BayHStA Staatsrat 233

14 Blätter. Unterschriften der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Törring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

{1r} Da Seine Exzellenz der königliche geheime Staats-und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas durch Geschäfte gehindert, im Anfange der heutigen Sizung nicht erschienen waren, so erstatteten

Weiderecht (R)

Weichs beantragt, in der Streitsache um Weiderechte auf dem Weideland der Gemeinde Mörlach die Entscheidung des Generalkommissariats des Oberdonaukreises zu bestätigen. In der Diskussion verweisen die Geheimen Räte auf die Komplexität der Materie. Es wird beschlossen, durch das Ministerium des Inneren alle Verfahrensakten beschaffen zu lassen, um den Fall erneut vor den Geheimen Rat zu bringen.

{1v} 1tens unter Vorsiz Seiner Exzellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Ministers, Herrn Grafen von Reigersberg, der königliche geheime Rath Freiherr von Weichs in der Streitsache des Paul Hammerer Auhofs Besizers nächst Hipolstein645 im Oberdonau-Kreise gegen die Kleingütler zu Merlach646 et consortes dermalen gegen das General Commißariat des Oberdonau-Kreises wegen Entschädigung eines Waidenschafts-Genusses auf den Merlacher Espannen647 betreffend schriftlichen Vortrag.

Freiherr von Weichs bemerkten, daß es nach ihren Ansichten bei dieser Streitsache vorzüglich auf die Frage ankomme: ob dieser Gegenstand zur neuen Instruirung an die erste Instanz zurükgegeben, oder das königliche General Kommissariat des Oberdonau Kreises angewiesen werden wolle, über den Bescheid des vormaligen Patrimonial Gerichts Merlach in secunda648 zu erkennen.

Sollte man finden, daß mehr ad materialia causae zu gehen seie, so müßten nicht nur alle acta primae, sondern auch ältere Akten und vorzüglich jene des Appellazions Gerichts zu Neuburg zur Einsicht abgefodert, auch, da der Auhofs Besizer ein königlicher Grund Unterthan ist, {2r} und bereits dem königlichen Fiscus litem zu denunciren drohe, die königliche Lehen- und Hoheits Sekzion und die geeignete Finanz-Stelle vernommen werden.

Nach dieser Vorfrage führten Geheimer Rath Freiherr von Weichs die Akten-Geschichte dieser Streitsache an, lasen die Erkenntnisse des ehemaligen Patrimonial Gerichtes zu Merlach, des vormaligen General Kommissariats des Altmühl Kreises, die von dem Appellazions Gerichte des Oberdonau Kreises gegebene Beurkundung und das Erkenntniß des Oberappellazions Gerichtes, als auch des General Kommissariates des Oberdonau Kreises ab, und machten den Antrag, den Bescheid des General Kommissariats des Oberdonau Kreises zu bestätigen, indem dadurch die Kultur der Merlacher Espannen nicht aufgehalten, und dem Besizer des Auhofes ohnbenommen werde, seine Ansprüche wegen dem Waidrechte bei dem Zivilrichter auszuführen.

Da mehrere Mitglieder des königlichen geheimen Raths über diesen sehr verwikelten Gegenstand nähere Aufklärung über denselben von dem Referenten {2v} erfoderten, so äusserten Geheimer Rath von Zentner in einer eingetretenen Besprechung, daß so schwer es auch seie, ohne nähere Einsicht der Akten eine Entscheidung hierin zu geben, sie dennoch glaubten, daß es hier blos darauf ankomme, diese Streitsache auf jenen Stand zurückzuführen, wo dieselbe nach dem Erkenntniß des Oberappellazions Gerichtes gewesen, und die Sache nach dieser Entscheidung mit Aufhebung sämmtlicher Zwischenbescheide wieder an das Appellazions Gericht des Oberdonau Kreises lediglich zu verweisen.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg liesen über diese verschiedene Ansichten abstimmen.

Die königlichen geheimen Räthe Graf von Preysing und Graf von Törring vereinigten sich mit der von dem geheimen Rathe von Zentner in der statt gehabten Unterredung entwikelten Ansicht. Geheimer Rath von Zentner wiederholten seine schon geäusserte Meinung.

Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] äusserten, die Meinung des geheimen Rathen von Zentner scheine die richtigste, allein in der Art, wie man diese Streitsache wieder in den vorigen Stand zurück- und das Appellazions Gericht des Oberdonau Kreises bringe, {3r} liege die Schwierigkeit. Da werde nichts übrig bleiben, als den Besizer des Auhofes gegen den vergessenen Termin der Fatalien zu restituiren, und ihme aufzutragen, sein Appellazions Gesuch gegen das Erkenntniß der ersten Instanz des Patrimonial Gerichtes bei dem Appellazions Gerichte des Oberdonau Kreises einzuleiten, denn von dieser Stelle seie noch keine Sentenz erfolgt, welche der Vertheilung der zu kultivirenden Pläze vorhergehen müße, denn bis izt habe dasselbe ein bloses Attestat gegeben. Mit dieser lezten Meinung vereinigten sich Geheimer Rath von Krenner der Jüngere [d.i. Franz].

Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco äusserten, obschon ihrer Überzeugung nach alles darauf ankomme, diese Streitsache auf den vom geheimen Rathen von Zentner angegebenen Stand zurückzuführen, so seie dieser Gegenstand dennoch so verwickelt, daß man ohne Abfoderung und Einsicht der Akten 1mae und der älteren nicht wohl eine Entscheidung fassen könne; sie würden also die Akten ergänzen lassen.

Zu dieser Meinung giengen {3v} auch die geheimen Räthe Grafen von Preysing, von Törring und von Zentner über.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin waren der Meinung, daß da der königliche geheime Rath blos über die Kompetenz, ob die vorliegende Streitsache zu den Justiz- oder Administrativ-Stellen sich eigne, zu entscheiden habe649, und die Vorfrage wegen der Entschädigung für das Waidrecht allerdings ein Justiz-Gegenstand seie, so glaubten Sie, daß ohne Abfoderung der älteren Akten diese Sache lediglich an die Justiz-Stellen zu verweisen seie.

Die königlichen geheimen Räthe von Effner, von Schenk, von Feuerbach und Graf von Welsberg erklärten sich für die Akten Abfoderung, indem der königliche geheime Rath ohne genaue Kenntniß aller Akten selbst nicht über die Kompetenz Frage entscheiden könne.

Nach der Mehrheit der Abstimmungen

wurde beschlossen, diese Streitsache an das Ministerium des Innern zurükgeben zu lassen, damit durch die Ministerial Polizei Sekzion die Akten 1mae des Patrimonialgerichts Merlach, dann sämmtlich {4r} ältere Akten und jene des Appellazions Gerichts des Oberdonau-Kreises abgefodert, und sodann dieser Gegenstand mit sämmtlichen Akten wieder an den königlichen geheimen Rath gebracht werde650.

Fideikommisse und Majorate

Johann Nepomuk v. Krenner setzt seinen Vortrag über die Fideikommisse, die künftig in Majorate umgewandelt werden sollen, mit Verlesung der §§ 118 bis 131 fort. Die einleitende Stellungnahme des Ministers Montgelas zielt auf eine Grundsatzdebatte. Er fragt, ob die Regierung einen Erbadel will oder nicht. Er selbst verdeutlicht, daß die Monarchie eines reichen, mit Vorzügen versehenen Adels bedarf. Vermögen ist insoweit eines der wichtigsten Merkmale eines für den Staat nützlichen Adels. Die Bemerkungen des Ministers lösen eine Diskussion über die Möglichkeit aus, Klassen von Majoraten einzuführen, ferner über die Höhe der zu fordernden Normalrente als Voraussetzung einer Majoratsgründung. Montgelas fasst die ausgedehnte Diskussion zusammen. Anträge an den König werden ebenso für den Fall formuliert, daß dieser Klassen von Majoraten fordert, wie für den Fall, daß er das nicht tut. Über die Höhe der Normalrente besteht im Geheimen Rat keine Einigkeit.

2. Da Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas in dem königlichen geheimen Rathe erschienen waren, foderten dieselbe den geheimen Rath von Krenner den Ältern auf, den Vortrag wegen den aufgehobenen Fideikommissen und neu zu errichtenden Majoraten zu vollenden651.

Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] bemerkten hierauf, daß der noch vorzutragende IVte Titel von der gänzlichen Auflösung der Majorate nach dem neuen Sisteme einige Abänderungen gegen das Transizions Sistem *dieses in seiner früheren Stellung genommen* [Ergänzung am Seitenrand] erhalten, indeme nicht nur die vier Fälle 1.) wenn ein Majorat durch Zustimmung aller Interessenten und mit Genehmigung Seiner Majestät des Königs sich auflöse, welches auch schon in dem früheren Edikte enthalten, 2.) wenn durch Unglücksfälle das Majorat so herunterkomme, daß die Normal Rente angegriffen werde, 3.) wenn solches wegen Verlezung der {4v} Legitima, und 4.) wegen der supervenientiae librorum sich auflöse, aufgenommen worden, *sondern in § 19 (alt 123) noch mehrere Auflösungs Arten angenommen worden wären.* [Ergänzung am Seitenrand]

Eine weitere vom geheimen Rathe von Feuerbach in Erinnerung gebrachte Art von Auflösung, nemlich wegen grosen Undank, wenn ein Majorat durch eine Schenkung errichtet, seie aus den in dem Prot. No XII enthaltenen Gründen, die geheimer Rath von Krenner der ältere ablas, umgangen worden.

Nach dieser Vorerinnerung lasen Geheimer Rath von Krenner der ältere die §en 118 bis 131 des IV. Titels und den § 131 allgemeine Bestimmungen ab.

Bei dem § 129 erinnerten Geheimer Rath von Krenner der Jüngere [d.i. Franz], daß nach der Faßung die Rechte dritter Betheiligter ungekränkt belassen werden müssen, die Töchter *wenn deren vorhanden, in dem Falle* [Ergänzung am Seitenrand] wo das Majorat aus gemeinsamen Einverständniß, aller zu der Majorats-Folge Berechtigten, und nach erfolgter allerhöchster Bewilligung sich auflöst, ebenfalls als betheiliget sich betrachten, und ihre Ansprüche gerichtlich verfolgen könnten, welches die Absicht der vereinigten Sekzionen nicht gewesen sein könne; sie würden, um dieser Anfoderung zu begegnen, sezen {5r} die Rechte der Wittwen, allimentirten oder Gläubiger ungekränkt belassen werden müßen.

Dieser Erinnerung wurde entgegengesezet, daß in dem Falle die Töchter nicht als Betheiligte könnten angesehen, und diese Ausnahmen nicht so bestimmt könnten gegeben werden, weil es auch noch andere Fälle geben könne, wo Personen ausser diesen drei Genannten bei der Auflösung des Majorats betheiliget sein dürften.

Die Fassung der § 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130 und 131 wurden ohne Erinnerung angenommen.

Nach dem Schlusse dieses Vortrages bemerkten Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister, Herr Graf von Reigersberg, daß, wenn die von dem geheimen Rathe in Antrag gebrachte wesentliche Vorzüge die allerhöchste Genehmigung erhalten sollten, Sie aus den von Seiner Exzellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Minister, Herrn Grafen von Montgelas schon mehrmal angegebenen Gründen sich für eine Höherung der Normal Rente, um ein Majorat errichten zu können, erklären müßten.

Diese Äusserung führten Seine {5v} Exzellenz den königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Minister Herrn Grafen von Montgelas652 zu nochmaliger Untersuchung der Fragen: Will die Regierung einen Erbadel oder nicht? und was soll dieser sein, auf den Fall, daß sie ihn will? Unter Beziehung auf ihre schon öfter vorgelegte Ansichten über diese Fragen, behaupteten Sie, daß ein Erbadel eben so wenig ohne Vorrechte, als ohne Vermögen, mit dem ihme nötigen Ansehen bestehen, noch auch dem entsprechen könne, was der Staat von ihm zu fodern für politisch zwekmäßig erachte. Die Constitution sichere zwar dem Adel die Beibehaltung seiner Titel653, allein diese Maasregel, welche ihren Grund vielleicht darin gefunden, weil die Erfahrung gezeiget, welchen Eindruk der Verlust dieser Titel in Frankreich hervorgebracht, könne keine Rechte auf so wesentliche Vorzüge geben, als dem Majorats-Besizer nach dem Antrage des Geheimen Rathes zugestanden werden solle. Vorrechte, so denjenigen, welche die Pairs in England654 genießen, nicht viel nachgeben, und die der arme Edelmann weder mit Anstand ausführen, noch ohne sich selbst herabzusezen, annehmen kann. {6r} 3.000 – 4.00 fl. Renten seien nicht hinlänglich, nicht geeignet, um an dieselbe so wesentliche Vorzüge zu binden, aus diesen, welche sie besizen, die Ersten des Reiches zu machen. Weit vorzüglicher scheine es ihnen, diesem Institut, wenn man die Normal Rente nicht höher sezen zu können glaube, nicht den politischen Werth, nicht die Vorzüge zu geben, und ohne diese Vorzüge, ohne diesen politischen Werth, hielten sie das Institut selbst für unnüz und in staatswirthschaftlicher Rücksicht sogar schädlich.

