in relativer Hinsicht auf den Staat, dem es werden solle, dieser Vorzug nicht wenigstens streitig gemacht werden könne, und in wie ferne seine Grundprinzipien auf Baiern angewendet werden können, ohne zu schnell den bürgerlichen und privatrechtlichen Zustand seiner Bewohner zu erschüttern, und aus seinen Fugen zu bringen“ (S. 5f.). Effner gedachte jedoch nicht, zu diesen Fragen eine Meinung zu äußern, zumal der König sie „ausser Deliberazion gesezt“ habe (S. 6). Es komme nur noch auf die Verfahrensfrage an, wie der Geheime Rat den Entwurf am zweckmäßigsten beraten könne.

1682

Die folgende Meinungsäußerung des Ministers Montgelas auch gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 55, S. 286-288.

1683

Vgl. die VO betr. die „Auflösung der dermaligen landschaftlichen Korporationen“ vom 1. Mai 1808, RegBl. 1808, Sp. 961f.

1684

Die Konstitutionen des Königreichs Westphalen von 1807 und des Königreichs Bayern von 1808 werden verglichen bei Weis, Montgelas Bd. 2, S. 377-380, sowie bei Hartmann, Verfassung.

1685

Zu den Besprechungen in Mailand im Dezember 1807 vgl. Weis, Montgelas Bd. 2, S. 363-365.

1686

Jean-Étienne-Marie Portalis (1746-1807) begann seine Laufbahn als Anwalt. Am 12. August 1800 wurde er Mitglied der mit dem Entwurf eines Zivilgesetzbuches betrauten Kommission, seit dem 22. September diente er als Staatsrat. In diesen Funktionen nahm Portalis maßgebend an den bis März 1804 laufenden Beratungen über den Zivilgesetzentwurf teil. 1801 zudem mit kirchenrechtlichen Fragen betraut, wurde er 1804 Minister für kirchliche Angelegenheiten. Im selben Jahr wirkte er übergangsweise als Minister des Inneren. Seit 1803 gehörte er der Académie française an. Die Reden und Stellungnahmen Portalis’ zum Zivilgesetzentwurf wurden im offiziellen Organ der französischen Regierung, der „Gazette nationale, ou Le moniteur universel“, dokumentiert. Der Landshuter Professor für Staats- und Fürstenrecht Nikolaus Thaddäus Gönner publizierte 1810 Portalis’ „Einleitungsrede zum Entwurfe des französischen Civilgesetzbuchs“ (Discours préliminaire du Projet de Code civil) in eigener Übersetzung in seinem „Archiv für die Gesetzgebung und Reforme des juristischen Studiums“ (Gönner, Archiv Bd. 3, S. 386-465). – Zu Portalis vgl. Plesser, Portalis, S. 23-30; d’Onorio, Portalis, S. 9-17 (biographische Daten), S. 185-242 („L’architecte du code civil“), mit Nachweis der umfangreichen älteren Literatur; Chartier, Portalis.

1687

Vgl. Nr. 1 (Staatskonferenz vom 20. Januar 1808).