Ihrer innigen Überzeugung nach seie in einer Monarchie ein mit Vorzügen begabter reicher Adel nothwendig; allein, um diesen bilden zu können, seie Vermögen eines der ersten Requisiten, welches man in dem Auge behalten müsse; ohne dieses könne der Adel nichts nuzen, nicht wirken, und man würde mit dieser geringen Normal Summe eine Menge Menschen in dieses Institut ziehen, welche nicht dazu geeignet. Auch werde man die Anzahl der Privilegirten im Reiche ungeheuer vermehren, welches doch die Absicht der Regierung nicht sein könne, denn es scheine für den Zweck der {6v} Regierung nicht sowohl darauf anzukommen, viele, als geeignete Majorats-Besizer zu haben.

Ein Ausweg würde vielleicht übrig sein, wenn die Vermögens-Umstände der Adeligen im Reiche eine Höherung der Normalrente nicht zulassen sollte, wovon Sie sich aber nicht überzeugen könnten, sondern glaubten, daß manche von den wesentlichen Vorzügen gereizt, dennoch Majorate bilden werden, nemlich das Institut ohne alle Vorrechte zu bilden, und Seiner Majestät dem Könige vorzubehalten, nach Untersuchung der eintretenden Umstände in jedem einzelnen Falle über die Ertheilung dieser angetragenen Vorzüge zu entscheiden.

Diese Äusserung Seiner Exzellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Ministers Herrn Grafen von Montgelas führten eine nähere Beleuchtung dieser Ideen herbei, und gaben zu Entwickelung mehrerer Ansichten über das ganze Majorats-Institut, und ob Klassen in demselben anzunehmen oder nicht? ob die Normal Rente nach dem Vermögens Stande der Adeligen des Reiches gehöhert werden könne, {7r} den Veranlaß. So legten Geheimer Rath von Zentner die Meinung vor, daß, da man annehmen könne, das Vermögen des Adels des Reiches reiche nicht hin, um die Legitima zu sichern, und ein Majorat mit einer höheren hinreichenden Normal Summe zu bilden, man darin vielleicht eine Erleichterung für die Konstituirung der Majorate auffinden könne, wenn die Legitima in eine Aversional Summe bestimmt werde, die auf dem Majorat liegen bleibe, vorausgesezt, daß man aus diesen Majoraten ein politisches Institut machen, und in Folge dessen den Complex der Majorats Güter aus allem gesellschaftlichen bürgerlichen Verhältnisse sezen wolle.

Der Idee Seiner Exzellenz des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas, die Ertheilung der Vorzüge in einzelnen Fällen Seiner Majestät dem Könige vorzubehalten, welche einige Mitglieder als zwekmäsig und alle Einwendungen entfernend, beurtheilten, wurde von dem königlichen geheimen Rathe Carl [Maria] Grafen von Arco entgegen gesezt, daß niemand auf das Ungewisse, ob er diese Vorzüge erhalten werde oder nicht, sich allen unangenehmen {7v} Vorschriften, um ein Majorat errichten zu können, unterziehen, und diese Maasregel nie sich endigende Unterhandlungen mit den königlichen Ministerien veranlassen würde.

Nachdem die Unterredung über diese wichtige Fragen noch einige Zeit fortgesezet, und die Idee der Umänderung der Legitima durch ein Aversum von einigen Mitgliedern bestritten war, verfügten Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas über folgende Punkte die Umfrage: solle die Normal Rente erhöhet, sollen Klassen bei den Majoraten angenommen werden?

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg stimmten bei den den Majorats-Besizer [!] gegeben werdenden so wesentlichen Vorzügen auf Erhöhung der Normal Rente bis auf 4 oder 5.000 fl.

Der königliche geheime Rath Graf von Preysing blieben bei den von den Sekzionen angenommenen 3.000 fl., weil der Vermögensstand des Adels im Reiche nicht erlaube, diese Summe zu höhern, ohne die Legitima anzugreifen, und dadurch manche Familie unglüklich zu machen.

{8r} Geheimer Rath Graf von Törring äusserten, daß es schwer seie, über diese Punkte, ehe Seine Majestät der König über die bei den Sekzionen schon diskutirte Vorfragen, worunter auch jene wegen den Klassen bei den Majoraten, entschieden haben. Zu der Höherung der Normalrente auf 4.000 fl. könnten Sie sich nur in der Voraussezung verstehen, daß der Vorschlag des geheimen Rathen von Zentner wegen der Legitima angenommen werde. Übrigens seien fast alle Vorzüge, so den Majorats-Besizer zugestanden werden wollen, nicht von der ausserordentlichen Wesenheit, die man ihnen beilege, indeme die adelige Familien die meisten derselben schon Jahrhunderte besessen, und sie ihnen nur zurükgegeben werden.

Geheimer Rath Freiherr von Weichs stimmten für Erhöhung der Normalrente bei den Majoraten auf 4.000 fl.

Geheimer Rath Freiherr von Zentner erklärten, die Vorfrage: ob die Majorate ein solches Institut werden solle [!], wie man vorgeleget, seie rein politisch, und hänge, so wie jene, ob Klassen gemacht werden sollen, von der {8v} Entscheidung Seiner Majestät des Königs ab. Würde diese bejahend ausfallen, so müste das deswegen zu erlassende Edikt mit jenem über die Adels Verhältnisse in Verbindung gesezt werden, und die Vorzüge nur auf die erste höchste Klasse beschränkt werden. Sie würden aber, wenn diese Klassen wegen den in den Sekzions-Sizungen dagegen aufgestellten Anständen und den daraus entstehenden Nachtheilen, denen sie ebenfalls beigestimmt, so wie rücksichtlich der Bestimmungen der Konstituzion, mit welchen sie sich vielleicht nicht vereinigen laßen, nicht angenommen werden, die Normal Rente der Majorate, bei den so wesentlichen Vortheilen auf 6.000 fl. festsezen, rücksichtlich der Legitima aber die vorgeschlagene Änderung eintreten lassen.

Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] führten auf jene Diskussionen zurück, welche in den Sekzions Sizungen wegen den Klassen statt gehabt. Sollten aber Seine Majestät der König sich dafür entscheiden, so würden {9r} Sie zu zwei Klassen, eine mit allen angetragenen Vorzügen und eine Normalrente von 8.000 fl., die andere aber mit beschränkteren Vorzügen und der Normalrente von 4.000 fl. annehmen, und nur bei der ersteren Klasse die vorgeschlagene Abänderungen der Legitima in ein Aversum eintreten laßen. Sollten die Klassen nicht angenommen werden, so würden Sie das Minimum der Normalrente auf 4.000 fl. höhern, ohne in Rücksicht der Legitima etwas zu ändern.

Nach gleichen Ansichten stimmten Geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] sowohl rücksichtlich der Klassen, als auch der Höherung ohne Klassen, und würden, wenn nicht die 4.000 fl. in dem früheren Edikte schon ausgesprochen, mit dem Minimo der Normalrente noch höher hinaufgehen, allein dann auch die Änderung rüksichtlich der Legitima treffen. In die Klassen selbst einzugehen, könnten sie nicht anrathen, weil nach Ihrer Überzeugung diesen Einrichtung der Constitution widerstrebe.

Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco bemerkten, daß die Fragen, {9v} so behandelt werden, so wichtig und komplizirt seien, daß es schwer wäre, sich äußern zu können, ohne die Entscheidung zu wissen, welche Seine Majestät der König zu fassen geruhen werden. Gegen die Einrichtung der Klassen sich zu erklären, fänden Sie sich durch die Gründe, welche in den Sekzions Protokollen enthalten, aufgerufen, und müßten diesen noch folgende beifügen: Erstens entstehe dadurch eine schädliche Disharmonie und eine grose Uneinigkeit unter dem Adel selbsten, welche nachtheilige Folgen haben könnte, auch könnte die Bestimmung der Konstituzion welche jedem Adeligen seinen Titel und seinen Stand zusichert655, nicht mehr ausgeübt werden. Zweitens führe dieses zu einer grosen Immoralitaet des Adels, jeder werde suchen, auf erlaubten oder auch unerlaubten Wegen sein Vermögen zu vermehren, um sich in eine höhere Klasse zu bringen, und alles Denken und Handeln der Adeligen werde nur darauf gerichtet sein; ob hievon eine gute Wirkung für den Staat zu erwarten, dieses seie nicht schwer zu entscheiden. {10r} Sie müßten sich aus diesen Gründen gegen die Klassen erklären, würden aber das Minimum der Normal Rente auf 4.000 fl. höhern.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin äusserten, man fühle lebhaft, daß in dieser Sache die Mittel mit dem Zweke in Collision stünden, und es werde alles darauf ankommen, ob man das Institut berechnet nach dem Mittel, so das Reich darbiete, haben wolle oder nicht? Würden Seine Majestät der König der Idee, Klassen zu machen, Eingang geben, so glaubten Sie allerdings, daß die Mittel in hinreichender Anzahl sich finden würden, um Majorate 1ter Klasse mit 8.000 fl. Normal Rente und allen den angegebenen Vorrechten zu errichten; die 2te Klasse könne man auf 3 oder 4.000 fl. sezen, auch noch andere mit geringerer Normalrente, aber ohne alle Vorzüge, so wie die 2te Klasse mit beschränkteren entstehen lassen. Wegen der Legitima würden Sie aber bei keiner Klasse eine Änderung treffen lassen, indeme {10v} die Kinder und Nachgeborne ein Recht auf die Legitima erhalten hätten. Würden die Klassen nicht angenommen, so seie es gleichgültig, ob das Minimum der Normal Rente auf 3 oder 4.000 fl. festgesezt werde, denn 4.000 fl. würden so wenig wie 3.000 fl. dem Zwecke entsprechen.

Geheimer Rath von Effner äusserten, auch Sie überzeugten sich, daß das angegebene Minimum der Normalrente mit den Vorrechten im Widerspruche stehe, und daß es das zwekmäsigste sein würde, Klassen bei den Majoraten einzuführen; die Vorzüge, so wie sie angetragen, nur der ersten Klasse zu bewilligen, diese auf 8.000 fl. reiner Rente zu sezen, und nur bei diesen die Änderung der Legitima in ein Aversum eintreten zu lassen, die zweite Klasse aber mit beschränkteren Vorzügen auf 4.000 fl. reiner Rente zu bestimmen. Würden keine Klassen angenommen, so würden Sie die Normal Rente auf 4.000 fl. erhöhen.

{11r} Geheimer Rath von Schenk bemerkten, die Untersuchung der vorgelegten Fragen seie schwierig, und kaum zu lösen, ohne in jene einzugehen, in wie ferne ist der Erbadel in einer Monarchie nothwendig, und wie muß er gestellet werden, um zu nüzen, und nicht gefährlich zu werden. Vor der französischen Revolution seie über diese Frage schon vieles, während der Revolution noch mehr geschrieben und gesprochen worden, welches zu wiederholen hier nicht der Ort seie. Inzwischen bleibe es nach der Bemerkung des geheimen Rathen Carl [Maria] Grafen von Arco immer bedenklich, den Geldadel allein so sehr zu erheben, und alle Vortheile auf Vermögen, und dadurch auf Zusammenhäufung desselben zu gründen; auch seie es kein bleibender Grund, worauf man das Ansehen und die Würde des Adels stelle, denn Vermögen seie in unseren Tagen dem Zufalle sehr unterworfen. Inzwischen glaubten Sie auch, daß das Institut blos durch Klassen dem Zwecke entsprechen, bei dem Publikum die nötige Ach-{11v}tung erhalten, und etwas werden könne. Sie würden daher zwei Klaßen eine mit 8.000 fl. die andere mit 4.000 fl. reiner Rente, erstere mit allen den angetragenen Vorrechten, leztere mit beschränkten errichten, und den ersteren die vorgeschlagene Änderung der Legitima gestatten. Jedoch müßten Sie bei dieser Anstalt eine gemäsigte Monarchie voraussezen. Sollten keine Klassen angenommen werden, so würden Sie das Minimum der Normal Rente auf 6.000 fl. bestimmen, dabei aber auch die Änderung der Legitima gestatten.

Geheimer Rath von Feuerbach äusserten, der Widerspruch zwischen dem Mittel und dem Zweke seie offenbar, wie könne eine Rente von 3.000 fl. nach den gegebenen Praemissen hinreichen, den Thron zu stüzen, diesem Glanz und sich selbst Ansehen zu geben, wie, um die ihme gegebene Vorzüge mit Würde auszuüben. Die öffentliche Meinung werde beleidiget, wenn ein solcher Adelige, einer der Ersten des Reichs ein vorzüglich Privilegirter sein solle, dessen Einkünfte kaum {12r} hinreichen, sich selbst zu erhalten, vielweniger noch zu imponiren. 8.000 fl. reiner Rente reichten nicht hin, und Sie würden die erste Klasse mit 12.000 fl. reiner Rente festsezen, aber auch mit allen Vorzügen begaben. Für die zweite Klasse würden Sie eine Rente von 4.000 fl. bestimmen, allein ihnen sehr beschränkte Vorzüge einräumen.

Geheimer Rath Graf von Welsperg waren der Meinung, daß es sehr zu wünschen gewesen wäre, daß diese Grundzüge, worüber man gegenwärtig abstimme, den vereinigten Sekzionen wären früher mitgetheilt worden, dann hätten dieselbe mit mehr Muße überdacht, und in ein Ganzes gebracht werden können. Ein Majorats Besizer mit 3.000 fl. reiner Rente, und mit den angetragenen Vorzügen begabt, würde sich im Inlande kein Ansehen zu erwerben im Stande sein, und wie werde erst das Ausland von ihnen urtheilen. Nach dem was Sie wegen dem Vermögen des Adels gehört, {12v} und nach den Ihnen noch mangelnden Kenntnissen von der innern Kraft desselben, könnten Sie daher keine Summe der Normalrente festsezen, welche erfoderlich, um diese wesentliche Vorzüge auszuüben, würden sie aber so hoch als möglich, und als es die Kräfte des Adels erlauben annehmen, dann aber scheinen Ihnen zwei Klassen zu wenig. Da inzwischen die Majorats Errichtung nicht so wesentlich nothwendig, daß, hiemit nicht noch eine Zeit zugewartet, und günstigere Verhältnisse des Adels abgewartet werden können, so würden Sie zur Zeit noch alles beim Alten belassen, die Fidei Commißen als aufgehoben ansehen, und zur Majorats-Errichtung einen günstigern Zeitpunkt erwarten.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas wiederholten noch{13r}mal in gedrängter Kürze die Abstimmungen der geheimen Raths Mitglieder, und nach der Mehrheit wurden folgende Beschlüsse gefaßt.

Von Seiner Majestät des Königs [!] solle die Entscheidung allerunterthänigst abgewartet werden, ob allerhöchstdieselbe bei der Majorats-Errichtung Klassen angenommen haben wollen, oder nicht?

Auf den Falle, daß Klassen bestehen sollen, war die Mehrheit durch 6 Stimmen der allerunterthänigsten Meinung, daß zwei Klassen, die erste mit einer Normal Rente von 8.000 fl. reiner Rente, und die zweite mit 4.000 fl. angenommen werden sollten, wovon der ersten Klasse alle angetragene Vorzüge beigeleget, und ihr erlaubt werden solle, statt der Ausweisung der Legitima ein verhältnißmäsiges Aversional Quantum auszuzeigen, und dieses auf dem Majorat zu hypotheciren.

Für diese lezte Meinung waren {13v} nur fünf Stimmen, indem Freiherr von Aretin sich gegen jede Veränderung der Legitima erklärten.

Der zweiten Klasse wäre dieses nicht zuzugestehen, derselben auch beschränktere Vorzüge zu verleihen.

Der geheime Staats- und Konferenz-Minister Graf von Reigersberg, die geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs hatten wegen den Klassen nicht votiret, und wollten zuerst die Entscheidung der Vorfrage erwarten.

Gegen die Klassen stimmten die geheimen Räthe Graf von Preysing und Graf Carl [Maria] von Arco. Geheimer Rath von Feuerbach stimmten auf 12.000 fl. für die erste Klasse.

Graf von Welsperg auf den Fall, daß gegenwärtig über die Errichtung der Majorate entschieden werden solle, auf Festsezung der Normal Rente, so hoch als möglich, und als es die Kräften des Adels im Reiche erlauben.

Sollten Seine Majestät der König nicht für die Annahme der Klassen entscheiden, so war die Mehrheit der {14r} Mitglieder durch 6 Stimmen der Meinung, das Minimum der Normalrente auf 4.000 fl. zu sezen, ohne jedoch eine Änderung in der Legitima zu gestatten.

Der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Graf von Reigersberg vereinigten sich zwar mit dieser Meinung, stimmten aber auch auf 5.000 fl.

Geheimer Rath von Preysing blieben bei 3.000 fl. Geheimer Rath Graf von Törring stimmten auf 4.000 fl., jedoch mit Änderung der Legitima in ein Aversum. Die geheimen Räthe von Zentner, und von Schenk stimmten auf ein Minimum von 6.000 fl. jedoch mit Änderung der Legitima in ein Aversum. Die geheimen Räthe von Feuerbach und Graf von Welsperg suspendirten für diesen Fall ihr Votum nach andern Ansichten

und hiemit wurde die heutige Sizung beschlossen656.

Anmerkungen

645

Auhof, Orteil von Hilpoltstein, Landkreis Roth, Mittelfranken.

646

Mörlach, Ortsteil von Hilpoltstein.

647

Espan ist das außerhalb des Etters zwischen Weiden und Wiesen liegende, im Gemeindeeigentum befindliche Weideland für das Vieh. Vgl. DRW Bd. 3, Sp. 326 s.v.; DWB Bd. 3, Sp. 1157 s.v.; BWB Bd. 1, Sp. 168. Der vorliegend benannte Espan lag zwischen Mörlach und Minettenheim; noch in der Gegenwart kennt man den Flurnamen, siehe URL: https://geoportal.bayern.de/bayernatlas/?zoom=10&lang=de&topic=ba&bgLayer=tk&E=663336.99&N=5452449.94&catalogNodes=11,122 (Aufruf: 22.1.2020).

648

Soll heißen: in zweiter Instanz.

649

Vgl. Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. III § 2, RegBl. 1808, Sp. 993 = DVR Nr. 286, S. 659; OE betr. die „Bildung des geheimen Raths“ vom 4. Juni 1808, Tit. II Art. 7 a, ebd. Sp. 1332.

650

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 86 (Geheimer Rat vom 17. September 1812), TOP 2.

651

Vgl. Protokoll Nr. 28 (Geheimer Rat vom 25. Juli 1811), TOP 2.

652

Die Stellungnahme des Ministers Montgelas ist auch gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 21, S. 137-139.

653

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 5, RegBl. 1808, Sp. 987 = DVR Nr. 286, S. 656: „Der Adel behält seine Titel […]“. Das „Edikt über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 2029-2044, führte in Tit. I § 7, Sp. 2030, näher aus: „Alle, die in Unserm Königreiche als Adeliche anerkannt sind, behalten für sich und ihre ehelich geborne Kinder ihre bisherigen Adels-Titel“.

654

Montgelas bezieht sich hier auf die hochadelige Gruppe der (britischen) Peers, die sich seit dem 13. Jahrhundert in die Ränge der Dukes (Herzöge), Earls (Grafen), Marquises (Markgrafen), Viscounts (Vizegrafen) und Barons (Barone) ausdifferenziert hatte. Der soziopolitische Rang der Peerage ergab sich insbesondere aus ihrem Recht, das House of Lords zu beschicken; zudem war es der Peerage möglich, einen nahezu exklusiven Zugriff auf hohe Staatsämter zu etablieren. Dazu kamen persönliche Vorrechte. Die nach 1660 etwas weniger als 150, im Jahr 1800 um die 265 Köpfe umfassende Gruppe der Peers (im gesamten 18. Jahrhundert zählt man etwa 1.000 Peers) erweiterte sich seit den 1780er Jahren durch die Aufnahme von Bankiers, Industriellen und Gelehrten. Gleichwohl gründete sich der gesellschaftliche Rang der Peerage auch weiterhin auf ausgedehnten Grundbesitz. Identitätsbildend und statusbegründend blieb die Regel, daß der vererbbare Titel nur auf ein männliches Mitglied jeder Familie überging. Vgl. Cannon, Peerage; Cannon, The British Nobility; Cannon, Aristocratic Century; Haan/Niedhart, Geschichte Englands, S. 27.

655

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 5, RegBl. 1808, Sp. 987 = DVR Nr. 286, S. 656: „Der Adel behält seine Titel und, wie jeder Guts-Eigenthümer, seine gutsherrlichen Rechte nach den gesezlichen Bestimmungen […]“.

656

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 42 (Geheimer Rat vom 31. Oktober 1811), TOP 2.